Nein, wir sind nicht ausländerfeindlich

Golfplatz in Melilla "Nein, wir sind nicht ausländerfeindlich. Aber wir hassen die Armut. Wir werden uns wehren. Aus Angst, eines Tages eure Armut teilen zu müssen." (Christoph Hein 1991)

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http://www.diariocambio.com.mx/2014/media/k2/items/cache/e7df63b34fab8ea3be8ba463e9517567_XL.jpg

Fotograf: José Palazón. Bild entliehen bei diariocambio.

Kommt Ihnen auch etwas komisch vor beim Betrachten des Bildes? Ja, die Figuren auf dem Zaun sind größer als die Golfspieler. Nein, das Bild ist nicht gefälscht, es ist ein bißchen bearbeitet. Glauben Sie nicht? Sollten Sie lieber, ein Video der gleichen Szenerie:

Oben rechts sehen Sie einen Paramilitär der Guardia Civil, der verhindert, daß die Flüchtlinge auf der falschen Seite vom Zaun steigen und der vermutlich auf Verstärkung wartet.

Am 15.10.2014 spielten sich in Melilla diese Szenen ab, gefilmt von der Asociación Pro.De.In.:

Así defiende "ESPAÑA" el Ministerio del Interior (2) from Asociación Pro.De.In. Melilla on Vimeo.

Die Guardia Civil prügelt mit Schlagstöcken auf die vom 6m hohen Zaun steigenden Flüchtlinge ein, sie schlägt mindestens zwei Flüchtlinge bewußtlos, wirft einen in den Rinnstein, trägt sie wie Lumpenpuppen und übergibt sie schließlich dem marokkanischen Militär.

Lassen Sie also Ihre Phantasie spielen, was den Flüchtlingen auf dem Zaun zum Golfplatz nach dem Foto noch so alles passiert sein wird.

Dieser Golfplatz wurde übrigens mit 2 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.

Ich überlegte gestern die ganze Zeit, woher mir der Name José Palazón so bekannt vorkam, gerade fiel es mir wieder ein: “Hier in Melilla ist ein Asylantrag praktisch die Garantie, zwei Jahre fest zu sitzen. So lange wird der Antrag geprüft – und dann wird er abgelehnt, praktisch keinem Antrag wird statt gegeben."

Palazon erzählt von einem “Albino aus Uganda, dem wir geraten haben, Asyl zu beantragen, denn die Verfolgung und Ermordung von Albinos in Afrika ist eigentlich ein klarer Fall für Asyl. Aber nach zwei Jahren war sein Status noch immer nicht geklärt. Im September hat er sich unter einem Lkw versteckt und Melilla verlassen. Er ist jetzt in der Schweiz. Eine Woche später kam dann zwar der positive Bescheid, und es war, glaube ich, der einzige im ganzen Jahr 2012.

Wir werden uns nicht nur vor lauter Verarmungsangst wehren, wir führen Krieg.

Oben Verzweiflung, unten Luxus

Die Flüchtlinge in Melilla und der Zaun

No es un montaje: la foto de la valla de Melilla y el campo de golf

Lo que no se ve en la foto del campo de golf frente a la valla de Melilla

An Europas Armutsgrenze

African migrants look down on white-clad golfers in viral photo

Video vom 15.10.2014 von der Asociación Pro.De.In.

El vídeo de foto "Juegan golf mientras inmigrantes saltan valla Melilla"

Europa beginnt in Afrika

«Es ist falsch, dass alle Flüchtlinge nach Europa wollen» und noch ein Interview mit Susin Park, der Leiterin des UNHCR-Büros der Schweiz

Der tödliche Zaun von Melilla

Ex-territoriale Flüchtlingsabwehr:

Expansion der Festung Europa

Italien will EU-Polizeiposten im Maghreb errichten

Sehr hörenswertes Feature: Militarisierung für den Wohlstand

Dossier von Le Monde diplomatique zur Migration nach Europa

Sehr lesenswert: Einfach unbegreiflich! °Nach den Quälereien von Asylbewerbern versuchen Politik und Medien, die Vorkommnisse als traurigen Einzelfall abzutun, der mit der Flüchtlingspolitik nichts zu tun habe°

und vom gleichen Autor, Prof. Arian Schiffer-Nasserie:

• Die toten Flüchtlinge sind – auch wenn es niemand so sagen will – für die ökonomischen Interessen der führenden Staaten und ihrer Unternehmen unvermeidlich. Sie sind als Teil der zivilen Opfer des EU-Projekts notwendig!
• Die Grenztoten sind nicht Opfer „gewissenloser Schleuserbanden“, die der Innenminister nun pressewirksam verantwortlich machen will, sondern sie sind die Folge einer effizienten Abriegelung der europäischen Außengrenzen, für die Deutschland entschlossen einsteht.
• Die Toten sind nicht Opfer „unserer aller“ Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber dem Leid der Flüchtenden, wie dies Presse und Bundespräsident glauben machen wollen, sondern sie sind Produkte der ökonomischen, politischen und militärischen Erfolgsstrategie eines Staates, dem – allem Elend zum Trotz – die uneingeschränkte Loyalität der vierten Gewalt gilt.
• Die Toten bezeugen nicht das „Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik“, sondern sie sind Ausdruck erfolgreicher Grenzsicherung.
• Auch wenn es niemand so sagen will: Die nun öffentlich zur Schau gestellte Betroffenheit dient nicht den toten Flüchtlingen – wie sollte sie auch! Scham und Trauer gelten dem Ansehen des europäischen Staatenbündnisses, seiner Parteigänger und seiner Werte.

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