Gegen Russland

Syrien Daniel Cohn-Bendit, Intellektuelle und Ex-Politiker rufen zu einer Demonstration gegen „lupenreinen Massenmord“ in Aleppo auf

Der Krieg in Syrien dauert schon eine Weile, und auch die russischen Luftangriffe auf Aleppo sind nicht neu. Dennoch ist es für ein breites Bündnis von Intellektuellen, Schriftstellern und Meinungsführern nicht zu spät, gegen die Bombardements zu demonstrieren – und zwar direkt vor der russischen Botschaft in Berlin. „Schluss mit dem Massenmord in Aleppo!“

Das sagen unter anderen die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller, die Grüne Marianne Birthler, der Verleger Michael Naumann und der Regisseur Volker Schlöndorff. Sie werfen Russland vor, für die humanitäre Katastrophe in Syrien verantwortlich zu sein: „Für seinen Traum von neuer imperialer Größe überzieht Präsident Putin die Stadt Aleppo mit einem mörderischen Bombenkrieg“, heißt es in dem Appell. Die Demonstration soll am Mittwoch um 13 Uhr beginnen.

Die Situation für die Bevölkerung der Stadt Aleppo ist seit Monaten katastrophal. Der Ex-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit stellt daher die von syrischer und russischer Luftwaffe zerbombte Stadt in eine Reihe mit der Auslöschung der spanischen Stadt Guernica und dem Warschauer Ghetto. Cohn-Bendit ruft Frankreichs Präsident Hollande dazu auf, nach Aleppo zu reisen und sich dort für eine Feuerpause einzusetzen. Die neben Joschka Fischer wichtigste Figur der Grünen beschwert sich darüber, dass die Russen generell zu wenig kritisiert werden. „Assad ist ein Massenmörder, aber ohne Russland wäre Assad nichts", sagte Cohn-Bendit dem Freitag. Dies trifft auch den Ton des Appells. Putin wird nicht weniger als ein „Vernichtungskrieg gegen Aleppo“ vorgeworfen.

Seit über fünf Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Hunderttausende sind den Kämpfen bisher zum Opfer gefallen. Millionen von Syrern befinden sich auf der Flucht. Ende 2012 war die Metropole Aleppo mit einst rund zwei Millionen Einwohnern von Rebellen eingenommen worden. Der syrischen Armee aber ist es in den letzten Monaten gelungen, weite Teile der Stadt zurück zu erobern. Unterstützt wird sie dabei seit gut einem Jahr durch russische Luftangriffe.

Man kann den Unterzeichnern des Aufrufs nicht die Absicht absprechen, sich um das Wohl der Bevölkerung in Aleppo zu sorgen. Nun wollen sie „wenigstens ein kleines Zeichen gegen das dröhnende Schweigen der Zivilgesellschaft zu dem systematischen Massenmord“ setzen. Die Publizisten und Ex-Politiker erheben schwere Vorwürfe gegen die „Friedensfreunde aller Fraktionen“: „Warum redet ihr nicht von Putins Schande? Wo ist die Linke, die den Pazifismus wie eine Monstranz vor sich herträgt und jeden Kriegseinsatz der NATO scharf verurteilt?"

Dennoch müssen sich die Aufrufer die Frage gefallen lassen, was der größtenteils polemische Aufruf zur Entspannung in Syrien beitragen kann. Russland die Alleinverantwortung für die humanitäre Katastrophe zuzuschreiben, die Entwicklung in Aleppo mit schiefen Geschichtsvergleichen zu verklären, wird kaum geeignet sein, die Dialogbereitschaft zwischen den Konfliktparteien zu fördern.

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