Hätte jemand Mohammed Albaida im April 2016 gesagt, dass er für das bald beginnende Wintersemester eine Zulassung für ein Informatikstudium an der Universität Rostock in der Hand halten wird, er hätte ihn wohl für verrückt erklärt. Der 24-jährige Syrer musste – wie so viele – im September 2015 vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland fliehen. In Deutschland angekommen wollte Albaida sein Informatikstudium, das er bereits in Syrien begonnen hatte, so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Voraussetzung dafür: die deutsche Sprache sprechen, mindestens auf dem Niveau C1 – so verlangen es die meisten Studiengänge für ausländische Studenten hierzulande.
Doch die ersten Sprachkurse, die der Syrer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vermittelt bekam, bezeichnet Albaida als „verlorene Zeit“. Im April 2016 stand er gerade einmal bei A1, dem niedrigsten Niveau. Bei der Zusammenlegung der Kurse seien die unterschiedlichen Lernniveaus nicht berücksichtigt worden – zum Nachteil von lernstarken Teilnehmern, kritisiert Albaida.
Zufällig entdeckter Sprachkurs
„Ich habe dann zufällig entdeckt, dass die Universität Rostock einen Intensivkurs mit wissenschaftlichem Fokus anbietet“, sagt er. Mit Hilfe dieses Vorbereitungskurses gelang es Albaida und weiteren studieninteressierten Geflüchteten, innerhalb von nur einem Jahr die notwendigen Sprachkenntnisse zu erwerben. „Von den 17 Teilnehmern des Kurses haben alle die entsprechende Sprachprüfung bestanden und schließlich auch eine Zulassung für ein Studium erhalten“, erklärt Florian Fröhlich, Flüchtlingsberater an der Universität Rostock.
Der Vorbereitungskurs, der Albaida letztendlich den Weg an die Universität ebnete, ist Teil eines Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Im November 2015 erklärte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU), dass ihr Haus für die nächsten vier Jahre 100 Millionen für die Integration von Geflüchteten an Hochschulen bereitstellen wird. Die Gelder des Bundes sollen vor allem die sprachlichen und fachspezifischen Lücken schließen, die sich durch den Bruch in der Bildungsbiografie vieler Geflüchteter ergeben haben.
Konzipiert wurden die Förderinstrumente vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Den Schwerpunkt bildet das Programm „Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium“, kurz Integra. Über dieses Programm sollen Kurse finanziert werden, die Geflüchtete sowohl sprachlich als auch fachlich auf das Studium in Deutschland vorbereiten.
Mohammed Albaida war deutschlandweit einer von 6.600 Teilnehmern eines solchen durch Integra geförderten Kurses im Jahr 2016. „Der Sprachkurs war mit den vorherigen Kursen nicht zu vergleichen“, sagt Albaida. „Alle haben so hart gearbeitet, um Deutsch zu lernen. Auch die Lehrer waren viel besser als vorher.“ Das kann Thusnelda Tivig, Professorin am Lehrstuhl für Wachstum und Konjunktur der Universität Rostock, bestätigen: „Die Angebote für Geflüchtete an den Universitäten sind viel besser als vor zwei Jahren.“ Tivig muss es wissen. Seit 2015 beschäftigt sie sich intensiv mit dem Zugang von syrischen Geflüchteten zu deutschen Universitäten. Noch bevor die Politik auf den steigenden Bedarf qualitativer Fach- und Sprachkurse reagieren konnte, gründete Tivig das „Akademische Integrationsprojekt“. Die Initiative, die von Privatunternehmen, Stiftungen und Spenden finanziert wird, unterstützt Syrer durch kostenfreie Sprachkurse und Beratung bei deren Weg an deutsche Hochschulen.
Das 100-Millionen-Programm der Bundesregierung sei ein wichtiger und richtiger Schritt, glaubt Tivig. Dennoch sieht sie noch viele Baustellen bei der akademischen Integration. Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften ist so eine. „Oft gibt es nur projektbezogene Anstellungen ohne Aufsicht auf Weiterbeschäftigung. Das schreckt viele ab.“ Tatsächlich kann die Universität Rostock nicht einmal alle möglichen Fördergelder des DAAD abrufen, weil schlicht qualifizierte Lehrkräfte fehlen.
Auch aus diesem Grund werden an der Universität Rostock in diesem Jahr nur 20 Geflüchtete von dem Integra-Programm profitieren. Beworben hatten sich 70. Abgelehnte Bewerber sind auf Initiativen wie die von Tivig angewiesen oder müssen sich an freie Träger wenden, die jedoch zum Teil für die Geflüchteten nicht zu finanzierende Gebühren verlangen.
Kritisch sieht Tivig auch die Zulassungsverfahren über den Verein Uni-Assist, der diese für insgesamt 181 deutsche Hochschulen koordiniert. Im Rahmen des 100- Millionen-Hochschulprogramms wurden die „Kapazitäten“ des Vereins „verstärkt“, heißt es beim DAAD. Dennoch sei Uni-Assist noch immer personell überlastet, sagt Tivig. „Es passieren viele Fehler. Für den Studiengang Humanmedizin wurden zum Beispiel viele Unterlagen nicht rechtzeitig an die Universitäten weitergeleitet, wodurch die Bewerbungen nicht berücksichtigt werden konnten. Auf den Kosten bleiben die Geflüchteten sitzen.“
Auch Mohammed Albaidas Bewerbung wäre indes fast an einem Fehler von Uni-Assist gescheitert. In einer ersten Rückmeldung des Vereins hieß es, seine Sprachkenntnisse seien für das angestrebte Fachstudium Informatik nicht ausreichend. Tatsächlich hatte Albaida zu diesem Zeitpunkt die notwendige Prüfung für das C1-Niveau noch gar nicht abgelegt. Was der zuständige Sacharbeiter aber offensichtlich nicht wusste: Die Universität gestattet Geflüchteten, ihren Sprachnachweise bis zum Beginn des Studiums nachzureichen. Selbst als Albaida Uni-Assist auf den Fehler aufmerksam machte, geschah zunächst nichts. Erst als sich mit Flüchtlingsberater Florian Fröhlich ein Universitätsmitarbeiter einschaltete, ließ Uni-Assist die Bewerbung zu. Mit Erfolg: Zwei Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland, wird aus dem „Geflüchteten“ Mohammed nun der „Student“ Mohammed.
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