An den Wänden prangt ein Zitat von Bill Gates: „Banking ist wichtig, Banken sind es nicht“. Und auch die Veranstalter der Tagung next banking, Viktoria Trosien und Martin Ciesielski, steigen mit einer Grundsatzfrage ins Thema ein. „Wozu überhaupt noch Banken?“, fragen sie in ihrer Begrüßungsansprache.
Moment mal: Da kommen also Banker, IT-Experten und Finanzberater nach Berlin, um ihre eigene Branche zu begraben? So weit geht es dann doch nicht. Aber: „Digital, mobil, sozialvernetzt“ müssten die Banken von morgen sein, um mit dem Kunden 2.0 mitzuhalten. „Social Banking“ nennen das Moderatorin Trosien und Bank-Berater Ciesielski.
Es hat sich etwas verändert: Die Kunden wollen jetzt mitreden. Sie fordern mehr Transparenz, direkten Dialog und schnellere Abläufe. Sie informieren sich nicht mehr auf der Website ihrer Hausbank, sondern suchen auf unabhängigen Portalen nach den besten Finanzprodukten. Sie bitten ihre Netzkontakte um Tipps und sie glauben der eigenen Bank kein Wort mehr - laut Studien traut nur noch jeder vierte Deutsche seinem eigenen Bankberater über den Weg. Denn die haben Vertriebsziele und müssen Produkte verkaufen, in schlechten Zeiten mehr denn je.
Wer nicht den Dialog sucht, verliert
Kein Wunder also, dass der Kunde „desorientiert, verwirrt und misstrauisch“ ist, wie eine Tagungsteilnehmerin erklärt. Doch bisher werden alte Marketingbotschaften oft nur in neue Social Media Kanäle zu gießen. Da rühmt sich etwa die BNP Paribas auf ihrer Website als „Bank für eine Welt im Wandel“ – und verschenkt doch die emanzipativen Möglichkeiten über Twitter. Wer dort nur monoton Aktienkurse vermeldet und so das Dialogmedium missversteht, darf weder mit mehr Aufmerksamkeit noch mit neuen Kunden rechnen.
„Banken müssen ihre Vertrauensgewinnungsstrategien ändern“, meint daher Trendforscher Willi Schroll. Wo früher repräsentative Filialen Sicherheit suggerierten, steigt heute der Wert von Beziehungen im Netz. „Vom klassischen Branding, also dem Aufbau einer Marke, geht der Trend zu den Communities. Hier geht es wieder mehr um die Ratio als um Emotionalität, um wahre Werte und kritische Diskussionen über die Angebote einer Bank.“
Wer sich dabei auf das Feld der offenen Diskussion begibt, muss vor allem nach innen die nötige Kultur schaffen, um Feedback und Kritik aus dem Netz auch schnell umsetzen zu können. Während vorher die Intransparenz eines Hauses und das Wissensmonopol auf Geldthemen zur Selbstdarstellung von Banken zwingend dazugehörten, sähen sich die Häuser heute unabhängigen Meinungen im Netz ausgesetzt, so Schroll.
„Der Dialog kann kritisch und anstrengend sein“, gesteht Johannes Korten von der GLS Bank Bochum in seinem Vortrag. Immerhin: Seine Bank gilt als die erste, die auf Twitter aktiv war und auch heute noch fleißig bloggt. Das allein wäre noch keine Großtat, doch verstand es die GLS einen wirklichen Dialog mit den Nutzern zu führen – eine Grundvoraussetzung, um bei den Netzbewohnern zu punkten.
Kreditvergabe in der Community
Die partizipativen Strukturen des Webs haben innovative Finanzdienstleister nun zur Geschäftsgrundlage gemacht. Der digitale Marktplatz Smava etwa bietet „Kredite von Mensch zu Mensch“. Bereits 10.000 User haben seit dem Start im März 2007 entweder Privatkredite vergeben oder erhalten. Die Plattform sichert die rechtliche Abwicklung und verlangt von Kreditnehmern den Schufa-Nachweis - den Rest erledigt die Community. Wer sich glaubwürdig darstellt und gute Gründe für seinen Kreditwunsch anbringt, der kann schon in wenigen Stunden mehrere tausend Euro zugesagt bekommen. Für Selbständige, die wegen fehlender Sicherheiten bei Banken abblitzen, ein neuer Weg um überhaupt an Geld zu kommen. Bereits zehn Millionen Euro wurden seit der Gründung von smava transferiert.
Das Prinzip der Eigenverantwortung will Matthias Kroener mit seiner „Community Bank“ noch weiter treiben. In seiner Utopie gibt es die Abteilung Vertrieb gar nicht mehr, weil Kunden die Produkte nicht nur untereinander empfehlen, sondern selber mitentwickeln wollen. Genau wie die Strategie seiner Gemeinschaftsbank. Der Chef selbst, sofern sich Kroener noch so nennen würde, macht fleißig mit, twittert persönlich und stellt Videobotschaften über Youtube ins Web.
Doch „Social Banking“ im Netz geht noch weiter. Von neuen Währungen wie E-Bucks oder Fair Money ist die Rede. Vom Crowdfunding, wo mehrere Privatleute über Netzwerke wie Smava oder Kiva Gelder für andere zusammentragen, ohne dabei Gebühren an Banken als Mittler abzutreten. Und das Schlagwort Mobile Money fällt öfters, eine Entwicklung, die in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, während sich Afrikaner per Handy längst Kleinbeträge zusenden. „Mit der sogenannten Nearfield Communication könnten alle möglichen Bezahlvorgänge mit einer einfachen Berührung durch das Handy erledigt werden“, erklärt Florian Resatsch von der Beratungsfirma servtag.
Doch die beteiligten Firmen stehen sich momentan noch selbst im Weg, was die zügige Einführung verhindert. Viktoria Trosien ärgert sich über solche Innovationsbremser, denn die eigene Geldbörse mit Scheinen, Münzen und Plastikkarten ist ihr längst zur Last geworden. Sie sagt: „Es geht um Funktion, nicht um Konventionen. Wenn Banken heute neue Geschäftsfelder verschlafen, dann machen es eben andere.“ Damit werden die traditionellen Geldhäuser nicht obsolet, wie es Bill Gates prophezeit. Aber Finanzdienstleistungen sind längst nicht mehr nur Sache der Banken, sondern werden von kreativen und beweglicheren Anbietern umgesetzt – der vielbeschworene Schwarmgeist des Webs verändert so langsam auch das Geschäft mit dem Geld.
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