Ach, Frau Diener ...

Trollkunde Trolle, Hass, Establishment - wer online arbeitet ist Prellbock der Nation und braucht starke Nerven, noch bevor überhaupt ein kritisches Thema selbst recherchiert wurde.

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Ihr Troll-Leid ist mir so vertraut. Nicht etwa, weil ich mich nun seit Jahren in Foren bewege und an Themen grub, die wahre Trollparadiese sind. Nicht etwa, weil ich mich einst - wie mein Lebenslauf verrät - bei einem deutschen Internetprovider als Praktikant mit der alltäglichen Herausforderung befasste, mehr Zufriedenheit in das Pöbelnetz zu bringen.


Es ist noch nicht einmal wegen der Mitgliedschaft in einer Partei, die den politischen Diskurs zu ihrem eigenen Schaden so offen lebt, dass sie als Kindergarten verhöhnt und von U-Booten unterwandert wird, die nur von Profi-Trollen gesteuert sein können.

Themen, Sichtweisen - und den Mund aufmachen

Gerade in den letzten Wochen litt ich als Onlinejournalist nicht nur unter den virtuellen Trollen. Ja, ich gebe zu: meinen Abschluss werde ich wohl nicht machen. Ich brauche diesen Beweis nicht. Mit einem Notenstand von 1,5 und kurz vor Fertigstellung des Studiums, ist mein Entschluss nahezu fest: ich werde Journalist ohne Abschluss bleiben und bin immer noch mehr Journalist, als der Germanist mit abgeschlossenem Volontariat.

Derzeit kein Medium zu haben - außer einem respektablen Leserkreis auf google+, facebook und twitter ist für mich kein Problem. Doch die Frage "Für wen schreiben Sie?" nervt auf Dauer ebenso, wie der Kommentar eines ranghohen Politikers, der kürzlich meinte: "Mein Dank den Journalisten. Selbstverständlich auch den Bloggern - sofern diese korrekt berichten."

Süffisant dann auch immer der Hinweis in den Kommentaren zu Artikeln, ich sei ein "selbsternannter Journalist". Doch richtig schlimm wird es, wenn die Recherchen beginnen. Wohlweislich in welches Haifischbecken ich mich da begebe, lege ich seit 2013 den Umgang mit meinen Kriegserlebnissen in Afghanistan offen. Da sind nicht nur traumatiserende Aspekte dabei, die ich mehr und mehr in den Griff bekomme. Da stecken auch journalistische Geschichten mit drin.

Kann es richtig sein, dass die Bundeswehr als Armee, die durch das Parlament geführt werden soll, nur die Hälfte bis ein Viertel an Informationen an das Parlament gibt und dann noch nicht einmal in der Lage ist zu erklären, warum das nötig ist?

Ein Journalist darf solche Fragen stellen - doch weil ich Augenzeuge bin heißt es: "Du bist befangen." oder "Du bist traumatisiert." Selbst, wenn ich eine Redaktion nur um Prüfung der Recherche bitte - also nicht einmal selbst schreibe und veröffentliche - wird mit Verweis auf Befangenheit abgelehnt, mir ohne konkreten Anlass untersagt, überhaupt über Afghanistan zu schreiben. Den Job bin ich in diesem Zuge auch noch los geworden. Erklärung bis heute: nicht eingetroffen.

Warum soll ich darüber nicht berichten? Weil ich dort war? Weil mir die Halbwahrheiten ebenso auffallen, wie den Augenzeugen Jürgen Heiducoff oder Philip Klever und vermutlich vielen anderen auch? Allesamt befangen, denn wir erzählen etwas, was nicht in die sorgsam gezimmerte Linie aus wechselseitigen Übernahmen von Geschichten oder den mit Key-Playern des Journalismus vereinbarten Linien passt.

Ein Randthema ohne Belang - abgeschoben allenfalls in Redaktionen, die gute Arbeit leisten, aber auf Dauer keine größeren Diskussionen befeuern können. Egal ob Fakt, Panorama oder Report Mainz: unangenehme Dinge dürfen nur spät Abends ein Thema werden und ploppen im Medieneinerlei so kurz hoch, wie ein Tweet oder Facebook-Meme. Wer die Strategie dann - noch viel später am Abend - plötzlich auf den Kopf trifft, wird mit Spot, Unterlassungserklärungen und Häme überhäuft.

Schmutz, Dreck und der Ventilator

Steht nur genug im Netz, dann erstirbt die Reputation des Journalisten schneller, als den Trollen beizukommen ist. Da wird aus einem nicht zu leugnenden Fakt, dass ein zweifelhaftes IT-Unternehmen Server im deutschen Bundestag und in Bundesbehörden betreibt sofort der Trollspielplatz für Vorwürfe.

In Troll-Hausen -einem kleinen Örtchen, dieses Mal am Beitrag bei Netzpolitik - gelte ich fortan als "Traumatisierter, selbsternannter Journalist, der auch noch von der Telekom gekauft wurde".

Hört dem bloß nicht zu, heißt es dann aus Bundeswehrkreisen - "Der hat mit der Partei "Die Linke" im Bundestag rumgemacht".

Jau.. und so ganz nebenbei die Vertuschung seines Ex-Arbeitgebers auffliegen lassen. Aber bitte: das hält doch niemand aus.

Die Realität, die wir Journalisten schaffen wird immer im Konflikt mit der von anderen Menschen stehen. Egal, ob diese Menschen im Bundestag, in der Bundeswehr oder in einer der zahlreichen Straßen von Trollhausen wohnen.

Am abscheulichsten finde ich immer noch die Straße in der die "etablierten Print-Journalisten" wohnen. Sie wissen schon, dass sind diejenigen mit der perfekten Rechtschreibung - sofern das Korrektorat in der Redaktion noch existiert und genug Luft hat konzentriert zu arbeiten.

Allen diesen Realitäten ist eines gemein: Journalisten stören da gewaltig. Denn wir sorgen dafür, dass die Menschen sich mit sich selbst befassen müssen und all dem, was im Widerspruch zu ihrer Wahrnehmung steht.

Das macht auch uns beiden sicher keinen Spaß. Deswegen wohl auch unser beider Ausflug in dieses Trollhausen zum "Dampf ablassen". Muss ja auch mal sein. Ich verstehe sie da total gut.



Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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