Liebe NSA: Wir geben auf!

Spähangriff Wurde auch der NSA-Ausschuss abgehört? Dieser neue Verdacht wirft die Frage auf: Ist es überhaupt sinnvoll, dass eine Regierungspartei den Untersuchungsausschuss leitet?

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Wie müssen wir geneigten Laien uns den Ablauf bei der Konzipierung eines Untersuchungsausschusses so vorstellen? Hm ... da soll doch etwas aufgedeckt werden.

Möglicherweise gefällt das denjenigen auch nicht sonderlich, deren Machenschaften da wieder ans Tageslicht geholt werden. Verständlich, wo sie doch vorab alles so sorgsam unter den Teppich kehrten oder die Leichen im Keller versteckten.

Der Artikel der soeben bei WELT-Online erschienen ist, lässt meinen Atem stocken - und ich würde mir wünschen, das wäre nur vor Lachen.

In der der Tagesschau vom 13.07.2014 äußerte Patrick Sensburg, Vorsitzender des NSA-Ausschusses, zur möglichen Überwachung der Ausschussmitglieder:

"Wenn sich das so bewahrheitet - wir sind erst am Anfang der Erkenntnisgewinnung - dann ist das natürlich eine neue Dimension. Wir müssen genau schauen, was für Schadsoftware ist auf den Handys gewesen ist und möglicherweise lässt es sich nachvollziehen, wer diese Schadsoftware auf die Handys draufgespielt hat."

Laut Moderation denkt er über eine ungeplante weitere Sitzung des NSA-Ausschusses in der kommenden Woche nach.

Mit dem Messer zur Schießerei

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre hat nun drei Monate und drei Wochen gearbeitet. In der nächsten Woche, genauer gesagt wohl eher über die Sommerpause, erfolgt dann die Untersuchung der verwendeten IT-Geräte und Smartphones. So denn die Parlamentarier der Empfehung folgen.

Die Bürger in Deutschland sind nicht nur Opfer massenhafter Überwachung durch Dienste, sondern können auch gerade einem IT-Sicherheitskonzept beim wachsen zuschauen. Genau an der Stelle, wo Parlamentarierer eigentlich daran arbeiten sollten, dass zukünftig der Schutz der Persönlichkeitsrechte wieder gewährleistet ist.

Zu hohe Ansprüche?

Verwunderlich ist, dass mit Roderich Kiesewetter und Patrick Sensburg zwei hochrangige Militärs im Ausschuss vertreten sind, denen Schutzmaßnahmen und taktisches Verhalten eigentlich ob ihrer militärischen Vergangenheit nicht fremd sein dürften. Feindlage? Offenbar aber nicht berücksichtigt.

(Erläuterung: Feindlage ist der militärische Begriff für: wie schätze ich die Lage, Absicht und Fähigkeiten meines Gegners ein - diese Annahme wird durch Zusammenführen aller möglichen Aufklärungsergebnisse - insbesondere auch Erkenntnisse und Einschätzungen durch Geheimdienste - getroffen.)


Pikant: Roderich Kiesewetter ist Mitglied des NSA- und auch des auswärtigen Ausschusses und somit das wahrscheinlichste Ziel der Überwachung.

Doch besonders verwunderlich ist in Bezug auf seine Person, dass er, durch seine letzen militärischen Verwendungen im Bereich des NATO-Hauptquartiers, eigentlich genügend Kenntnisse im Bereich Schutz von IT-Strukturen haben sollte.

Und selbst, wenn Kiesewetter versichern könnte, dass der IT-Bereich zu seiner NATO-Zeit (er schied 2009 aus der Bundeswehr aus) noch nicht so umfangreich war: spätestens mit der Berufung in den NSA-Ausschuss hätte seine Lagebeurteilung der verfügbaren Informationen dazu führen müssen, zunächst das Maximum an möglichen Absicherungsmaßnahmen zu treffen.

Doch so stellt nun der Feuerwehrmann im verrauchten obersten Stockwerk fest, dass er das Atemschutzgerät leider nicht mitgenommen hat.

Genug? Nein, es geht noch weiter ...

Als sei das mutmaßliche Einfallstor "VERIZON-Server" in der Bundestags-IT nicht genug, wurden in den letzten Tagen vier sicherheitsrelevante Vorfälle bekannt ( 2 In-House-Spione, mögliche Überwachung von Kiesewetter, Hack des Smartphones eines Mitglieds der Linkspartei).

Nicht nur, dass diese Vorfälle in etwa so überraschend kamen, wie Weihnachten: der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg kündigt nun auch noch VORAB an, man wolle in der nächsten Woche den Mitgliedern NAHELEGEN, doch ihre IT-Gerätschaften überprüfen zu lassen.

Was dieser Ausschuss jetzt braucht?

Schon bei der letzten Sitzung wurde deutlich, dass der NSA-Ausschuss mit Schwung zur Posse verkommt. Zeit für eine Zäsur und eine Grundsatzfrage: Kann es überhaupt sinnvoll sein, dass eine Regierungspartei diesen NSA-Ausschuss leitet?

Die gleiche Partei, die mit dem Innenministerium und dem Kanzleramtsminister eigentlich den Diensten Einhalt gebieten sollte, die nun zur Untersuchung anstehen?

Die Rolle des lauthals schweigenden BND ist längst nicht diskutiert. Offenbar hat sich der BND sogar helfen lassen, die Gesetzeslage für seinen Anteil an der Totalüberwachung herzustellen und lieferte Technologie zu, um dem amerikanischen Partner zu gefallen.




Es bleibt zu hoffen, dass der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg einfach ein hervorragender Schauspieler ist und Understatement auf höchster Ebene betreibt.

Ob es nun in den Bundestagsstatuten vorgesehen ist oder nicht: dieser Ausschuss sollte im Sinne der Aufkläung mindestens mit einer - in der Redezeit - gleichberechtigen Opposition geführt werden - wenn nicht gar unter Vorsitz der Oppositionsparteien.

Sonst fragt wohl auch in zukünftigen Sitzungen ein Mitglied des Ausschusses, wie die Gardinen im Hotelzimmer bei Edward Snowden so gemustert waren ...


Update 14.07.2014:

Demnächst auch mit Schreibmaschine. Eine IT-Sicherheitsüberprüfung zwei Tage lang über die Massenmedien ankündigen. Sehr gut. Ich wünsche mir, dass dieses System auch für die Steuerbehörden übernommen wird.

Patrick Sensburg - Morgenmagazin v. 14.07.2014

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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