Liebe Sophie: Eine traurige Nachricht für uns

Datenschutz Durch vielerlei Optionen suggeriert Facebook seinen Nutzern, sie könnten ihre Inhalte schützen. Doch die Anzeige "Sichtbarkeit: Nur ich" ist ein Trugschluss.

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Inhalte auf Facebook können auf vielfältige Weise geteilt und zugänglich gemacht werden. Die Privatsphäreneinstellungen erlauben auch benutzerdefiniert nur einzelnen Personen sowie dem Profilinhaber allein eine Sichtbarkeit einzuräumen.

Schutz von Freundeslisten

Als Journalist knüpfe ich zahlreiche Kontakte, informiere mich mit den und über die Menschen und ihre Themen. Oft aus unterschiedlichen Milieus, oft in Überschneidung mit bestehenden Freundeskreisen, doch immer mal wieder auch aus Personenkreisen, die sich nicht unbedingt positiv gesonnen sind.

"Sophie Heldin" fungiert momentan als Forschungsprofil mit dem ich ein bisschen Licht ins Dunkel der Facebookaktionen bringen will, die für mich der Grund sind, mich in wenigen Tagen als reale Person aus dem Netzwerk abzumelden.

"Liebe Sophie: Markus* wird dir nicht anworten - Markus* ist tot."

Sophie hat derzeit nur einen einzigen Facebook-Freund: mich. Ich habe meine Freundesliste seit Jahren ganz bewusst nicht öffentlich geschaltet und gab seit 2012 nur einer Person überhaupt die Möglichkeit, meine Freundesliste zu sehen.

Markus* ist ein ehemaliger Arbeitskollege. Wir kannten uns nur aus gelegentlichen Treffen an der Arbeitsstelle. Sein Tod Ende 2010 traf mich und ich bin seither auch in einer Gruppe Mitglied, die um Markus* trauert. Vernetzt waren wir auf Facebook nicht - eine offene Freundschaftsanfrage blieb unbeantwortet.

Die virtuelle Person "Sophie Heldin" existiert erst wenige Wochen, hat keinerlei definierte Themen, die sich mit den Interessen von Markus* oder mir überschneiden könnten. Dennoch finde ich folgende Freundesvorschläge - unabhängig vom benutzten Browser und Computer - in Sophies Profil:

http://www.2010to2013.medienkonsument.de/wp-content/uploads/2014/07/140726-Sophies_Freundesvorschlaege_.png
Aus Rücksicht auf unbekannte Personen, die nicht Politiker oder Organisationen sind, habe ich zwei Gesichter - darunter das von Markus* - unkenntlich gemacht.

Die angezeigten Personen sind teilweise Freunde aus der Zusammenarbeit in Afghanistan, entsprechen meinen Interessen und werden Sophie wie hier im Bild gezeigt auch an anderen Stellen in ihrem Profil vorgeschlagen. Die Basis dafür ist offenbar meine Freundesliste, die ich als Journalist jedoch nicht zugänglich haben will und explizit so deklariert habe.

Egal, von welchem Computer aus ich das Profil von Sophie nutze: die Freundesangebote bleiben gleich. Auch wenn ich mit dem TOR-Browser online gehe - eine der wenigen Möglichkeiten halbwegs anonym im Netz unterwegs zu sein - sind diese Angebote da.

Ich kann nur mutmaßen, wie Menschen reagieren, wenn ihnen auf Basis meiner eigentlich nicht zugänglichen Freundesliste nun Freundesvorschläge gemacht werden. Welche verqueren Wege müssen die Facebook-Algorithmen nehmen, damit es zu dieser Freundesangebotsliste kommt? Warum darf Facebook der Schutz meiner Kontaktliste völlig egal sein?


*Aus Rücksicht auf Angehörige und Freunde verwende ich nicht den Namen unseres vor vier Jahren verstorbenen gemeinsamen Bekannten und Freundes.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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