Lieber BND – geht’s noch?

Überwachung 12 Stunden Verzögerungsgefecht und keine Intention zu den Fragen Auskunft zu geben. Dienste, die der Mensch nicht braucht oder eine Regierung, die keine Aufklärung will?

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Der BND ist eine harte Nuss, die zu knacken ist. Doch wirklich gelingen will das vor den Augen der Öffentlichkeit nicht. Pünktlich um 12 Uhr beginnt die mittlerweile zwanzigste Sitzung des Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre. Die Abgeordneten zählen die öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen fortlaufend.

So kommt es, dass diese 20. Sitzung die Fortsetzung der abgebrochenen 18. Sitzung ist, in der die Abgeorndeten und Medienvertreter zunächst durch ein Schreiben aus dem Kanzleramt unter Druck gesetzt wurden. Nach nur wenigen Minuten musste die Sitzung am 16. Oktober gänzlich vertagt werden , als der Zeuge Herr T.B. erkennbar besser informiert in der Sitzung saß, als die Parlamentarier, die erst wenige Stunden vor der Sitzung Aktenzugang erhalten hatten.

Fortsetzung folgt – Informationen bleiben aus

Selbst der Anwalt des Zeugen schien vom pünktlichen Sitzungsbeginn überrascht und ließ sich zunächst vertreten. Wortlos tauschte er dann nach einiger Zeit mit seiner Kollegin den Platz – kein guten Tag an die Abgeortneten – ein schlichter Platztausch, der wenig später vom Vorsitzenden vollständikeitshalber noch moderiert wurde.

Überhaupt schien diese Sitzung dem erfahrenen Anwalt Eisenberg eher lästig zu sein. Mehrfach war nicht klar, in wessen Richtung der Anwalt seine Äußerungen tätigte. Eindeutig war nur seine Kommunikation mit den Vertretern der Regierung – die mit der Untersuchung beauftragten Abgeordneten hatten nicht immer einen klaren Eindruck, ob nun die Zeugin beraten wurde oder sich Anwalt gerade nicht zurück halten konnte.

Zeitweise antwortet er gernervt, bevor seine Zeugin geantwortet hatte. Auch mit dem Mikrofon schien er auf Kriegsfuß zu stehen - schickte nur die letzte Silbe eines Satzes hörbar in Richtung der Abgeorneten.

Dieses Verhalten wurde von den Abgeordneten mehrfach kritisiert – erst nach einer Unterbrechung, war Eisenberg in der Lage, seine Kommunikation mit Hilfe des Mikrofons zu adressieren. Körperhaltung und Kommunikation brachten die Ablehnung zum Ausdruck. Siegessicher? Gelangweilt? Resigniert? Ich vermag nicht einzuornden, warum er vor dem Ausschuss so auftrat.

Fehlbesetzung: die Zeugen

Gegen Mittag hatte die öffentliche Sitzung mit dem Zeugen Herrn T.B. begonnen. Schon nach wenigen Fragen war klar, wie dessen Taktik aussah. „Nö“ - nicht öffentlich – war eine der häufigen Antworten, auf die der Zeuge hinarbeitete. Darüber hinaus vermied es Herr T.B. tunlichst Namen von Programmen aus den Snowdendokumenten zu verwenden oder darüber zu reden.

Konfrontiert mit Programmnamen, wie „Turmoil“ verwies er reflexartig auf die nicht-öffentliche Sitzung. Rückschlüsse auf seine restriktive Aussagegenehmigung liegen nahe – EIKONAL scheint EBOLA in nichts nachzustehen: bloß nicht in Kontakt damit geraten.

Mehrfach versuchte der Zeuge technische Zusammenhänge mit einfachen Bildern zu erläutern, sprach nicht über BND-Programme oder Software, wohl aber vom Werkzeugkasten eines Handwerkers, mit der Wasserpumpenzange, die vieles könne, aber nicht Spezialwerkzeuge ersetzen.

Der Nebeneffekt: die Abgeordneten wirkten weitaus technikkompetenter, als der studierte Ingenieur. Hut ab für den BND als Arbeitgeber, der sein Personal öffentlich einer derartigen Blamage aussetzt. Bilder gibt es keine – die Unlust des Zeugen an einem anderen Tag zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zu erscheinen kann ich jedoch sehr gut nachvollziehen.

Trotz Mummenschanz: Ergebnisse!

Als neuer Begriff wurde in der heutigen Sitzung der „Funktionsträger“ eingefügt. Funktionsträger ist, wer eigentlich Rechte nach dem G10-Gesetz hat und demnach nicht vom BND überwacht werden darf, aber wegen seiner „Funktion“ dennoch in den Überwachungsfiltern des Auslandsdienstes landet.

Soetwas passiert schnell, wenn Deutsche mal im Ausland mit ausländischen Kommunikationsmitteln umgehen, ihre Kommunikation aber nicht sofort als die eines Grundrechteträgers erkannt wird.

Ausländische Journalisten? Tut uns Leid, aber Sie landen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der BND-Überwachung. Beruhigt hingegen dürfen Sie sein, wenn Sie fließend Deutsch sprechen – sobald davon auszugehen ist, das ein Deutscher Grundrechtsträger betroffen ist, muss die Kommunikation natürlich gelöscht werden. Es lohnt sich also Deutsch zu lernen ? Nein – besser, sie nehmen die deutsche Staatsbürgerschaft an, denn als Ausländer wird es schwer:

Flisek: „Was ist denn mit reinen Auslands-Auslands-Daten?“

Zeuge T.B.: „So lange kein Grundrechtsträger betroffen ist, sind die zum Abschuss freigegeben.“

Wirtschaftsspionage ?


Diskutiert wurde auch „die Blechdose“ - der NSA-Gebäudeanteil in den Daten fließen, gern auch raus und aus dem auch schon mal Gerätschaften an den BND gegeben werden, die Mangels Budget nicht beschafft werden oder über die der BND nicht verfügt sind. Nebenbei berichtete der Zeuge auch über Geldmangel – ein loyaler Mitarbeiter, liebe BND-Führungsspitze.

Der BND würde zwar mitunter amerikanische Geräte nutzen, deren Aufbau und Wirkungsweise quasi nicht zu verstehen sind, aber deren Datenausgang der BND prüfe. Alles sicher, meint Herr T.B.

Selektoren, die geeignet seien Internetverkehr oder Gespräche zu filtern und deren Kenntnis möglicherweise Nachteile für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen würden konnte der Zeuge nicht bestätigen. Selbst nicht am fiktiven Beispiel EADS, in das er wie durch Zufall stolperte.

Bis die Abgeordneten ausreichend nachgefragt hatten – in diesem Fall Christian Flisek – wie zufällig der Konzern EADS dem Zeugen in den Sinn kam , vergingen dann wieder einmal gut 10 bis 20 Minuten.

Kürze? Da liegt die Würze!

Zeugin G.L. machte zunächst einen guten Eindruck. Die Mathematikerin gestand zwar Kenntnis von Programmen ein, die in den Snowden-Dokumenten erwähnt wurden, schlich aber nicht wie die Katze um den heißen Brei herum, sondern verwies strickt auf den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung.

Ein Problem, dass sie ähnlich wie Herr T.B. besser informiert war, als die Abgeordneten gab es nicht. Frau G.L. wollte sich nach eigenen Angaben nur an das erinnern, was aus der Zeit noch da war – ein Studium von Unterlagen hätte ihren Schilderungen nach dazu geführt, dass sie nicht mehr sicher hätte urteilen können, was sie aus ihrer Zeit auf dem Dienstposten als Dienststellenleiterin wusste und was angelesener Wissensstand aus dem Jahr 2014 war.

Verlässlich schien bei der Zeugin auch nur die Gedächtnislücke. Die Mathematikerin und Programiererin konnte keine der Fragen zu konkreten Zahlen beantworten. Zahl der Mitarbeiter? „Weiß ich nicht.“ Zahl der Seletoren? „Lange her.“. Wissen um Inhalte von Schulungen? „Kann mich nicht erinnern.“

Manipulation? Unvorstellbar!

Sowohl Herr T.B. als auch Frau G.L. reagierten abweisend, wenn die Abgeordneten hinterfragten, in wie weit technische Geräte, die gemeinsam mit den Amerikanern genutzt wurden, wie Server, Computer, Programme oder Software unbemerkt kompromitiert worden sein könnten.

Frau G.L. verwies all das in einen anderen Bereich, von dem Sie als Dienststellenleiterin keine Kenntnis hatte.
Bei der Frage, ob Sie oder Programmierer vor Ort den Quellcode von eingesetzten Programmen gekannt haben, kam nicht der Eindruck auf, als sei auch nur annähernd geprüft worden, was diese Programme eventuell an Hintertüren haben oder wo Daten möglicherweise abgespeichert, gepuffert oder anderweitig ausgeleitet werden.

Lachnummer BND

Der Abend verkam gänzlich zur Lachnummer, als sich der Ausschussvorsitzende auf den Weg zur kleinsten minimalst benennbaren Informationseinheit begab.

Gefragt nach den Inhalten von Schulungen, die die Amerikaner innerhalb des gemeinsamen Projektes durchgeführt haben meinte die Zeugin G.L., dass das Drücken von Knöpfen und die Bedienung von Menüs geschult wurden. „An welchem technischen Gerät?“ fragte Sensburg. „Modems!“ entgegnete die Zeugin.

Belustigend war mit anzusehen, wie Patrick Sensburg nun genauer wissen wollte, ob es auch andere Geräte, außer Modems gegeben habe. Der Eindruck kam auf, Sensburg habe ein 64k-Modem vor Augen, wo die Zeugin in aller Selbstverständlichkeit mit DSL-, Satelliten- oder Glasfasermodems argumentiert.

Patrick Sennsburg fragte beharrlich nach den Modems – Zeugin G.L. sprach von Knöpfen, die zu drücken waren … der Zuschauer blieb ratlos, wer hier wen mit Inbrunst und Hingabe verarschte oder ob das nur ein peinliches Missverständnis angesichts fortgeschrittener Stunde war.

Fazit:

Immer deutlicher griffen später aber die Herren von der Regierungsbank ein – allen voran Herr Wolff aus dem Kanzleramt. Scheinbar bestens informiert, was herausrutschen könnte, verwiesen er oder auch sein Kollege Akmann vom Innenministerium Zeuge, Zeugin und Rechtsanwalt immer wieder in die Schranken.

Ein Platztausch mit den Zeugen wäre angemessener gewesen. Ergebnisse hätte auch das nicht zu Tage gefördert – nur deutlich belegt, was das Ziel der Regierung ist: keine Aufklärung der Öffentlichkeit, was die Dienste im Bereich der Überwachung zu verantworten haben.


Nicht der NSA-Ausschuss ist hier die Farce, sondern die Regierung, die ihn blockiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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