Barbarossa

Kehrseite II "Opa, hattet ihr früher in eurem Tiger-Panzer Klimaanlage?" Während ich das frage, esse ich Omas Spaghetti mit der Tomatensoße, die so gut mit Milch ...

"Opa, hattet ihr früher in eurem Tiger-Panzer Klimaanlage?" Während ich das frage, esse ich Omas Spaghetti mit der Tomatensoße, die so gut mit Milch gemacht ist.

"Freilich, bei der Hitze in Russland hatten wir eine Klimaanlage."

"Des glaubsch doch selber net", sagt meine Oma. "Klimaanlage gabs doch damals noch gar net. Lüftung hattet ihr vielleicht, aber doch kei´ Klimaanlage."

"Dann warsch halt ´ne Lüftung."

Opa hängt Tomatensoße an den Lippen.

Opa hat mal erzählt, dass sie russichen Bauern Wodka geklaut haben. Und einmal, als seine Einheit in einem Stall übernachtete, schlich sich ein russischer Soldat in die Scheune und schoss nicht. Das hat Opa beeindruckt, ein russischer Soldat, der die schlafenden Deutschen hätte erschießen können, tat es nicht. Deshalb hat Opa nie auf einen Russen geschossen. Sagt er. Zumindest nicht mit seiner Wehrmachtspistole 08, die jedes Besatzungsmitglied des Tiger besaß.

"Opa, wieviel Mann haben in den Tiger reingepasst?"

"Fünf. Einmal beim Rückzug, ist ein Sechster mit rein. War ganz eng. Der hatte Platzangst und ist wieder raugesprungen. Dem Russ´ direkt vors Geschütz."

Am Ende der Kriegserzählungen sagt Opa immer: "Ihr Jungen heute könnt euch des gar nicht vorstellen. Die Kälte, die Weite, der Hunger."

Oma schweigt. Nur wenn Opa das Schulsystem seiner Kindheit anpreist, vom Kaninchenschlachten erzählt und die heutigen Führerscheingebühren kritisiert, weil er seinen Motorradführerschein bei der Hitlerjugend mit 17 für eine Reichsmark gemacht hat, mischt sie sich ein: "Der Opa vergleicht immer heute mit früher."

Zum Nachtisch gibt es Himbeeren und Erbeeren im Quark und ein paar Kekse.

"Du weisch doch, dass ich die Kekse net beißen kann", sagt er zu ihr und nimmt eins.

Ich frage weiter: "Warst du im Tiger oder im Königstiger?"

"Im Tiger."

"Und die Russen, die hatten den T-34?"

"Der Russ´, der hatte den T-34, der war stärker wie unser Tiger."

"Seid ihr getroffen worden?"

"Ha ne, wir haben bei Beschuss den Tiger schräg gestellt. Mahlzeiten hieß das. Weil der Panzer auf 10.30 Uhr, 1.30 Uhr, 4.30 Uhr und 7.30 Uhr zum Feind stand."

"Warum das?"

"Die Granaten sind an der schrägen Panzerung abgeprallt."

"Opa, machen wir gleich die Leinwände 30 auf 70 Zentimeter, vier Stück, dann kann ich die heute noch mitnehmen und wieder malen."

Mein Opa trägt beim Bespannen der Leinwände immer eine US-Militärmütze aus der Besatzungszeit. Wenn Oma ihn mit dieser Mütze sieht, sagt sie: "Die alte Mütze schmeiß ich jetzt dann weg."

Opa ist alt. Er hat grad einen leichten Schlaganfall durchgestanden. Ich liebe Oma und Opa. Deshalb kneife ich ihnen manchmal in die Backe und sie streicheln mir durchs Haar.

Daniel Rosner, Jahrgang 1982, studiert seit Oktober 2004 "Kommunikationsdesign" an der FH Konstanz. Er schreibt Kurzgeschichten und Gedichte und liest gelegentlich mit der Literaturzeitschrift GetShorties in Esslingen und Ludwigsburg.


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