Gedanken zur anstehenden Wahl des Abgeordnetenhauses Teil 2

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Warum mir der Machtverlust der Linkspartei im Ostteil der Stadt Sorgen bereitet.

Frühjahr 1990 kehrte ich aus Westdeutschland in mein geliebtes Berlin zurück. Ich suchte mir im Osten ein Zuhause. In der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain fand ich eine Ein-Zimmer-Wohnung zum sagenhaften Mietpreis von monatlich 35 DM. Jahre später protestierte ich mit anderen Anwohnern, weil aus unserer schönen Straße langsam eine lärmende Kneipenmeile wurde. Ich wurde von meinen Grünen nicht unterstützt, der ich in Bayern für diese Partei für den Landtag kandidiert hatte. Ich machte mich wieder einmal auf die Suche nach einer neuen, politischen Heimat. Gerne besuche ich die Veranstaltungen der Hellen Panke und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ich mag diese (oft alten) Menschen, die einmal mit Herzblut für den Sozialismus gekämpft haben und auf ihr ökonomisches Wissen mit Recht stolz sind. Ich weiß von mir, wie schnell Idealismus auch blind machen kann. Als West-Linker wollte ich vom hässlichen Gesicht der DDR nichts wissen und als Grüner habe ich mich nicht ernsthaft für die Sorgen der Immigranten interessiert. Es fällt auch mir nicht leicht, diese meine "blinden Flecken" anzusehen. Aber Menschen, die eine Utopie leben wollten und sich jetzt mit ihrem Scheitern auseinandersetzen müssen, sollten in einer Demokratie wertgeschätzt werden. Deshalb tut es mir weh, dass diese wache Minderheit aus dem Osten durch die Wohlstandsentwicklung immer mehr an den Rand gedrängt wird.

Wenn sich die Grünen um eine überzeugende personelle Alternative zu Klaus Wowereit bemüht hätten, dann hätte es der zehn Jahre ältere Tom Königs werden müssen. Er ist wie Renate Künast Mitglied der grünen Bundestagsfraktion. Königs stammt aus einer angesehenen Kölner Bankiersfamilie. Durch sein Studium an der Freien Universität kam er in Kontakt mit der Studentenbewegung und profilierte sich als Straßenkämpfer und Hausbesetzer. 1973 schenkte er sein beachtliches Erbe (mehrere Millionen) dem Vietcong und chilenischen Widerstandsgruppen. Von 1987-1989 leitete er das Büro von Joschka Fischer, der damals hessischer Umweltminister war. Juli 1993 übernahm er als erster Grüner das Schlüsselresort eines Stadtkämmerers und das auch noch in der Banker-Stadt Frankfurt am Main. Ich könnte hier noch endlos seine (politische) Welterfahrung und seine vielen Fähigkeiten, um die ich ihn beneide, rühmen. Vielleicht wird er in einer rot-grünen Landesregierung Finanzminister. Für Berlin wäre das ein Glücksfall.

Vielleicht sollte ich eine Stimme der Piratenpartei geben, die diesmal den Einzug ins das Abgeordnetenhaus schaffen könnte. Als alter Mann bin ich froh, meine Email-Post und meine Blog-Artikel zu meistern. Von all dem anderen technologischen Schnickschnack habe ich wenig Ahnung. Aber für das Abgeordnetenhaus wäre es sicher ein Gewinn, wenn die jüngere und technisch interessierte Generation dort mehr zu Worte kommen würde.

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Geschrieben von

Daniel Schneider

Dr. Daniel Schneider ( Jahrgang 1944 ), konservativer Anarchist, Studium der Pädagogik, Soziologie und Psychologie.

Daniel Schneider

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