Nationale und globale Probleme können in der globalisierten Welt nicht mehr durch Kriege exportiert werden. So hat man in Europa nach dem Ende des Kalten Krieges lange gefühlt und gedacht. Aber wir haben uns getäuscht, Krieg war nicht nur, sondern ist immer noch ein legitimes Mittel der Politik. In einem Artikel vom 10.10.2014 im Tagesspiegel legt Oskar Lafontaine den Finger in die Wunde:
"Frieden schaffen mit immer mehr Waffen?"
Von den USA geführte Militäreinsätze sind immer auch Bestandteil der US-Innenpolitik, nicht nur der Außenpolitik. Zunächst zitiert Lafontaine im Artikel George F. Kennan aus dem Jahre 1948:
"Wir müssen sehr vorsichtig sein, von unserer Führungsrolle in Asien zu sprechen… Wir besitzen etwa 50 Prozent des Reichtums dieser Welt, stellen aber nur 6,3 Prozent seiner Bevölkerung … Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eine Form von Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten… Wir werden unsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalen Vorhaben konzentrieren müssen … Wir sollten aufhören, von vagen, unrealistischen Zielen wie Menschenrechten, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss."
Ureigenste, nationale Vorhaben - die Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten
Wer das tun will, muss ordentlich rüsten. 685 Milliarden Dollar haben die USA laut SIPRI 2013 dafür veranschlagt. Die Maschine läuft. Das Spiel wird global gespielt, und die NATO darf munter mitmischen. Zusammen kommen die NATO-Staaten für 2013 auf 1 Billion Dollar an Rüstungsausgaben. Das gerade wieder zum Reich des Bösen erklärte Russland kommt auf 88 Milliarden Dollar. Die entscheidende Frage für uns in Europa lautet, wie lange wir dieses Spiel noch mitspielen wollen. Als "bloßes Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen" hat die NATO keine Zukunft. Bislang jedoch darf ein deutscher Bundespräsident zurücktreten, wenn er aus dem Weißbuch der Bundeswehr zitiert:
"Deutschland, dessen wirtschaftlicher Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse an einem friedlichen Wettbewerb der Gedanken, an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen." Folglich "... muss die Sicherheit der Energieinfrastruktur gewährleistet werden."
Er hätte auch aus einem vom CDU-Bundesvorstand im Jahr 2006 formulierten außenpolitischen Leitantrag zitieren können, in dem es heißt:
"Gerade im Zeitalter der Globalisierung ist die deutsche Wirtschaft mehr als zuvor auf den freien Zugang zu den Märkten und Rohstoffen der Welt angewiesen. Die Bundeswehr kann als Teil der staatlichen Sicherheitsvorsorge im Rahmen internationaler Einsätze zur Sicherung der Handelswege und Rohstoffzugänge beitragen."
"Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten"
Selbst wenn man die Weißbuch-Doktrin nicht für verfassungswidrig hält, darf man ruhig einmal nachfragen, ob die "Rohstoffe" und "Absatzmärkte" die Rüstungsausgaben rechtfertigen, und ob es all die toten Ober - und Hauptgefreiten und die traumatisierten Heimkehrer wert ist. Die Opfer in den jeweiligen Ländern, die Bevölkerung, die leider dort lebt, wo unsere "Rohstoffe" und "Absatzmärkte" liegen, zählen ja sowieso nicht.
Aber lassen wir das Klein-Klein mal außen vor, und stellen uns in Europa die Frage, ob es wirklich so klug ist, sein eigenes Haus anzuzünden. All die Borderline-Politik findet global gesehen vor unserer Haustüre statt. Wäre es nicht in unserem ureigensten Interesse, wirtschaftlich wie politisch, den eurasischen Kontinent dauerhaft zu befrieden?
Aktuell wird jedoch wieder ordentlich gezündelt. Dazu Lafontaine:
"Auch im Ukraine-Konflikt geht es um Rohstoffe und Absatzmärkte. So hat beispielsweise der US-Konzern Chevron das Recht erworben, in der Ukraine Fracking-Gas zu fördern, und Hunter Biden, der Sohn des US-Vizepräsidenten Joe Biden, sitzt im Direktorium einer Ukrainischen Gasgesellschaft. Bei der NATO-Osterweiterung fehlte Kiew bisher im Einflussbereich der Vereinigten Staaten - und das konnte auf Dauer ja nicht so bleiben."
Nun liegt ja nicht nur in der Ukraine ein Rohstoff im Boden, den es zu fördern gilt, nein, auch im nahen und mittleren Osten, sowie in Nordafrika gibt es Rohstoffe. Bezogen auf Öl - die meisten, um genau zu sein. Ein Schelm, wer hier gedanklich zu verknüpfen weiß. Auch hier wird aktuell wieder ordentlich gezündelt, aber genau betrachtet brennt die Lunte schon ziemlich lange, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Pulverfass erreicht ist. Jetzt muss die Freiheit und Demokratie wieder verteidigt werden, diesmal gegen die Barbaren der IS/ISIS, mit der Operation Inherent Resolve. Auch hier im Freitag wurden Beiträge publiziert, dem grausigen Treiben möge doch endlich ein Ende bereitet werden. Wer sich einmal genau mit dem Hintergrund und der Entstehungsgeschichte des Islamischen Staates, und der Frage, wo dieser eigentlich seine Waffen herbekommt, auseinandersetzen will, dem seien der Beitrag von Abrahan Garcia und ein Artikel von Heiko Flottau empfohlen:
https://www.freitag.de/autoren/abrahangarcia/der-is-is-1
http://free21.org/de/content/pdf-terror-und-verfehlte-irak-politik
Doch noch vielmehr sollten wir uns unserer verlogenen Doppelmoral schämen, mit der wir je nach Tageslage entscheiden, wer zu den Guten, und wer zu den Bösen gehört. Saudi-Arabien, seit jeher Verbündeter der USA, und von der Bundesregierung gern als stabiler Bündnispartner gelobt, ist ebenfalls kein Hort der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, und dürfte sich eigentlich in die Reihe des Iran, Irak, Afghanistan, Syrien usw. usw. einordnen. Und bevor eben diese unsere Bundesregierung die nächste Lieferung Leopard-Panzer absegnet, möge sie doch ein Blick auf das Verständnis von Recht und Gesetz des saudischen Königshauses werfen. Sheik Nimr al-Nimr, eine Hauptfigur des Protests der shiitischen Minderheit im Land, wurde gerade zum Tode durch Kreuzigung mit anschließender Enthauptung und öffentlicher Zurschaustellung des Leichnams verurteilt:
http://rt.com/news/196304-nimr-shia-execution-saudi/
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43089/1.html
Ergänzend zu dem Beitrag sei noch auf eine Diskussionsrunde mit bemerkenswerter Besetzung verwiesen:
Kommentare 8
Lieber Daniel Uxa, danke für den gelungenen Beitrag. Neben den USA verfolgen aber auch China (siehe Afrika) und Russland einzig ihren wirtschaftlichen Interessen. Wäre Russland nicht von den Einnahmen abhängig, hätte es als Antwort auf die Sanktionen ja längst der Ukraine und ganz Europa das Gas abgedreht. Zudem stützt es aus militärischen Gründen (Mittelmeerzugang) weiterhin das Assad-Regime. Es wäre zu begrüßen, wenn Deutschland sich engagieren würde, den internationalen Beziehungen wieder etwas Idealismus einzuhauchen. Aber solche Visionen und Kreativität scheinen von Frau Merkel nicht zu erwarten sein.
Zu China fällt mir immer ein: Die einen bauen 10 Jahre lang Städte, die anderen bombardieren 10 Jahre lang Städte - da kommt man zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen ...
Es gibt halt Abstufungen und Nuancen des Imperialismus, und möglicherweise eine Evolution desselben.
Ob der Weg weg von der Nationalstaaterei mit ihrer von Eigeninteressen getriebenen Politik noch einmal gefunden wird, ich weiß es nicht.
Zu China: Ja, die Infrastrukturprojekte sind hilfreich. Allerdings erhalten sie dafür Zugänge/Rechte für Rohstoffe, sprich haben im Endeffekt den größeren Nutzen aus der Partnerschaft. Ob die betroffenen afrikanischen Staaten langfristig profitieren oder ihre wirtschaftliche Grundlage leichtfertig abgeben, wird sich noch zeigen. Wie von Ihnen gesagt, Evolution des Imperialismus.
Ich fürchte, die deutsche Außenpolitik wird noch schlimmer, wenn die AfD 2017 in den Bundestag einzieht und sich die CDU von ihr treiben lässt.
Ich glaube, die CDU treibt sich schon von ganz allein. Und Frau Merkel lässt sich vielleicht noch von Volkes Meinung treiben, allerdings nicht in den ganz kritischen Fragen.
Es ist vermutlich völlig egal, wie viele und welche Parteien ab 2017 im Bundestag vertreten sind, da diese doch inoffiziell schon lange nicht mehr die Politik bestimmen. Die eigentlichen Entscheidungen treffen eh die Personen im Hintergrund. Die Abgeordneten und Regierungsvertreter fungieren dabei als Marionetten, die so gut wie alles mitmachen würden, damit sie hinterher noch eine Position in den Aufsichtsräten dieser Welt bekommen.
Der Frau Merkel ist es sowieso völlig egal, siehe Waffenlieferungen an die Kurden. Da wurde der Bundestag auch nur noch formell gefragt, aber ihre Entscheidung stand vorher fest. Es war womöglich ein wenig unklug, dass so rauszuposaunen, dass sie die Waffen liefern werde, egal was der Bundestag sagt, weil sie es für richtig halte, da der Bundestag mit 80% Regierung eh nicht dagegenstimmen würde.
Das ist ja der eigentliche Witz an der Sache. Die Parteienpolitik wird z.B. im Weißbuch formuliert, oder eben in den Anträgen. Sie ist ganz siche rnicht das, was im Wahlkampf formuliert wird. Das Gute daran ist aber doch, dass es theoretisch jeder nachlesen kann. Wir also, wenn wir ehrlich sind, gar nicht von irgendeiner Mischpoke zu reden brauchen. Für wessen Sinne diese Leitlinien formuliert werden, kann man sich ja zusammenreimen, einfach immer fragen, wemnütztes? Wie solches Vorgehen hinsichtlich das DemokratischenGrundgedankens zu bewerten ist, sollte sich eigentlich am Wahltag zeigen. Tut es das? Jetzt wären noch die Gründe dafür zu hinterfragen. Da bin ich, ehrlich gesagt, noch kein Stück weiter.
Für wessen Sinne In wessen Sinne
In wessem Sinne
Grundgütiger, jetzt passt es