Barbies PorscheANTIfeminismus

Feminismusdebatte Brüdlere Feminismus. Feminismus garantiert feminismusfrei. So muten die Mediendebatten an.

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Für Rosa Luxemburg war Feminismus immer verbunden mit der sozialen und gesellschaftlichen Frage.
Für Rosa Luxemburg war Feminismus immer verbunden mit der sozialen und gesellschaftlichen Frage.

Foto: Hulton Archive / Getty Images

Feminismus -- Worum ging es eigentlich?!

Man/frau möchte in diesen Tagen an den Satz der Saint Simonistinnen erinnern: „Nie mehr Krieg, nie mehr nationales Gegeneinander, Liebe für alle.“


Feminismus -- Männer und Frauen engagierten sich Seite an Seite. Es ist geradezu grotesk, wenn angebliche Feministinnen sich gegen andere Frauen wenden mit dem Argument nicht die Männer sind ihre Feinde. Sorry, aber ich hoffe, dass weder Männer noch Frauen Feinde/innen sind, wer den Begriff von Feindschaft bemüht, hat ganz zentral nicht verstanden, was Feminismus ausmacht. Solche Sätze belegen, dass man/frau sich nie ernsthaft mit Feminismus befasst hat, sondern mit herrschenden Vorurteilen über Feminismus agiert. Feminismus war und ist eine Bewegung, die mit Befreiung zu tun hat und sie wurde geprägt durch Männer und Frauen.


Feminismus -- und es ging von Anbeginn um Kritik an patriarchalen, ausbeuterischen und militaristischen Verhältnissen. Feminismus war keine Bewegung gegen Männer, sondern eine Bewegung von Frauen und Männern. Es war z. B. ein Mann, Charles Fourier, der sich Seite an Seite mit Frauen und Männern für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzte. Es ging um Egalité; um ein Ausbrechen aus erdrückenden fremdbestimmten Verhältnissen (bürgerliche Ehen, Beschränkung der Frau auf Reproduktionstätigkeiten, es ging um eine Öffnung der Wissenschaften, Kultur und Kunst usw.) Es waren Männer wie Robert Owen (1771-1858) mit seiner Kommune, die gleichberechtigte Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern und gleichberechtigte gesellschaftliche und politische Beteiligung und Gestaltung lebten. Es ging und geht um gesellschaftliche Entwürfe! Es waren Frauen wie Hubertine Auclert, Désirée Véret, Flora Tristan, Mary Wollstonecraft ………. usw. ………. Mutige Frauen wie Olympe des Gouges, die die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1789) erweiterte um die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, die daraufhin als schwachsinnig erklärt wurde, als konterrevolutionär und durch die Guillotine hingerichtet wurde. Ihnen allen ging es um Gleichheit! Die Gleichstellung von Mann und Frau. Und selbst wenn einzelne Schriften z. B. mancher mittelalterlichen Feministen/innen eher in Richtung Ungleichheit tendierten und gegen Männer anschrieben, indem sie Texte verfassten über die Vorzüglichkeit der Frau (gegenüber dem Mann) und weiblich dominierte Utopien entwarfen, darf eines nicht vergessen werden – mit diesen Texten schrieben Frauen mit äußerstem Mut (viele riskierten dadurch ihr Leben) gegen die bittere Realität männlicher Vorherrschaft an -- und es darf nicht vergessen werden gegen welche männliche Schriften diese Texte gerichtet waren, dass diese feministischen Texte nämlich Streitschriften gegen Texte waren, die über die Vorzüge der Männer (gegenüber der Frau) handelten, Streitschriften gegen männliche Autoren, die Frauen degradierten und als Objekt männlicher Unterdrückung ausmachten. Diese Schriften mutiger Frauen, die unter Lebensgefahr schrieben, haben wir es zu verdanken, dass heute Männer und Frauen freier sind (freier – noch lange nicht frei genug), haben wir es zu verdanken, dass patriarchaler Strukturen aufgebrochen wurden. Es gibt hervorragend sortierte feministische Bibliotheken, in denen man/frau sich ausgiebig mit der Geschichte des Feminismus befassen kann, zahllose Werke von Frauen und Männern, die sich fundiert zum Thema befassen. Das, was hingegen ganz überwiegend in den Medien ausgefochten wird, ist auf weite Strecken eine feministische Scheindebatte.

Als die Brüderle-Debatte begann schrieb ich an der Pinnwand, dass ich befürchte, dass die Debatte trivialisiert wird. Im Verlauf der Debatte wurde mit dem Argument der Trivialisierung selbst wiederum von Seiten bürgerlicher „Feministinnen“ trivialisiert, sodass ich im Moment nicht mehr weiß, wie ich es nennen soll, wenn Feminismus reduziert wird auf privilegierten Wohlstands- und Luxusfeminismus der selfmade Frauen, die sich zwar als Feministinnen bezeichnen, Feminismus aber (teilweise oder ganz) negieren und Feminismus (teilweise oder ganz) für obsolet erklären, so als könnten sie persönlich (weil es ihnen persönlich gerade mal so gut geht) den Schlussstrich einer Jahrhunderte langen Bewegung ziehen (die keineswegs abgeschlossen ist, was ein Blick in die Welt bestehender realer Unterdrückungsverhältnisse zeigt). Es bleibt die Frage -- wie man/frau es noch nennen soll, wenn reduziert wird auf Glasdeckenfeminismus, Porschefeminismus. Ich fange deshalb andersherum an:

Es war zu erwarten, dass die Debatte von bürgerlichen Scheinfeministinnen missbraucht wird (und tatsächlich auch wurde), neu ist, dass von linker Seite Feminismus reduziert wird und in neoliberaler Manier Feminismus als abgeschlossenes Projekt ausgerufen wird -- und der reduktive Rest-Feminismus kein gesellschaftliches Thema mehr ist, sondern individualisiert wird, um nicht zu sagen zur persönlichen Erfolgsfrage wird.

Toll?!

Feminismus ist mehr als eine Brüderle-Debatte, mehr als eine Glasdeckendebatte, mehr als ein habt euch nicht so und seht her wie toll ich bin Gerede (der Tollen (wo sind wir hier bei Nietzsche oder noch im linken Umfeld?). Feminismus wird nicht dadurch erledigt, dass einzelne ihn für erledigt erklären und zu einer persönlichen Restaufgabe erklären, weil das verkennt gesellschaftliche Realitäten.

Besagte Argumentation ist eigentlich eine Haltung, die man/frau nur von bürgerlichen Feministen/innen kennt (die seit Urzeiten der feministischen Bewegungen sozialistische Feministen/innen oft gezielt desavouierten und exkludierten (z. B. durch Exklusion 1894 bei der Gründungsveranstaltung des Bundes Deutscher Frauenvereine und bei unzähligen anderen Veranstaltungen usw.) – dabei spielten immer Argumente eine Rolle – mit denen, die Bürgerlichen ihre reduzierte Form von Feminismus durchsetzen wollten – oft ungeachtet (oder kaum geachtet) der gesellschaftlichen und sozialen Fragen (nur ja keine gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen und keine Systemfragen aufwerfen, Individualisierung aller feministischen Fragen usw.)

Für Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Jane Addams, Ottilie Baader usw. war Feminismus immer verbunden mit der sozialen und gesellschaftlichen Frage. Es ging (und geht!) um die Beendigung von Ausbeutungsverhältnissen, die sowohl Männer als auch Frauen betreffen. Diese Frauen setzten sich nicht für ihre persönliche Karriere im (unhinterfragten) kapitalistischen Systemen ein, sondern hatten etwas wie Weitblick, kannten etwas wie Gesellschaftskritik, hatten Augen für die Armut der anderen, setzten sich für andere ein – unermüdlich.


Soziale und gesellschaftliche Frage – geklärt!?


Neu ist, dass anscheinend zunehmend mehr linke moderne Feministen/innen das Argumentationsmuster bürgerlicher Feministen/innen unhinterfragt geschluckt haben.

Wollen die sogenannten linken Scheinfeministen/innen mit ihrer aus persönlicher Sicht ausgerufenen Reduktion des Feminismus auf persönliche Erfolgsfragen (strukturell sei ja angeblich schon alles geklärt (da kann man nur zynisch antworten, ja, wenn man/frau in die Haltung der Ignoranz verfällt und alles als geklärt erklärt, was nicht geklärt ist), erklären, dass, weil für sie persönlich die Frage so wunderbar geklärt ist, die soziale und gesellschaftliche Frage geklärt ist?! So kann man gesellschaftliche Probleme auch bewältigen, nämlich gar nicht. Ignoranz ist kein konstruktiver feministischer Beitrag.

Wer sich irgendwann in Laufe seines Lebens ernsthaft mit Feminismus befasst hat, weiß, dass die rechtlich-strukturelle Dimension eine ist, dass es um weitaus mehr geht: um Systemdynamiken, die mit sozio-ökonomischen, kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen usw. Dimensionen zu tun haben. Gleichberechtigung (übrigens noch lange nicht überall erreicht, auch formal nicht) ist außerdem noch längst nicht gleichzusetzen mit verwirklichter Gleichstellung und auch noch lange nicht gleichzusetzen mit verwirklichter Teilhabegerechtigkeit, weil es multiple Formen der Benachteiligung gibt.

Feminismus als persönliches Privatvergnügen in Verkennung gesellschaftlicher Realitäten!?

Ist die soziale und gesellschaftliche Frage dadurch gelöst, dass einige für sich persönlich Feminismus als gelöste Privataufgabe betrachten!? Nein, weil dadurch ist z. B. keinem bildungsbenachteiligten Kind in Armut in einem sozialen Brennpunktviertel (weder hier im Westen und schon gar nicht in den Slums der Megacitys dieser Welt) (ich wiederhole den sozialistischen Feministen/innen ging und geht es um die Beendigung von Benachteiligung unabhängig von Geschlecht) geholfen (sämtliche Studien belegen, dass sich Armut (auch Bildungsarmut) vererbt, das Ausbrechen aus der Armutsspirale nur in Ausnahmefällen gelingt, wenn es als Aufgabe angesehen wird die Einzelne für sich allein bewerkstelligen sollen (wer mit Hunger zur Schule geht und nach dem Schulunterricht in Verhältnisse der Deprivation nachhause kommt (sofern überhaupt zur Schule geht), wird sich schwer tun mit dem Ausbrechen aus der Armutsspirale)) Im Übrigen zeigt sich nach wie vor, dass Mädchen und Frauen weltweit stärker benachteiligt sind in Armutssituationen. In manchen Gegenden dieser Welt werden Föten gehäuft und ganz gezielt abgetrieben, allein aufgrund des Geschlechts, wenn es sich um weibliche Föten handelt -- oder viele Mädchen nach der Geburt umgebracht, weil sie Mädchen sind. Es gibt nicht grundlos Frauen- und Kinderhilfsprojekte. Und auch hier im Westen gibt es nicht grundlos Projekte, die sich in der Sozialen Arbeit aus der feministischen Bewegung entwickelten. Ich rate allen, die meinen das Thema Feminismus ist erledigt, dringend sich zu informieren und nachzulesen, warum es z. B. Frauenhäuser gibt, Frauen- und Mädchensozialarbeit, Wohngruppenprojekte speziell für junge Frauen usw., warum es überhaupt feministische Sozialarbeit gibt. Gewalt gegen Frauen und Kinder ist nach wie vor ein Thema – auch hier im Westen. Informiert Euch über feministische Sozialarbeit bei Projekten. Und sprecht auch mit Ärzten/innen auf Notfallstationen. Wer weiß, wie zugerichtet manche Frauen und Kinder in Notfallstationen ankommen, überlegt sich vielleicht gründlicher ob Feminismus tatsächlich mit einer sinnlosen Brüderle-Debatte abgehandelt werden kann oder mit Feministen/innen, die keine sind und Feminismus für (teilweise oder ganz) obsolet erklären.

Allein ein Schulbesuch, allein Abitur, noch mehr ein Studium, sind Privilegien für die jede/r von uns dankbar sein sollte und weiß Gott keine Leistung sind, auf die man/frau sich persönlich etwas einbilden sollte. Menschen, die in den Genuss eines höheren Bildungsabschlusses kamen, können und sollten dankbar sein den Feministen/innen, die sich engagierten und nach wie vor engagieren für Bildung für alle. Dieses Projekt – Bildung für alle - ist keinesfalls abgeschlossen, weil Bildungsbenachteiligung nach wie vor real existiert. Studien belegen, dass Kinder in Armut und in bildungsfernen Schichten kaum je der Spirale der Armut und Bildungsferne entkommen, weil strukturell eben noch lange nicht alles gut ist, Teilhabegerechtigkeit keineswegs verwirklicht ist. Statt Eigenlob derer, die in den Genuss von Privilegien kamen, ist feministisches Engagement gefragt. Auch von Seiten der Männer im Übrigen -- ich hab es echt leid, wenn Männer mit ihrem Kampfemanzen-Gewäsch auffahren, weil diese Männer würden ihren Mund keinen Spalt weit auftun können, wären wir noch in vorfeministischen Zeiten, sie stünden genauso wie Frauen damals unter dem Diktat von bürgerlichen Konventionen, stünden weiter in durch Herkunft und Konventionen vorbestimmten unauflöslichen Eheverhältnissen, in überkommenen Moralvorstellungen, in den Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen frühkapitalistischer Arbeitsverhältnisse, in mannigfachen Formen gesellschaftlicher Benachteiligung, verwehrter politischer und gesellschaftlicher wie kultureller Teilhabe. Statt Euch in Triaden über Feminismus lustig zu machen und Euer habt Euch nicht so Gelaber aufzufahren, geht es echt darum, dass Männer und Frauen die feministische Bewegung weitertragen. Und es geht darum sich weiter zu engagieren für andere. Statt das Projekt Feminismus zum persönlichen Privaterfolgssport zu erklären.


Oder wie ist das – mit Eurem alles schon erledigt, weil es Euch persönlich so gut geht?! Was ist mit Sklaverei (die es nach wie vor weltweit gibt), was mit Ausbeutung, was mit Zwangsprostitution, was ist mit Formen sexualisierter Gewalt, was ist mit systematischer Vergewaltigung von Frauen in Kriegen?! Alles schon gut, weil es Euch gut geht!? Hallo – geht es noch?!


Feminismus ist kein persönliches Privatvergnügen, sondern hat mit Kritik an Ausbeutungsverhältnissen zu tun, mit Kritik an Militarismus! Feminismus ist als Bewegung dann geglückt, wenn die Kriege in der Welt beendet sind, Ausbeutung ein Ende hat, Militarismus beendet ist.

„Nie mehr Krieg, nie mehr nationales Gegeneinander, Liebe für alle“ Saint-Simonistinnen.


Befreiung, Freiheit und Liebe

Feminismus ist eine Befreiungsbewegung. Den frühen sozialistischen Feministen/innen ging es um Freiheit und Liebe für alle, dahinter steckt mehr als die spätere Reduktion von „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört zum Establishment“. Freiheit und Liebe ist mehr – als die sexuelle Beliebigkeit, die sich in solchen lieblosen und kalten Sätzen ausdrückt. Sinnlich Selbstbestimmung hatte mit einem Ausbrechen aus bürgerlichen Moralvorstellungen zu tun, aber das war kein Akt der Unterwerfung an die diametral entgegengesetzte Gegenmoral (wer zweimal mit derselben pennt…), sondern ein Akt wirklicher Befreiung. Es geht um Freiheit und Liebe – unabhängig von Vorstellungen der Moral und Gegenmoral. Freiheit bedeutet Freiheit -- und Liebe bedeutet Liebe.


Fehlende Diskurskultur und Scheindebatten


Ich habe keine Lust mehr auf Debatten, die Scheindebatten sind. Ich habe keine Lust darauf, über Brüderle und andere Personen zu diskutieren müssen, wenn es um Feminismus geht. Selbst an Grundschulen wie auch an weiterführenden Schulen und in Grundlagenseminaren an Universitäten wird gelehrt, dass man Diskussionen inhaltlich führt und nicht an Personen festmacht. Das scheint nicht so zu gelten für die Medien. Da wird Feminismus zur Brüderledebatte und Rezeptkochstunde – mit Tipps – wie reagiert man auf einen Brüderle.

Und was bitte soll all das ständige unsichtbare Steinewerfen auf menschliche Zielobjekte, statt inhaltliche Diskussionen?! Feminismus ist weder Steinewerfen von Frauen auf Männer noch Steinewerfen von Frauen auf Frauen. Feminismus ist keine Lästerstunde von Mikas und Funks et al., die den Diskurs mit obermutternhaften autoritärem Ansagen bestimmen wollen. Wer anderen Frauen Feigheit und Unfähigkeit attestiert, disqualifiziert sich in Diskurs durch Tiefschläge, sollte wirklich erst einmal etwas über Diskurskultur in Erfahrung bringen und Diskurs üben, außerdem ist das feministische Projekt nicht dann beendet (weder teilweise noch ganz), wenn Funks et al., das für sich so empfinden, sondern dann, wenn obige Situation eintritt, in der Friede und Freiheit und Liebe für alle verwirklicht ist. Steine werfen ist ein No-Go.

Sowohl im philosophischen Diskurs als auch im sozialwissenschaftlichen Diskurs lernt man/frau als eines der ersten Grundlagen, dass man/frau entlang der Inhalte diskutiert, man/frau von persönlichen Angriffen absieht. Dramatisch wird es wenn ganze Gruppen pauschalisierend angegriffen werden (die feigen Frauen, die Westfeministen/innen usw.), dann bewegt sich der Diskurs auf der Ebene von (Vor-)Verurteilungen. Feminismus war und ist eine Bewegung, die ganz gezielt gegen solche Urteile und Vorurteile arbeitet und keine Bewegung die (Vor-)Urteile etabliert. Man/frau wirft nicht mit Steinen – weder gegen Brüderles noch gegen andere Frauen, denen man Feigheit oder wahlweise Unfähigkeit unterstellt. Wo sind wir eigentlich?! Läuft Diskurs jetzt auf Ansage und Verordnung im Imperativ-Ton – oder was oder wie war das mit dem herrschaftsfreien Diskurs, um den es eigentlich doch gehen sollte, gerade in linken Kreisen?!

Kaum zu glauben, dass der Freitag unter anderem Ost-West-Dialog als ein erklärtes Ziel hatte, kaum zu glauben, dass der Freitag links-liberal sein will. Es geht darum Geschichte ehrlich aufzuarbeiten. Weder um Loblieder auf die 80-er soziale Marktwirtschaft noch um Ost-Nostalgie, sondern um Verständigungsbeiträge. Es geht nicht um Ost gegen West, sondern um Brückenbau. Und es geht um das Mindestmaß an Sachlichkeit und Fairness. In der tollen realsozialistischen DDR konnte weder Frau noch Mann einfach so selbstbestimmt entscheiden, ob und was er/sie studieren möchte, zumindest ist es das, was mir Freunden/innen erzählen, die nach der Wende erst das Fach ihrer Wahl studieren konnten. In der tollen sozial-marktwirtschaftlichen BRD hatte man/frau zwar theoretisch die Freiheit, seinen Bildungsweg selbstbestimmt zu gehen, faktisch zeigte sich, dass die Herkunft und sozio-ökonomischen Verhältnisse entschieden und ein höherer Bildungsabschluss für viele Kinder aus bildungsfernen Verhältnissen ein fernes und unerreichbares Ziel waren und blieben – für viele bis heute, es gibt nicht umsonst Projekte wie Arbeiterkind, die Bildungsbenachteiligung entgegenwirken.

Warum gehen wir nicht aufeinander zu und lernen aus den Fehlern der Vergangenheit auf beiden Seiten und gestalten gemeinsam auf dieser Freitagsplattform (wie es irgendwann auch gedacht war) Ost- und West-Dialog mit?! Was soll dieses „die“ „West-Feministen/innen“ dieses Ausspielen von Ost gegen West?! Sind nicht Fragen viel spannender – wie man/frau z. B. Kommunismus heute hier und jetzt mit Leben füllen kann?! Wie kann man/frau aus den Fehlern in den realen Versuchen Sozialismus zu verwirklichen lernen, und was kann man/frau aus den Fehlern der sozialen Marktwirtschaft lernen? Wie könnte demokratischer Kommunismus aussehen? Usw. Es ist auch irgendwie nicht einleuchtend, wenn jemand sich als Ost-Feministin definiert ein unkritisches Loblied auf die DDR anstimmt zugleich im ganzen Artikel eine Moral zutage legt, die kapitalistische Werte widerspiegelt. Wer meint einen Porsche fahren zu müssen, soll es, Menschen sind frei, manche stehen auch Schlange vor dem Applestore um ihr vermeintliches Glück zu finden. Aber Sexismus damit zu beantworten, dass man ein Statussymbol (Auto) auflistet, das einen zu einem besseren Menschen machen soll (der Mann fuhr nur so und so ein Auto und Frau Funk so und so eines, ein besseres, also steht sie über ihm?! Außerdem hat sie eine höhere Lebenserwartung), also dann noch mit Altersdiskriminierung (ageism) eine Form der Diskriminierung mit der anderen Form der Diskriminierung zu beantworten, ist irgendwie schon ziemlich fraglich. Konkurrenzdenken, Hierarchien von oben und unten im Kopf sind für mich nicht links, sondern kapitalistisch – darin liegt für mich der Hauptwiderspruch im Text: für DDR-Feminismus zu schreiben, zugleich kapitalistisch zu denken. Klassendenken ist nicht links. Biologistische Argumente sind vielleicht darwinistisch, aber auch nicht links. Genauso fraglich ist es Bildung als ein Statussymbol anzugeben. Es geht nicht darum, dass man/frau darauf verweist, dass man/frau einen Abschluss gemacht hat – als Antwort auf einen Kommentar, der die Frage aufwarf, wie denn das nun ist mit dem Feminismus, der persönlich zurechtgepinselt wird, nach dem Motto – er ist private Erfolgsangelegenheit.


Wissenschaftlichkeit

Und wie war das mit Wissenschaftlichkeit?! Verdeckt teilnehmende und beobachtende Untersuchungen werden sowohl in sozialwissenschaftlichen als auch geisteswissenschaftlichen Fächern in der wissenschaftstheoretischen Metadiskussion aus ethischer Sicht höchst kontrovers diskutiert. Wie in den Beobachtungen Intersubjektivität herstellen?! Fragen wie die mögliche Beeinflussung des untersuchten Systems durch den bzw. die Beobachter/in usw. Viele (Roland Girtler u.a.) formulierten deshalb ziemlich strikte Regeln, wann und wie überhaupt verdeckt teilnehmend beobachtende Feldforschung ethisch zu verantworten ist. Fraglich bleibt, ob Menschen überhaupt zum Objekt verdeckter Studien werden sollten. Mikas und Funks halten sich aber noch nicht einmal an die Grundregeln sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Da geht es z. B. klar um die Regel deskriptiv und nicht urteilend (schon gar nicht verurteilend (Feigheit der Frauen, Unfähigkeit)) zu schreiben, da geht es um Dinge wie keine Abwertungen, Abfälligkeiten und nichts Despektierliches in die Untersuchung hineinzutragen, um Neutralität. Wo bleibt all das – wenn über Feigheit und Unfähigkeit gesprochen wird? Es geht um Fragen wie Achtung, Anerkennung. Es geht auch explizit darum, sich nicht als Erzieher/in oder Missionar/in zu betätigen, indem die Lebenswege der anderen wie von der Kanzel abgewertet werden. Wer andere Menschen als feige oder unfähig aburteilt, erfüllt nicht die ethischen Standards. Außerdem lassen sich zahllose andere Beispiele finden, andere Interpretationen der Lebensgeschichten, nämlich neutrale oder wohlwollende und anerkennende.

Über z. B. Menschen mit Liebeskummer zu urteilen – in einer Weise wie es in Mikas Buch szenenweise geschieht, ist zudem vergleichbar über Menschen zu urteilen, die verletzt sind. Wir können froh sein, wenn in dieser gefühlskalten Gesellschaft, in der kapitalistische Strukturen der Entfremdung bestimmend sind, überhaupt noch Menschen sich Gefühle (insbesondere dann, wenn sie mit persönlichen Nachteilen verbunden sind) zu leben trauen. Jede/r Mensch gleich, ob Mann oder Frau, der bzw. die den Mut hat sein/ihr Leben nicht nach kapitalistischen Verwertungszwängen zu leben, sondern Freiheit und Liebe lebt, Entscheidungen (mit dem Risiko verletzt zu werden) für die Liebe trifft, dafür z. B. einen Karriereknick hinnimmt, und später auch noch persönlich enttäuscht wird, weil die Liebe bricht, verdient Mitgefühl und Achtung und Anerkennung für den Mut – Liebe zu wagen. Fakt ist doch, dass bald die halbe Nation sediert ist mit Psychopharmaka und (blind und ignorant) funktioniert. Im frühen Feminismus ging es um Liebe. Diese Frauen und Männer kritisierten das Ausbeutungssystem und nicht andere Frauen und Männer. Es ging und geht(!) um Liebe zum Beruf (nicht um Karrierefeminismus in kapitalistischen Systemen), das Ende von entfremdeten Arbeitsverhältnissen, das Ende von Kriegen und das Ende von Militarismus. Es ging und geht um Freiheit und Liebe für alle! Wir sollten wieder lernen die Fragen der frühen Feministen/innen zu stellen – wie sehen Arbeitsverhältnisse aus, die eine gleichberechtigte Arbeitsteilung ermöglichen, wie sehen gesellschaftliche und politische Formen der Teilhabegerechtigkeit, der gleichberechtigten Mitgesaltung aus? Wie lässt sich Freiheit und Liebe für alle verwirklichen?


Wann – wann bewegen sich Menschen aufeinander zu?! Wann werden Brücken gebaut, wann Feindschaften überwunden (Feminismus und Feindschaft der Feministen/innen schließen sich aus, weil Feminismus von Anbeginn eine Friedensbewegung war, Harmonie z. B. war ein zentraler Begriff. Feminismus, der mit Beleidigungen arbeitet wie Feigheit, Unfähigkeit kann echt nicht der Weg sein, ist ein Widerspruch in sich selbst). Bitte lasst uns Brücken bauen!

(Der Text ist nicht Korrektur gelesen, einfach aus dem Bauch geschrieben, womöglich ein Fehler)

Ergänzung: Kopiere das aus einem Kommentar weiter unten hoch: Da der Artikel unfertig blieb (ich wollte den geschichtlichen Teil weiter ausbauen und einen Abschnitt über Gegenwartsfeminismus anfügen und beides mit einer Literaturauswahl versehen), möchte ich zumindest noch eine Liste anfügen, die eine provokative Gegenliste sein will, zudem, was in den Medien verkürzt wieder gegeben wird. Es wären zahllose Namen zu nennen, die Liste ist natürlich subjektiv beeinflusst, weil ich die Frauen nenne, die mich als Feministin prägten und in meinem Fächern eine Rolle spielen (Sozialarbeit und Philosophie), Anne Mohnen nannte bereits weitere Namen, vielleicht sollten wir alle sammeln. Mir liegen eben die Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften in Verbindung mit der Sozialarbeit sehr am Herzen, weil sie versuchen auf gewaltfreiem und emanzipatorischem Wege, gesellschaftliche Verhältnisse auch tatsächlich zu verändern:

Ich klage die Medien an für die verkürzten Debatten und das verengte Bild, das sie von Feminismus wiedergeben: Warum hört man/frau in den Medien so wenig über Silivia Staub-Bernasconi, deren Theorien auf Jane Addams aufbauen? So wenig über Frauen, die Projekte gründeten, z. B. Projekte, die sich kriegstraumatisierten Frauen widmen? Monika Hauser bekam den alternativen Friedensnobelpreis, von Ihrer Arbeit berichten die Medien gerade Mal einen Bruchteil von dem, was die Brüderle-Debatte an Staub aufwirbelte. Projekte wie Arbeiterkind von Urbatsch ähnlich…. Wer kennt Kofra usw.?! Und Projekte, die sich Mädchen widmen, die Verfolgung befürchten müssen, allein aufgrund der Tatsache, dass sie ein Mädchen sind, ihres Lebens nicht sicher sind? Warum hört man/frau so wenig über die Arbeit in Frauenhäusern? Diese Gesellschaft unterhält sich lieber über Brüderle-Barszenen und Porsche-Style-Fragen. Und so wenig von Mead, Notz, Butler, die vielleicht größten Feministen/innen unserer Zeit, werden entweder fast ignoriert oder angefeindet (z. B. Butler). Oder warum hört man/frau in den Mainstreammedien so wenig von der linken Frauenbewegung und ihren Manifesten? Was wurde aus all den UFV-(Unabhängiger Frauenverband)-Frauen, die sich für einen sozialistischen Feminismus einsetzen? In den Talk-Shows sitzen andere, die über Brüderle-Barszenen quatschen, als ginge es um diese Randthemen, als hätte Feminismus keine eigenen Inhalte, würde sich nur darauf erstrecken sich über das Verhalten von besoffenen alten Männern an der Bar zu eschauffieren! Hallo!? Machen die Kerle durch Flegelverhalten jetzt Agenda-Setting oder was?! Hat jetzt jeder volltrunkene Typ an der Bar durch Flegelverhalten mehr Macht zu bestimmen, was auf die feministische Agenda kommt, als die Feministen/innen selbst?! Als gäbe es sonst keine Inhalte, als gäbe es keine sozialistisch feministischen Manifeste! Gerade in linken Ost-West-Dialog-Medien, müsste doch viel davon zu hören sein?! Und seit wann ist Feminismus reduziert auf Gendermainstreamingpolitik?! Während die Grundsatzfragen außen vor bleiben?! Die Institutionen der Macht – was sind das für Institutionen, an denen wir gleichgestellt beteiligt werden sollen? Steht das gar nicht mehr zur Debatte?! Früheren Feministen/innen war das nicht egal! Die schrieben noch Bücher, Frauen gegen den Krieg!


Obiger Text baut auf die genannten Frauen, die in der Mainstreamdebatte oft überhört oder zu wenig gehört werden, auf -- und auf den Gedanken einer Bewegung (wir brauchen keine leeren und verkürzten Brüderle-Scheindebatten, sondern eine Bewegung!) -- und baut auf soziale und gesellschaftliche Projekten auf, die etwas verändern und bewegen wollen. Setzt den Gedanken fort, der uns die Freiheit brachte, die wir heute haben und setzt die Befreiungsbewegung fort. Und ich würde mir wünschen, dass das im Mediendiskurs auch so wäre, weil dann kämen die Punkte auf die Agenda, um die es eigentlich ginge. Warum z. B. werden all die Ost-Feministinnen, die maßgeblich in der Wendezeit aktiv waren nicht gehört?!

Feminismus ist auch nicht mit Schwarzer gleichzusetzen. Schwarzer war wichtig und man/frau kann ihre Leistung gar nicht hoch genug einschätzen, aber sie war in gewisser Hinsicht auch brav angepasst und wenig visionär im Vergleich zu den sozialistischen Feministen/innen, die z. B. mit beitrugen, dass es zur Wende kam und die Vision eines anderen Sozialismus hatten, von all diesen Frauen hört man in den Medien wenig – warum?!

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