Bereicherung in der Not

Maskenaffäre Erste Abhilfe würde ein Lobbyregister schaffen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Während viele kleinere Firmen, Künstler und Selbständige während des Lockdowns vor dem Aus stehen, glänzen einige Abgeordnete mit gewinnbringenden Maskengeschäften.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, MdB Georg Nüßlein (CSU), hat den Vorsitz niedergelegt. Er soll 660.000 € mit Maskengeschäften verdient haben, es wurden 13 Objekte in Deutschland und Liechtenstein durchsucht. CDU-Abgeordneter Nikolas Löbel gibt zu, 250.000 Euro Provision mit der Vermittlung von Maskengeschäften eingenommen zu haben, auch er tritt zurück. Es sind weitere 2 Dutzend Abgeordnete in Maskengeschäfte verwickelt, bestreiten aber, dafür Provisionen erhalten zu haben. Diese Geschäfte wurden möglich, weil in der Notsituation das „Verhandlungsverfahren ohne Teilnehmerwettbewerb“ vom Bundeswirtschaftsministerium für die „Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus“ erlaubt wurde. Das bedeutet im Klartext, dass Aufträge in diesem Zusammenhang freihändig vergeben werden können. Das ist laut Vergabeordnung in Krisensituationen auch erlaubt. In den Fällen geht es um Maskenbeschaffung und dafür erhaltene Provisionen im sechsstelligen Bereich. Bis Dezember 2020 hat der Bund nahezu 6 Milliarden € für Masken ausgegeben. Unionsfraktionschef Brinkhaus spricht von Einzelfällen und forderte von allen Fraktionsmitgliedern eine Erklärung, keine finanziellen Vorteile aus der Pandemiebekämpfung erlangt zu haben. Ein Schreiben von Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt liegt jetzt vor. Demnach sollen die Angeordneten eine Erklärung unterschrieben haben, dass sie keine finanziellen Vorteile aus dem Kauf/Verkauf von Medizinprodukten in der Pandemie erzielt haben.

Auch Söder fordert lückenlose Aufklärung und Armin Laschet hat zu den Rücktritten gedrängt, denn man kann sich vorstellen, da könnte noch mehr kommen und die CDU ist ohnehin gerade im Umfragetief. Immerhin steuern wir im Herbst auf die Bundestagswahl zu und schon am 14.März stehen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Landtagswahlen an. Da kommen solche Skandale wohl reichlich unpassend.

Ein weiterer CDU-Abgeordneter legte sein Mandat nieder, MdB Mark Hauptmann, ihm wird zu große Nähe zum Regime von Aserbaidschan vorgeworfen. Anzeigenschaltungen in seiner Zeitung sind sein Vorteil. Aber auch Gesundheitsminister Spahn ist da leider keine Ausnahme, sein Leipziger Spendendinner mit den 9999 € „Eintritt“, während der Coronakrise, ging durch die Presse und in früheren Jahren war er schon im Gesundheitsausschuß der Bundesregierung tätig, während er nebenher als Pharmalobbyist arbeitete.

Erst im letzten Jahr war Philipp Amthor über seine Nebentätigkeit für ein US-Unternehmen (nebenbei bemerkt mit dem Firmenpräsidenten Karl-Theodor zu Guttenberg) gestolpert, er erhielt im Gegenzug Aktienanteile und einen Direktorposten. In der Folge der Affäre formierte sich erstmalig eine breitere Initiative für ein Lobby-Transparenzregister. Jetzt, Anfang März, kam es nach zähem Ringen nun endlich zu einer Einigung. Bislang lagen die Entwürfe aber unter den Minimal-Standards der EU und der OECD. Nun hat Abgeordnetenwatch mit einer Petition auf change.org Unterschriften für ein verstärktes Lobby-Kontrollregister gesammelt. Gefordert wird außerdem eine Trennung von wirtschaftlichen Aktivitäten und dem Abgeordnetenmandat. Die Kritik ist durchaus berechtigt, denn bislang ist das Register nicht vielmehr als eine Namensliste, die einzelnen Kontakte müssen nicht dokumentiert werden. Der moralische Druck durch die Notsituation in der Gesellschaft zusammen mit den Provisionsgeschäften ist ausnahmsweise so hoch, daß sich politisch endlich ein Handlungsspielraum ergibt, oder anders ausgedrückt, man kann es ohne Gesichtsverlust jetzt nicht weiter verschleppen. Bislang haben einige Parteien gemauert, wenn es um eine Offenlegung von wirtschaftlichen Verflechtungen seitens der Politiker geht.

Es gab schon mehrere Anläufe für ein Lobbyregister, vor allem die CDU hat bislang alle Anläufe verhindert. Im deutschen Bundestag gibt es mehr Hausausweise für Lobbyisten als Abgeordnete, im EU-Parlament kommen auf 750 Abgeordnete etwa 25000 Lobbyisten. Aber dort gibt es wenigstens ein solches Register, so daß die Einflußnahme ein wenig ersichtlich werden kann. Das meistgenutzte Hauptargument zur Verharmlosung dieser Kontakte lautet, daß die Lobbyverbände ja nur Fakten und Argumente zur Entscheidungshilfe liefern würden, entscheiden würden die Politiker selbst. Jedoch wurden bei vielen Gesetzesvorlagen die Vorschläge der Konzerne zum Gesetzentwurf sogar wörtlich übernommen und außerdem geht es eben auch um Bestechung oder vorsichtiger: Vorteilsnahme.

So kurz vor den Wahlen geht nun wohl die Angst um, plötzlich ist die Union bereit, sogar noch etwas weiter zu gehen. Seit letzte Woche gibt es plötzlich eine ganze Reihe von Vorschlägen. So soll künftig "die entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag" verboten werden. Es sollen Ordnungsgelder verhängt und die Einnahmen an den Bundestag abgeführt werden. Es werden Spenden an Abgeordnete verboten und Nebeneinkünfte müssen ab 100.000 € genau aufgeführt werden. Außerdem werden die Strafen für Bestechung erhöht. War es 2015, als der damalige Fraktionsvorsitzende Volker Kauder sich gegen strengere Korruptionsgesetze wandte, Politik und Wirtschaft würden zu dicht beeinander liegen, „Politik ist ein eigenes Geschäft“ sagte er damals. Auf jeden Fall müssen Öffentlichkeit und 4. Gewalt=Medien dringend überwachen, daß die noblen Pläne der Politiker auch wirklich umgesetzt werden.

Es ist schon jetzt ersichtlich, daß die Union weiter taktiert. Die Glaubwürdigkeit der „Ehren“-erklärung ist zweifelhaft, denn erstens hat sie rechtlich nicht wirklich Konsequenzen, ist also höchstens moralisch wirksam und außerdem hatte Mark Hauptmann bereits unterzeichnet, bevor er dann zurücktrat. Neben den Anzeigenschaltungen kam noch eine Spende an seinen Thüringischen Kreisverband im Zusammenhang mit der Vermittlung von Maskengeschäften ins Spiel. Außerdem sind die neuen Transparenzvorschläge der CDU/CSU in entscheidenden Punkten unscharf. Die Nebeneinkünfte müssen erst ab 10.000 € offengelegt werden, die SPD, Linke und Grüne forderten zuletzt den Einstieg bei quasi 0 €. Das gleiche gilt, wie im Fall Amthor, für Vorteilsnahme durch Aktiengeschenke. Auch hier ist nicht nachzuvollziehen, warum die Union erst ab 25% tätig werden will.

In der jetzigen Notsituation vieler Menschen verspielt die Politik die letzte Glaubwürdigkeit, wenn nicht endlich weniger Lobbyismus + Geschäftemacherei und mehr Transparenz einkehren.

Wenn sie für ein Lobbyregister eintreten wollen, hier der link zur Unterschriftenaktion: https://www.lobbycontrol.de/2020/01/lobbyregister-aktion/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Jens

Daniel Jens studierte ursprünglich Kunst. Reisen und Tourneen bis nach Südamerika, Iran und Indonesien schärften den Blick auf die Welt.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden