85 Sekunden Krawall

Eurovision Finnland schockiert mit rotzfrechem Punk beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Wien. Was Europa von einer Band wie Pertti Kurikan Nimipäivät lernen kann.

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http://www.eurovision.tv/save-files/resizes/dc/f5/39/38/1f/97/07/87/69/0f/09/5d/92/fd/46/41/PKN_Pekka_Elomaa.jpgFoto: eurovision.tv

Die Band Pertti Kurikan Nimipäivat sorgt gerade für Aufsehen. Dahinter verbirgt sich eine Gruppe, die im Mai für Finnland beim Eurovision Song Contest in Wien mit dem Song „Aina Mun Pitää” antreten wird. In Finnland ist Pertti Kurikan Nimipäivat (zu Deutsch: „Pertti Kurikas Namenstag”) längst Kult. Die Finnen kennen Frontsänger Pertti Kurika und seine Bandmitglieder Sami Helle, Kari Aalto und Toni Välitalo bereits aus dem Dokumentarfilm „The Punk Syndrome”. Der Kurzfilm dreht sich um das Leben der Musiker, die mit geistigen Einschränkungen zu kämpfen haben. Ihre Krankheit ist jedoch ihr Antrieb und im Punk lassen sie ihren Gefühlen freien Lauf. Im Februar gewannen Sie mit den Stimmen der finnischen TV-Zuschauern den finnischen Vorentscheid.

Der Titel „Aina Mun Pitää” bedeutet so viel wie „Ich muss immer”. Im Songtext geht es um alltägliche Dinge, die gemacht werden müssen und nicht gemacht werden dürfen, weil man dazu gezwungen wird („Ich muss immer den Abwasch machen – Ich darf niemals Alkohol trinken”). Unangepasst und unbequem ist nicht nur der Text, sondern auch die Songdauer: Nur eine Minute und 25 Sekunden dauert „Aina Mun Pitää”. Das reicht Perrti Kurikan Nimipäivat aus, um ordentlich auf den Putz zu hauen. Sie brechen die Norm, dass ein Song beim Eurovision Song Contest eigentlich drei Minuten dauern solle. Noch nie zuvor hat eine Band beim Eurovision Song Contest so dreist das als sicher geltende Regelwerk ausgenutzt. An eine Mindestlänge hat noch nie jemand gedacht. Ein Geniestreich von Männern, die eigentlich als geistig behindert abgestempelt werden.

Auf der Rangliste von Eurovision-Fans landet „Aina Mun Pitää” weit hinten auf der Rangliste. Zugegeben, Punkrock gehört zu den wenigen Musikrichtungen, mit denen ich persönlich etwas anfangen kann. Aber noch nie zuvor hat es beim Eurovision Song Contest eine Band geschafft, die Punk-Idee auf 85 Sekunden herunterzubrechen. Das allein verdient schon einen Eintrag im Geschichtsbuch des Eurovision Song Contest.

Die Wettbüros sehen das anders. Sie halten einen Sieg der Finnen für wahrscheinlich, eine Qualifikation im 1. Halbfinale gilt als sicher. Das Schicksal der finnischen Punkband liegt in den Händen der europäischen TV-Zuschauer und Juroren. Aber selbst ein Achtungserfolg wäre ein Zeichen dafür, dass Behinderung heute keinen mehr daran hindert, Erfolg zu haben. Das haben sie in Finnland bewiesen. Jetzt darf Europa zeigen, wie offen es wirklich ist.

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Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

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