Grand-Prix-Stars kommen nach Berlin

Subkultur Erstmals gibt es ein Wochenende für Eurovision-Fans. Warum sich ein Tauchgang in die bunte und skurrile Musikwelt lohnt.

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Die besten Clubs Berlins sind nur schwer zu finden. Sie verstecken sich in zwielichtigen Kellergewölben unsanierter Hinterhöfe und tragen kein Eingangsschild. Das ZMF ist einer dieser Clubs. Früher bauten Arbeiter in den schummerigen Kämmern neue Tische, Stühle und Polstermöbel. Am 3. August 2012 startet im ZMF die Eröffnungsparty für das Eurovision Weekend. Es ist das Treffen der Grand-Prix-Fans aus Deutschland und Finnland und damit das erste seiner Art in Berlin.

Frank Lochthove koordiniert das Eurovision Weekend vor Ort. Er will Berlin zum Mekka für alle Fans machen und erwartet Gäste und Fans aus ganz Europa. Im Gespräch verrät er mehr über seine Pläne, das Programm und seine Leidenschaft für die erste Grand-Prix-Gewinnerin Lys Assia.

Wie ist die Idee zum Eurovision Weekend entstanden?

Frank Lochthove: Als ich letztes Jahr erstmalig am Eurovision Cruise des finnischen Fanclubs teilnahm, war ich restlos begeistert von diesem tollen Event und dachte „Wenn die finnischen und internationalen Fans an einem Wochenende Eurovision zwischen Helsinki und Tallinn feiern, warum dann nicht mal ein paar Meter weiter fahren und ein Eurovision Weekend in Berlin zelebrieren?“. So kam ich vollkommen enthusiastisch zurück, schlug den anderen Berliner Fanclub-Mitgliedern und den beiden nationalen Fanclubs die Idee vor, sie fanden die gut und ich lud den finnischen Fanclub ein.

Es ist das erste größere Eurovision-Event in Berlin überhaupt. Gibt es in Berlin zu wenig Fans?

FL: Berlin ist eine Partyhochburg, es gibt nichts, was es nicht gibt und insofern hat alles, was neu ist, erst einmal eine riesige Konkurrenz. In Berlin findet jeder Eurovision-Fan seine spezielle Nische und auch unter Fans gibt es die, die den Vereinsaspekt, die Experten-Gespräche und Analysen toll finden, die die Party machen wollen, die die gerne Karaoke singen, die die Künstler sehen wollen…das splittet sich ziemlich auf. Das Eurovision Weekend ist der erste Versuch, allen diesen Aspekten Rechnung zu tragen. Ich finde es ist uns gelungen, eine gute Mischung aus allem hinzubekommen und deswegen freue ich mich, dass Berlin erstmals seit einem Fanclub-Treffen im Jahr 2003 wieder ein überregionales Eurovision-Event ausrichtet.

Inwieweit ist das Programm ein Event für alle? Die Fangemeinde ist ja schon etwas gespalten. Die einen schwelgen unbeirrt in Grand-Prix-Nostalgie. Die anderen leben und lieben die Musik von heute.

FL: Ich finde, dass es kein Gegensatz ist, den „guten alten Grand Prix“ zu lieben und zu genießen – ab und zu treffen sich ja auch kleinere Gruppen und schauen sich einen alten Grand Prix an. Aber aufregend ist es halt, wenn man bis zum Abend selbst gespannt mitfiebert und auch durch die Entwicklungen der letzten Jahre der Contest unvorhersehbar bleibt. Man liest heute wieder in den Zeitungen davon, es gibt überall im Land Public Viewings, in der ESC-Woche finden zahlreiche Events statt. Der Grand Prix ist lebendiger denn je, nur heißt er heute anders und ist zeitgemäß. Und er hat doch auch alle seine alten Fans mitgenommen, ich kennen niemanden, der einmal mit dem ESC-Virus infiziert, sich wieder abgewendet hätte und heute den Contest nicht mehr schaut.

In kleinen Ländern wie Finnland, Estland und Serbien ist das Interesse an den Eurovision-Hits riesig. In Deutschland dagegen sehr gering. Wie erklärst du dir das und was kann man dagegen tun?

FL: Dass das Interesse am ESC unterschiedlich hoch ist, das ist auch schon so, seit ich mich erinnern kann. In den Neunzigern sagte mal jemand zu mir: „Weißt Du warum die Iren so oft gewinnen ? Die nehmen den Wettbewerb eben ernst.“ In Deutschland hat man den Contest damals belächelt. Aber erinnern wir uns an die Jahre 1998 oder 2010, als wirklich die ganze Nation mitgefiebert hat. Es gab tausende Guildo-Partys mit Nussecken oder nach Lena Sieg Autokorsos, die Zeitungen waren voll, die Hauptnachrichten berichteten, es gab Sondersendungen und das ganze Land schien verzückt. Ich denke das Interesse ist immer dann groß, wenn der Beitrag und der Interpret stimmen. Das beobachten wir ja auch in anderen Ländern, die nebenbei den Nachteil haben, dass sie oftmals gar nicht im Finale teilnehmen. Und der ESC bietet Ländern eben auch die Möglichkeit sich zu präsentieren und zwar auf Augenhöhe mit allen anderen europäischen Ländern. Beim ESC sind alle gleich, unabhängig von Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft oder politischen Status. Das ist natürlich gerade für Länder, die vielleicht nicht an der Fußball-EM teilnehmen, auf dem olympischen Treppchen stehen oder in den Schlagzeilen der Medien zu finden sind eine tolle Bühne ihr Land zu präsentieren und darauf sind dann eben auch die Zuschauer stolz.

Auf welches Programm-Highlight freust du dich besonders?

FL: Mein persönliches Programm-Highlight ist, dass Lys Assia zugesagt hat, sie verbindet den guten alten Grand Prix mit dem Großevent, das der Eurovision Song Contest heute ist. Ich hätte es toll gefunden, wenn sie in diesem Jahr für die Schweiz angetreten wäre und glaube, dass sie aufgrund Ihrer wundervollen Ausstrahlung und ihres Bekanntheitsgrads auch besser abgeschnitten hätte. Und ihr Lied „C’était ma vie“ ist einfach toll. Eine solche Legende des ESC live zu erleben, darauf freue ich mich sehr.

Beim Facebook-Event hatte "Mr. Grand Prix" Ralph Siegel zugesagt. Kommt der wirklich?

FL: Ralph Siegel hatte zunächst zugesagt und wir hatten auch schon eine kleine Hommage an ihn geplant, weil ihm mit Nicoles „Ein bißchen Frieden“ vor genau 30 Jahren der erste deutsche Grand Prix – Sieg gelungen ist. Leider musste er wieder absagen, weil er andere Verpflichtungen hat. Er wäre sehr gerne gekommen und meinte, dass sich sicherlich bei anderer Gelegenheit ein Zusammentreffen ergibt. Dennoch werden wir natürlich einige Melodien von unserem „Mr. Grand Prix“ im Programm haben.

Eurovision Weekend, 3.-5. August 2012, eine Veranstaltung der Fanclubs OGAE Deutschland und OGAE Finnland. Zu den Showacts gehören die Sängerinnen Lys Assia, Ingrid Peters und Pernilla Karlsson.

Ticketpakete für das gesamte Programm gibt es für 32 € pro Person. Wer nur an der Eröffnungsparty im ZMF teilnehmen möchte, zahlt 5 €.

Weitere Informationen zum Programm gibt es in der Facebook-Gruppe oder beim Eurovision-Fanclub OGAE.

Bild: ZMF Berlin
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

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