"Karl Lagerfeld duftet wie meine Großmutter"

Buchvorstellung Conchita Wurst plaudert in "Ich, Conchita. Meine Geschichte" aus dem Nähkästchen. Das hätte klappen können, würde ihr Co-Autor nicht immer mitreden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://www.eurovision.tv/save-files/resizes/09/58/01/93/5a/1e/d6/7e/ad/c0/da/87/30/db/7d/4a/esc2015_finalshow_006_coe.jpgFoto: ORF.at/Christian Öser

Vor über einem Jahr, am 10. Mai 2014, gewann Conchita Wurst für Österreich den Eurovision Song Contest. Es war nur eine Frage der Zeit, dass auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ein Buch über ihre Lebensgeschichte erscheint.

"Ich, Conchita. Meine Geschichte" entstand in Zusammenarbeit mit dem Autor Daniel Bachmann, der bereits verschiedene Memoiren und Biografien aufzeichnete. Auf 192 Seiten wird erzählt, wie aus dem kleinen Jungen einer Wirtshausfamilie ein weltweit bekannter Star wird.

Aus Tom wurde Conchita

Es ist nicht überraschend, aber hinter Conchita Wurst steckt der 26-jährige Tom Neuwirth. Entdeckt wurde Neuwirth bei der österreichischen Castingshow Starmania. Als hibbeliger und quirliger Shootingstar hat er es bis ins Finale der Sendung geschafft, wo er Zweiter wurde und sich der späteren ESC-Teilnehmerin Nicole Beiler geschlagen geben musste.

Nachdem er mit seiner Band Jetzt anders! als Leadsänger zunächst wenig Erfolg verbuchen konnte, trat er 2011 erstmals als Dragqueen mit Bart auf. Und plötzlich passte alles zusammen: der schrille Look, das Grazile, die hohe Stimme. Conchita Wurst ist Tom Neuwirths perfekte Rolle.

Bachmanns Autobiografie über Conchita Wurst besteht aus kurzen voneinander unabhängigen kurzen Erzählungen aus Conchitas Leben. Es geht um Conchitas Kindheit im Wirtshaus, um Modeschauen im Kinderzimmer, ums Coming-out und um den daraus hervorgehenden Streit mit ihren Eltern. Über die schicksalhaften und prägenden Momente spricht sie mit angezogener Handbremse: reflektiert, nachdenklich, fast schon etwas wehmütig. Man merkt, dass es einer Kunstfigur nicht leicht fällt, ihre Maske abzulegen.

Wenn Conchita Wurst ihre Begegnung mit den Modegrößen Jean-Paul Gautier und Karl Lagerfeld beschreibt, scheint sie aufzublühen und redseliger zu werden. Hier fühlt sich der Leser für einen Moment der Conchita sehr nah. Sie berichtet, dass Karl Lagerfeld wie ihre Großmutter riecht und dass sie von Jean-Paul Gautier schwärmt. Man hätte mehr solcher Beschreibungen in dem Buch erhofft.

Etwas konstruiert wirkt es, wenn Co-Autor Bachmann versucht, Conchita Wurst die Welt erklären zu lassen. Mal spricht sie über die Herkunft des Wortes Börse und mal über die Geschichte Europas. Hier entfernt sich Bachmann zu weit von Conchitas Welt.

Wer sich enttäuscht durch die Kurztexte gelesen hat, wird am Ende mit ungesehenem Fotomaterial belohnt. Hier wird das Buch stark, denn Conchita Wurst hat die Bilder selbst ausgesucht und zeigt hier ihre ganz persönliche Handschrift: Es mischt sich Privates aus dem Fotoalbum der Familie Neuwirth mit offiziellen Pressefotos.

Fazit: „Ich, Conchita. Meine Geschichte” ist ein Buch, dass sich nur sehr zaghaft Conchitas Leben annähert und mit Fakten aus Nachschlagewerken gestreckt wird. Einzig die von Conchita persönlich ausgewählten Privatfotos stechen heraus.

Conchita Wurst; Ich, Conchita: meine Geschichte; erschienen im Verlag LangenMüller; 192 Seiten; ISBN: 978-3784433752.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden