Warum nur, warum?

Respekt Andreas Kümmert will nicht für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Wien fahren. Newcomerin Ann Sophie übernimmt diese Aufgabe. Eine richtige Entscheidung

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Warum nur, warum?

Bild: Nigel Treblin/Getty Images

Ein wahres menschliches Drama hatte sich am Donnerstag, den 5. März in der TUI-Arena in Hannover unter den Augen von 3,2 Millionen Fernsehzuschauern und 5.000 Besuchern auf der Bühne abgespielt, als das zweistündige musikalische Rennen um den Startplatz beim Eurovision Song Contests in Wien gelaufen schien.

Was war passiert? Andreas Kümmert, der frühere Gewinner von „The Voice Of Germany”, hatte bei „Unser Song für Österreich” in einer Stichwahl mit 78,7 Prozent der Stimmen das Televoting mit dem Song „A Heart Of Stone” gewonnen. Doch als Moderatorin Barbara Schöneberger ihm das Mikrofon gab, sagte er mit zittriger Stimme: „Es ist so, ich bin nicht wirklich in der Verfassung diese Wahl anzunehmen.” Er schlug die Zweitplatzierte Ann Sophie als Gewinnerin vor. Nach anfänglichen Buhrufen im Saal, hatte Barbara Schöneberger aus der Situation heraus das einzig Richtige gemacht und Ann Sophie mit ihrem Song „Black Smoke” das Ticket nach Wien zugesprochen und der Sendung zu einem würdevollen Abschluss verholfen.

Andreas Kümmert galt bereits als Favorit in diesem Wettbewerb und überragte mit der wahrscheinlich besten männlichen Gesangsperformance des Abends. Der unverkennbar rauchige Klang seiner Stimme hatte die Zuschauer zu einem spontanten Lichtermeer bewegt. Und dieser Andreas Kümmert hat seinen Sieg nun ausgeschlagen. Einige TV-Zuschauer fühlten sich zunächst verschaukelt, schließlich sind damit alle Anrufe und SMS-Nachrichten für ihn faktisch wertlos.

NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber betonte, dass es sich beim Konzept der Sendung um einen Wettbewerb handelt und es darum geht zu gewinnen. „Alles andere macht keinen Sinn.” Schreiber schien während der Proben zu beobachten, dass Kümmert, der gesundheitlich während der TV-Sendung angeschlagen war, offenbar nicht so richtig die Lust für den Eurovision Song Contest verspürte. Ob Kümmert überhaupt jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, den Wettbewerb zu verlassen? „Ja, wenn er uns das vorher gesagt hätte.”

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Ann Sophie die richtige Wahl ist.

Jetzt also vertritt Ann Sophie Deutschland beim Eurovision Song Contest in Wien. Dabei wollte sie nach der TV-Sendung etwas ganz anderes machen: „Ich hatte eigentlich vor, ein Praktikum im April und Mai in der Unfallchirurgie zu machen. Ich glaube, dass kann ich nun vergessen.” Wenn Ann Sophie spricht, wirkt sie gefasst und selbstsicher. Sie kennt die Bühne und sie weiß, wie sie mit den Menschen umgehen soll, die sie umgarnen, ohne dabei aber maßlos und überheblich zu wirken. Ann Sophie, die Beyoncé als musikalisches Idol sieht, glaubt, dass das „einfach so aus ihrem Herzen kommt”. Vor allem merkt man ihr an, dass Sie nach Wien fahren will. Bereits beim Clubkonzert, bei dem sie sich ihre Teilnahme in Hannover erstritten hatte, wollte sie mit der Soulnummer „Black Smoke” antreten, jedoch gab es noch keine Freigabe durch die Urheber. Erst nach ihrem Erfolg beim Clubkonzert ließen sich die Songwriter Michael Harwood, Ella McMahon und Tonino Speciale umstimmen. Dass nun wieder eine Newcomerin gewonnen hat, die sich erst durch ein Clubkonzert in Hamburg für die Vorentscheidung qualifiziert hatte, spricht für den unglaublichen Erfolg dieses experimentellen TV-Formats. Macht es dann aber überhaupt noch Sinn, den TV-Zuschauer durch eine teuer produzierte Show wie „Unser Song für Österreich” zu führen? Und ob.

Der NDR hatte bei „Unser Song für Österreich” die musikalische Richtschnur ordentlich nach oben verlegt: Es gab konsensfähige Popmusik aus Deutschland. Es gab keinen musikalischen Totalausfall, nicht mal einen Künstler, an dessen Gesangskunst man etwas auszusetzen hätte. Der NDR hatte den Mut bewiesen, auf wenige, dafür aber talentierte Künstler zu setzen.

Wie man in Zukunft verhindert, dass ein solcher Eklat wieder passiert wie in Hannover? Soll man Künstler dafür finanziell bestrafen, wenn sie sich den Regeln des Fernsehens widersetzen oder wäre ein „Schuldenerlass” die richtige Herangehensweise? Ann Sophie traf in dieser Frage den richtigen Ton: „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir Andreas mit seiner Entscheidung in Ruhe lassen.”

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

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