Das ist meine SPD

150 Jahre Zehn der 150 Jahre bin ich jetzt schon Mitglied der SPD. Längst passives Mitglied geworden halte ich die Sozialdemokratie für den Gesellschaftsentwurf im 21. Jahrhundert

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Zugegeben. In meinen Beiträgen spielt die SPD kaum eine Rolle. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Mitglied dieser Partei mich eben nicht der Parteilichkeit aussetzen will. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die SPD seit den schröderischen Agendajahren am Boden liegt.

Sollte die SPD bei der kommenden Bundestagswahl wieder etwa um die 22 Prozent an Wählerstimmen bekommen – und danach sieht es derzeit aus –, dann wirkt es ebenso grotesk, einen Kanzlerkandidaten zu nominieren, wie seiner Zeit die FDP Guido Westerwelle ins Rennen um das Kanzleramt schickte.

Das war 2002. Im Herbst 2002 kurz vor der Bundestagswahl bin ich der SPD beigetreten. Gerhard Schröder imponierte mir, sich in der Frage um eine Militärintervention im Irak gegen die USA zu stellen.

Zu diesem Zeitpunkt stand er ganz allein da. Paris und Moskau hatten sich damals noch nicht positioniert. Die Gefahr bestand, dass Deutschland in einen Haftungsverband mit der so genannten "Achse des Bösen" Iran, Irak und Nordkorea geraten könnte. Natürlich nur in der kruden eindimensionalen Weltsicht von George W. Bush.

Und trotzdem, die USA gaben damals noch den Takt in der westlichen Außenpolitik vor. Das Wahlversprechen, sich nicht an einer Militärintervention im Irak zu beteiligen, hatte Schröder gehalten. Es war das einzige.

Nach der Bundestagswahl 2002 markiert der 14. März 2003 einen historischen Wendepunkt in der deutschen Sozialdemokratie. An diesem Tag verkündete Bundeskanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010.

In einer hoch neoliberalen Zeit war die ehemalige Speerspitze der Arbeiterbewegung zu einer Getriebenen des Zeitgeists degradiert, wurde zum Handlanger der Versicherungswirtschaft (Riester-Rente) und erschwerte den Zugang zur ärztlichen Versorgung (Praxisgebühr).

Schlimmer noch, die SPD ebnete Hedge Fonds und anderen radikalen Marktteilnehmern den Weg, auch in Frankfurt ordentlich Kasse zu machen. Der Zeitgeist verlangte es und die Partei gab sich ihm willfährig hin.

Vor allem von der Hartz-Gesetzgebung hat sich die Partei bis heute nicht erholt. Kurzer Hand strichen die Sozialdemokraten die Arbeitslosenhilfe und ließen es zu, dass Arbeitnehmer, die jahrelang Versicherungsbeiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, binnen Jahresfrist auf Sozialhilfeniveau abrutschen sollten.

Sicher, inzwischen wurde einiges korrigiert. Der neoliberale Zeitgeist ist zumindest in der Intensität verflogen. Dennoch ist sein Erbe auch heute noch allgegenwärtig. In einer Art Zeitgeist-Vakuum ausgelöst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, bedient man sich in Europa grundsätzlich weiter neoliberalen Instrumenten (Spardiktat für Südeuropa).

Die SPD verharrt selbst in einem Prinzipien-Vakuum. Tief verunsichert über ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Scherbenhaufen, findet sie derzeit einfach nicht zu sich selbst. Sie ist meilenweit davon entfernt, wieder Speerspitze der Entrechteten, der Glücklosen in der Globalisierung zu sein.

Sigmar Gabriel und Andrea Nahles haben es fahrlässig unterlassen, intensiver die Agenda-Jahre aufzuarbeiten. Nach nur sechs Monaten, nachdem die SPD 2009 mit 22 Prozent auf die Oppositionsbank geschickt wurde, erklärten die SPD-Granden die Aufarbeitung für beendet. Schwarz-Gelb rutschte 2010 in eine tiefe Krise, so dass die Verlockung einfach zu übermächtig war, sich einfach als seriöse Alternative zu verkaufen.

Das fällt der SPD im Wahljahr 2013 auf die Füße. Die Aussicht auf Regierungsbeteiligung ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber sozialdemokratische Gestaltungsmacht mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler ist auf viele Jahre ausgeschlossen.

Ich bin trotzdem noch SPD-Mitglied seit nunmehr über zehn Jahren. Zehn Jahre, in denen ich den Niedergang meiner Partei erlebt habe. Dennoch ist keine Partei mit der deutschen Geschichte so eng verwurzelt wie die SPD.

Ob Sozialistengesetze, Novemberrevolution 1918, Weimar, Ermächtigungsgesetz, West-Ost-Konflikt oder die Reformjahre im beginnenden 21. Jahrhundert, immer war die SPD Schmelztiegel deutscher Kontroversen.

Selbst in der Gegenwart, in der die SPD am Boden liegt, keine Vision mehr hat, sich aus dem neoliberalen Zangengriff nicht befreien mag, spiegelt sich ihr Zustand auch in Staat und Gesellschaft wider.

Deswegen wird es Zeit, dass sich die SPD wieder aufrichtet und sich mit voller Kraft den Problemen im 21. Jahrhundert stellt. Mein Glaube an die Sozialdemokratie kann ein Jahrzehnt des Rückschlags nicht zerstören.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden