Der Spießrutenlauf beginnt

Annette Schavan Die Bundesbildungsministerin will nicht zurücktreten und klagt gegen den Entzug des Doktortitels. Das wird nicht lange gutgehen. Ein Lager hat noch eine Rechnung offen

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Gute Laune!
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Foto: Sean Gallup / Getty

Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) spricht heute an der Universität von Johannesburg in Südafrika. Es geht unweigerlich auch um den Wissenschaftsstandort Deutschland. Sie repräsentiert gerade den Wissenschaftsstandort Deutschland im Ausland.

Derweil hat der Fakultätsrat der Heinrich-Heine-Universiät Düsseldorf gestern Abend ihr nicht nur den Doktortitel aberkannt sondern gleichzeitig ihren höchsten Abschluss auf ein Abitur mit theologischen Kenntnissen zurückgeschraubt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Schavan will nun das Verwaltungsgericht bemühen und hofft auf ein anderes Ergebnis in einem Zweitgutachten.

Sie konnte 1980 mit gerade einmal 25 Jahren ohne jeglichen Studienabschluss direkt promovieren. Ein erstes tragendes Gremium hat nun beschlossen, dass der Doktortitel aberkannt werden müsse. Die Vielzahl der Stellen, an denen Schavan fremde Gedanken nicht mit Fußnoten und Zitaten kenntlich gemacht habe, sei so immens, dass eine leitende Täuschungsabsicht erkennbar sei.

Juristen sprechen vom sogenannten Eventualvorsatz, bei dem Schavan es für möglich gehalten habe, mit einer Vielzahl fremder Gedanken die eigene Arbeit aufzuhübschen und diesen Umstand billigend in Kauf genommen habe. Damit steht sie juristisch mit Karl-Theodor zu Guttenberg und vielen anderen aus dem schwarz-gelben Lager, die in dieser Legislatur ihren Doktortitel abgeben mussten, auf genau der gleichen Stufe: leitende Täuschungsabsicht hüben wie drüben.

Von der "heimlichen Scham" und Parteisolidarität

Schavan will jetzt kämpfen. Sie kalkuliert es so, mit dem Rückhalt der Kanzlerin muss sie nun die stürmischen Tage im politischen Berlin überstehen. Die Oppositionsparteien haben ihr zwar schon unisono den Rücktritt nahegelegt, "sie kann nicht mehr glaubwürdig Wissenschaft in Deutschland vertreten. Das wird sie auch selbst erkennen", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, im ARD-Morgenmagazin.

Aber die Opposition muss Schavan dabei gar nicht so sehr fürchten. Über Wohl und Wehe der Ministerin wird das eigene Lager befinden. Wenn sie überhaupt eine Chance haben will, im Amt der Bildungsministerin zu verbleiben, müssen die eigenen Reihen geschlossen sein.

Ein Teil des eigenen Lagers ist aber noch sehr verschnupft. Denn nun holt Schavan auch ihre jüngere Vergangenheit aus dem Frühjahr 2011 wieder ein: "Ich schäme mich - nicht nur heimlich" ist das Zitat Schavans, das ihre Amtszeit überdauern wird.

Sie sagte das im Zuge der Promotionsaffäre um den damaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg. Sie scherte als Vertreterin des Wissenschaftsstandorts Deutschland von der Parteisolidarität aus. Nun reiben sich die Guttenberg-Anhänger aus Bayern die Hände. Auf deren Solidarität sollte Schavan nicht bauen. Dabei braucht sie jetzt jeden Beistand.

Auch ganz unabhängig von der Berliner Erosionsdynamik, die jetzt ganz unweigerlich ihre Bahnen zieht, sollte Schavan zurücktreten. Sie wird die kommenden Tage in Berlin kaum überstehen können, nun aber den Käßmann-Moment verpasst haben. Das Bildungsministerium und auch den Wissenschaftsstandort Deutschland wird sie beschädigt zurücklassen.

Schavan fühlt sich ungerecht behandelt und will kämpfen. Dabei übersieht sie, dass ihre aktuelle Verantwortung darin besteht, das Bildungsressort, die Institution zu schützen. Sie muss die Interessen an eine integere Wissenschaft über ihre persönliche Vorstellung stellen, unfair behandelt worden zu sein. Das geht nur, wenn sie zurücktritt -unverzüglich- selbst wenn sie am Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Doktortitel behalten sollte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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