Der Wandel kam nie

Barack Obama "Change we can believe in" oder "Yes we can" sind unvergessene Wahlslogans aus dem Jahr 2008. Obama riss die ganze westliche Welt mit. Heute ist klar: Er ist gescheitert

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Der Wandel kam nie

Foto: Brendan Smialowski / AFP / Getty Images

"Die Kinder unserer Kinder sollen eines Tages sagen können, dass wir uns weigerten, diese Reise enden zu lassen, als wir auf die Probe gestellt wurden. Dass wir nicht umkehrten und auch nicht ins Stocken gerieten, dass wir, unsere Augen auf den Horizont gerichtet und mit Gottes Segen, dieses große Geschenk der Freiheit weitergetragen und es sicher an die zukünftigen Generationen übergeben haben."

(Barack Obama am 20. Januar 2009 anlässlich seiner Amtseinführung als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika)

Die Rede zur Amtseinführung bildete für Barack Obama den vorläufigen Höhepunkt einer beispiellosen Wahlkampagne. Die gesamte westliche Welt wirkte wie elektrisiert. Er hatte fast das gesamte politische Spektrum hinter sich versammelt. Ob links, liberal oder konservativ alle jubelten dem vermeintlichen Messias, dem Heilsbringer zu.

Fast alle erhofften einen schnellen Wandel, einen Wandel nach den bleiernen Bush-Jahren, die Abu Ghraib, Guantanamo und Waterboarding als legitimes Mittel der Terrorabwehr hervorgebracht hatten.

Die erste Unterschrift, die Barack Obama als US-Präsident geleistet hat, war die unter das Dekret, Guantanamo binnen Jahresfrist zu schließen. Der Schein hat von Anfang an die Realität verdrängt. Guantanamo ist eine vorübergehende Einrichtung von nunmehr über einem Jahrzehnt. Wann das Gefängnis jenseits aller Rechtsstaatlichkeit geschlossen wird, ist nicht absehbar.

Am 24. Juli 2008 war davon nichts zu spüren, dass die bleiernen Bush-Jahre nahtlos in Obama-Jahre aufgehen würden. Mitten in seiner Wahlkampagne sprach der damalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten vor der Siegessäule in Berlin. Mehr als 200.000 Menschen links-liberaler Prägung erhofften sich eine Art Europäisierung der USA durch die Wahl Barack Obamas.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Obama in Europa über 80 Prozent Zustimmung. Präsident wäre er wie von selbst geworden. Die deutschen Medien waren von der Wahl Obamas verzückt. Die ZEIT etwa titelte: "Das neue Amerika". Alles sollte jetzt anders werden.

Sich von den Ketten der Bush-Regierung zu befreien, zeigte sich im weiteren Verlauf weit schwieriger als gedacht. Die Gesundheitsversicherung - despektierlich als "Obamacare" bezeichnet - in die US-Gesellschaft zu etablieren, kostete die Obama-Regierung sehr viel Kraft. Am Ende hing alles an nur einem Richter beim US-amerikanischen Supreme Court in Washington.

Die Gesundheitsversicherung war in ihrer vom US-Kongress zerrupften Version schließlich verfassungsgemäß. Zurück blieb eine gespaltene US-Gesellschaft. Anfang 2011 war Obama geschwächt. Die eigenen Anhänger wandten sich ab, die Gegner steigerten ihre Abneigung zu ihm.

Selbst die Inszenierung im Frühjahr 2011, Osama bin Laden aus dem Situation Room im Weißen Haus gezielt getötet zu haben, gab Barack Obama nur mäßig Auftrieb. 2012 reichte es dennoch zum Wahlsieg über Mitt Romney. Es war die Wahl des kleineren Übels.

Viele eingefleischte Obama-Anhänger erhofften sich in der Wiederwahl nun den Befreiungsschlag. Die zweite Amtszeit sollte alles richten. Wie man heute konstatieren muss, ist der versprochene Wandel endgültig gescheitert. Die Bush-Doktrin von absoluter Sicherheit vor Freiheit setzt Barack Obama mittlerweile unvermindert fort.

Davon zeugt das Überwachungsprogramm PRISM. Das streng geheime NSA-Spähprogramm schuf George W. Bush 2005. Barack Obama verteidigt es 2013. Es scheint fast so, als hätte sich Obama der US-amerikanischen Sicherheitsarchitektur der Bush-Ära einfach gebeugt.

Zugeständnisse an eine liberale Öffentlichkeit bleiben aus. PRISM garantiere eine sichere Terrorabwehr. Ende der Diskussion. Eigentlich steht der Liberalismus, für den auch Obama gestanden hat, vollends zur Disposition, dennoch zeigt er nach außen einfach business as usual.

Möglicherweise sind die zermürbenden Jahre der ersten Amtszeit mit ein Grund dafür, warum Obama all seine Ideale, seine Identität, alles wofür er stand, der vermeintlich unabänderbaren Realität geopfert hat.

Ein Vorbild aus dem Vatikan

Seit geraumer Zeit flüchtet sich Barack Obama in eine Scheinwelt ausgerechnet bei Facebook und Twitter. Schöne Fotos sollen darüber hinwegtäuschen, dass Obama nur einen kleinen Bruchteil seiner Agenda im Ansatz umsetzen konnte. Längst vermarkten sich die Obamas als Stilikonen. Sie sind zu Produkten einer Populärkultur geworden.

Diese Populärkultur wirkt wie eine dauernde Flucht aus der Realität. Gibt es eine Alternative? Obama könnte einen Blick über den großen Teich nach Rom riskieren.

Anfang 2013 trat spektakulär und historisch Benedikt XVI. vom Papstamt zurück - vornehmlich aus gesundheitlichen Gründen. Je mehr sich der Rücktritt jedoch von der Gegenwart in die Geschichtsbücher schiebt, wird klar, dass er auch durch die Vatileaksaffäre und die Skandale um die Vatikan-Bank zermürbt wurde. Dass diese Affären den Rücktritt des Papstes befeuerten.

Benedikts Rücktritt schaffte es, das Ausmaß der vatikanischen Defizite sichtbar zu machen. Und signalisierte, dass der Amtsverzicht auch Negativentwicklungen aufhalten kann.

Wenn klar ist, dass Obama PRISM nicht mehr stoppen kann, dass er auch als US-Präsident nicht die Kraft hat, die Sicherheitsarchitektur nach seinem gusto zu formen, wenn klar ist, dass er die US-amerikanische Gesellschaft nicht mehr an einen Minimalstandard persönlicher Freiheitsrechte heranführen kann, sollte er der Freiheit, von der er in seiner Antrittsrede gesprochen hat, einen letzten Dienst erweisen und zurücktreten.

Ein Vakuum ist zwar immer unheimlich, aber auch die Chance für einen Neuanfang.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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