Ein Säusel-Populismus von rechts

AfD Die AfD rückt aus dem Windschatten an die Fünf-Prozent-Hürde heran. Zieht sie in den Bundestag ein, wären Weimarer Verhältnisse nicht weit und eine linke Mehrheit perdue

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Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) ist in ihrem Element. Sie greift den Bundessprecher der neuen Rechtspartei "Alternative für Deutschland" Bernd Lucke an. Der Süddeutschen Zeitung sagte sie: "Es ist widerlich, wenn Bernd Lucke Zuwanderer als Bodensatz der Gesellschaft bezeichnet. Das ist NPD-Sprech und zeigt, dass die AfD nicht nur rechtsaußen um Stimmen wirbt, sondern auch eine Rechtsaußen-Partei ist."

Wenn die Welt nur so einfach wäre, wie Claudia Roth sie skizziert. Die AfD verfolgt nämlich eine andere viel schlimmere Strategie. Man kann diese Strategie ohne große Mühen als perfide bezeichnen. Sie bietet ihren potentiellen Wählern eine Art säuselnden Rechtspopulismus. Einen Rechtspopulismus, der sich nicht als rechts verstehen wolle, der doch die Interessen der Südeuropäer und überhaupt auch aller Ausländer mit einschließe. Was kann daran rechts gar rechtsextrem sein?

Lucke, langjähriges CDU-Mitglied und im realen Leben VWL-Professor an der Universität Hamburg, sagte auf einer Wahlveranstaltung der AfD in Rheinland-Pfalz: "Es gibt Menschen, die ins Land kommen, ohne Deutsch zu können, überhaupt ohne Bildung. Sie kommen voller Hoffnung und Naivität. Doch wegen ihrer schlechten Voraussetzungen können diese Menschen gar nicht zurechtkommen. Für sie bleibt nur ein Leben in Hartz IV." Dann bildeten sie, sagte Lucke weiter, eine Art sozialen Bodensatz - einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharre. Ein dauerhaftes Leben in Hartz IV aber wäre nicht menschenwürdig. Man solle sie aus Verantwortungsgefühl auch für sie nicht ins Land lassen. Um sie zu schützen.

Dieser Rechtspopulismus tarnt sich als Gesamtinteressenvertretung aller Menschen, der aus Verantwortungsgefühl für die Zuwanderer Zuwanderung von sozialschwachen, bildungsfernen Menschen verhindern muss. Die AfD meine es doch nur gut zum Wohle der Zuwanderer und des deutschen Steuerzahlers.

Damit versucht sich die AfD von rechtsextremen Parteien wie der NPD zu distanzieren, die offen ihre menschenfeindliche Weltbilder zum Markte tragen. Dass die neue Rechtspartei dabei wie ein trojanisches Pferd rechtspopulistische Gedanken in die mediale Öffentlichkeit möglicherweise in den Bundestag führen kann, scheint sie letztlich billigend in Kauf zu nehmen, ja damit sogar kühl zu kalkulieren.

Die AfD ist im Begriff mit ihrem säuselnden Rechtspopulismus salonfähig zu werden.

Und damit nicht genug. Nun steht die AfD mit dieser Strategie auch kurz davor als sechste Fraktion in den Bundestag einzuziehen. Zwar sehen sie die führenden Meinungsforschungsinstitute lediglich bei zwei bis vier Prozent in den Umfragen, aber eine nicht zu kalkulierende Größe, die sich nicht offen zur AfD bekennen will, könnte diese Rechtspartei mühelos in den Bundestag spülen.

Der Geist von Weimar ist wieder da

Der Einzug der AfD ins Parlament würde die Machtarithmetik in Deutschland auf den Kopf stellen. Quasi aus dem Windschatten würden Weimarer Verhältnisse wiederaufleben. Nicht SPD und Grüne wären gefragt, wie sie zusammen mit der Linken eine rechnerische linke Mehrheit in eine veritable Machtoption überführen können, plötzlich gäbe es eine rechnerische rechte Mehrheit aus CDU/CSU, FDP und ebenjener AfD.

Diese rechnerische rechte Mehrheit wird in diesem Wahlkampf kaum bis gar nicht thematisiert. Union und FDP versuchen etwa mit dem Kindertrick, ich halte mir einfach die Hände vor die Augen, dann ist die AfD schon verschwunden, durch den Wahlkampf zu kommen. Eine kritische Auseinandersetzung des schwarz-gelben Lagers mit der AfD? Fehlanzeige.

So könnte am 22. September um 18:00 Uhr die Republik vor einer Zäsur stehen, die medial kaum diskutiert wurde. Eine große Koalition wäre dann die zwingende Folge.

Und der Geist von Weimar würde den Reichstag umwehen.

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Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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