Mollath taugt nicht zum Helden

Justizskandal Gustl Mollath ist ein Opfer bayerischer Gnadenlosigkeit der Gerichte. Ein Vorbild à la Snowden ist er nicht. Die militanten Mollath-Anhänger sollten zur Vernunft kommen

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Berlin-Kreuzberg. Ein Sonntag im Juli 2013, die Sonne brennt. Einige hundert Menschen haben sich auf dem Heinrichplatz im Szenebezirk versammelt. Vor allem Grüne, Piraten und Linke zeigen Flagge. Als Prototyp steht dort der digitale Bohemian um die dreißig, der sich um die digitalen Grundrechte sorgt.

Bevor die #Stopwatchingus-Demonstration sich fortbewegt, ergreifen verschiedene Friedensaktivisten das Wort. Einer beginnt eine Elegie auf seinen scheinbar persönlich bekannten Freund: "Gustl." "Oh Gustl, man hat dich weggesperrt, als du dabei warst einen großen Bankenskandal aufzudecken."

Fast könnte man meinen, Gustl Mollath persönlich hätte die Banken- und Finanzkrise 2007/2008 aufhalten können, wenn nicht eine fiese Verschwörung aus NSA, BND und bayerischer Justiz den Mann aus dem Verkehr gezogen und ihn auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen hätte.

Zugegeben, wir leben in aufegewühlten Zeiten. Der Rechtsstaat, ja die westlichen Werte überhaupt stehen seit den Enthüllungen um Edward Snowden zur Disposition. Dieser Tage werden alle zu Helden, die vermeintlich gegen das herrschende System rebellieren. Dennoch sollten Gustl Mollath und ebenjener Edward Snowden nicht in einem Atemzug genannt werden. Nicht überall, wo ein Individuum gegen Institutionen aufbegehrt sollte das Label "Held" etikettiert werden.

Während der eine bei wachem Verstand alles riskiert, sein Leben in Gefahr gebracht und der Welt ein offenes Geheimnis aufgedeckt hat, ist der andere ein wirrer Mensch, der nachweislich seiner Frau Gewalt angetan hat und dann jedoch in einen Justizskandal als Opfer hineingeraten ist.

Soweit bekannt hat Gustl Mollath versucht durch eine echte oder vorgetäuschte Störung der Geistetätigkeit vor Gericht zu erreichen, für schuldunfähig erklärt zu werden. Er war 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung gegen seine damalige Ehefrau vor dem Amtsgericht Nürnberg angeklagt worden. Er habe ihr gedroht, schließlich Gewalt angetan und bei Gelegenheit über ihre illegalen Praktiken bei ihrem Arbeitgeber, der HypoVereinsbank, erfahren.

Sie habe als Geschäftsmodell forciert, Kunden die Möglichkeit einzuräumen, in der Schweiz ihr Kapital am deutschen Fiskus vorbei zu parken. Die HypoVereinsbank bestätigte später in einem internen Bericht dieses praktizierte Geschäftsmodell.

Mollath brachte seine Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Nürnberg bei. Diese wiederum konnte den Anfangsverdacht nicht bejahen, da Mollaths Vorbringen zu pauschal gewesen sein soll. Überall eine Verschwörung erblicken zu wollen, vernebelt den Blick darauf, wo wirklich Missstände aufzudecken sind.

Dass Mollath nun gut sieben Jahre gegen seinen Willen in einer geschlossenen Psychiatrie gesessen hat, ist ein bayerischer Justizskandal, der ein Schlaglicht auf die unverhältnismäßige Härte bayerischer Gerichte wirft.

Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) kommt in der Mollath-Affäre denkbar schlecht weg. Dennoch kann Mollath deswegen nicht automatisch zum Helden stilisiert werden. Er bleibt allem Anschein nach ein Mann mit wirrem Verstand - auch jetzt nach seiner Entlassung.

Gut möglich, dass er in dem im Herbst beginndenen Wiederaufnahmeverfahren gar für schuldig befunden werden kann oder wiederum in die Psychiatrie eingewiesen werden muss. Solange Mollath keine Gefahr für andere darstellt, sollte er frei bleiben, egal wie es um seinen Geisteszustand schließlich bestellt ist. Jeder hat ein Grundrecht auf Verrücktheit.

Mollath scheint einen so hohen Geltungsdrang und Weltverbesserungssyndrom zu haben, dass er bald in jeder Talkshow auftauchen könnte. Für die Medien ist Mollath ein gefundenes Fressen. Man kann nur in Mollaths eigenen Interesse hoffen, dass er vor den Medien konsequent abgeschirmt wird.

Den verbissenen "Gustl"-Anhängern sei zugerufen: Nur wenn man messerscharf abgrenzt zwischen wirren und mutigen Verhaltensweisen, kann man Richtiges vom Falschen trennen. Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden.

Mollath ist ein Justizopfer der bayerischen Gnadenlosigkeit, der bayerischen Unverhältnismäßigkeit, aber ein Held, nein, das ist er nicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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