Die Farben der freiheitlichen Demokratie

Schwarz – Rot – Gold Die schwarz-rot-goldene Fahne war in der deutschen Geschichte ein durchaus umstrittenes Symbol. Die SPD war mit ihr dennoch stets verbunden. Wie? Das analysiert der Text.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die schwarz-rot-goldene Fahne war zunächst das Flaggensymbol der deutschen Demokraten, die sich beim Hambacher Fest 1832 versammelten, um für Einheit, Freiheit und Volkssouveränität zu demonstrieren. Dass der Landtag Rheinland-Pfalz eine der Fahnen des Hambacher Fests in Ehren hält, zeigt die Traditionslinie, in die sich dieses Land einbindet.

Und auch für die SPD bildet das Hambacher Fest seit ihren Anfängen einen zentralen Bezugspunkt ihrer Programmatik von Freiheit und Demokratie. Es war die SPD, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – zusammen mit anderen Demokraten – die Farben Schwarz-Rot-Gold als Farben der demokratischen Republik durchgesetzt hat. Und sie hat sich bewusst mit den darin symbolisierten Werten von Einheit, Freiheit und Volkssouveränität identifiziert. So gehörte sie zu tragenden Kräften des 1924 gegründeten „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, in dem sich insbesondere Anhänger der Sozialdemokratie, der Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei zum Schutz der von „rechts“ wie „links“ geschmähten und attackierten Weimarer Republik zusammenschlossen.

Demgegenüber verhöhnten die „national-gesinnten“ Gegner der demokratischen Republik die Farben der Nationalflagge als „Schwarz-Rot-Mostrich“ oder „Schwarz-Rot-Senf“. Sie hielten fest an den Farben der Monarchie, an der schwarz-weiß-roten Flagge des Kaiserreichs. Die SPD aber hielt die Fahne der Demokratie hoch, auch als die Zahl der schwarz-weiß-roten Hakenkreuzfahnen zu- und schließlich überhandnahm.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur war es für die Sozialdemokraten wie für die anderen Demokraten der „ersten Stunde“ klar, dass die Farben der neu entstehenden Demokratie nur „Schwarz-Rot-Gold“ sein könnten. Die Bundesrepublik Deutschland knüpft mit der schwarz-rot-goldenen Fahne an die Tradition der freiheitlichen Demokratie seit dem Hambacher Fest an.

Ein wichtiger Träger dieser Tradition ist die deutsche Sozialdemokratie, die auf eine ungebrochene Identifikation mit den Farben von Einigkeit, Recht und Freiheit zurückblicken kann. Die Kette der Belege reicht vom Bekenntnis zu den Farben der Republik in der Weimarer Zeit über das Eintreten für die schwarz-rot-goldene Fahne der Bundesrepublik bis zu Wahlplakaten der jüngeren Vergangenheit, die von diesen Farben geprägt sind.

Symbole sind das eine, politisches Handeln ist das andere.

Es war die Sozialdemokratie, die der Idee der Volkssouveränität in Deutschland zum Durchbruch verholfen hat. Sie war es, die in der Kaiserzeit auf die Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts und auf die Einführung des Wahlrechts für Frauen gedrängt hat. Es ist ihr Verdienst, dass bei der Wahl zur Nationalversammlung im Januar 1919 Männer und Frauen in freier, geheimer und gleicher Wahl abstimmen konnten. Es war die SPD, die sich mit der Weimarer Demokratie als einer parlamentarischen Republik identifizierte, als viele andere sich von ihr abwandten oder sie bekämpften – und schließlich zerstörten. Es waren Sozialdemokraten, die im März 1933 mutig gegen das „Ermächtigungsgesetz“ stimmten, das mit den Stimmen der anderen Parteien die parlamentarische Demokratie abschaffte. Und es waren auch Sozialdemokraten, die im politischen Widerstand gegen die Unterdrückung von Freiheit und Recht kämpften – und die dafür Haft und Tod erlitten. Schließlich gehören Sozialdemokraten zu den Vätern und Müttern des Grundgesetzes, das den Rahmen für Auf- und Ausbau eines demokratischen Sozialstaats bildet. Diesen Rahmen mit Leben zu erfüllen, war und ist Maxime sozialdemokratischer Politik – auf den Punkt gebracht im Versprechen Willy Brandts 1969, „mehr Demokratie wagen“ zu wollen.

Dabei ging und geht es der Sozialdemokratie immer auch darum, die Demokratie nicht nur als Organisationsform des Staatswesens zu begreifen. So leistet sie zum einen mit ihrer Politik einen Beitrag dazu, in einer sich wandelnden Welt die sozialen Voraussetzungen für eine aktive Beteiligung breitester Kreise der Bevölkerung an den politischen Entscheidungen immer wieder aufs Neue zu sichern. Ziel dabei ist stets, die soziale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, die letztlich auch den politischen Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Und zum anderen fördert die Sozialdemokratie eine Demokratisierung zentraler Lebensbereiche, um Menschen an der jeweiligen Meinungs- und Willensbildung zu beteiligen. Volkssouveränität auch abseits der politischen Wahlen zum Ausdruck kommen zu lassen, ist also ein Grundthema sozialdemokratischer Politik. Dabei kann und soll man gewiss über die einzelnen Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele dienen sollen, inhaltlich streiten. Der Vorwurf, den Willen des Souveräns, des Volkes also, zu missachten, ist aber schlichtweg falsch.

Nach dem Demokratieverständnis der Sozialdemokratie müssen Minderheiten jede Chance haben, zu Wort zu kommen – auch die, sich wenige Monate nach einer Landtagswahl als die eigentlichen Vertreter der Volkssouveränität aufzuführen. Doch mit welchem Recht? In Wahrnehmung ihrer Rechte als Volkssouverän haben die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2016 den Landtag neu gewählt. Und weit über 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben sich gegen eine „Alternative“ entschieden, deren Wortführer dennoch behaupten, „die“ berufenen Vertreter „des“ Volkes zu sein. Nun ist gewiss der Schutz der Rechte von Minderheiten ein zentrales Prinzip der parlamentarischen Demokratie. Darüber hinaus sollte jedoch niemand vergessen, dass ein guter Brauch genauso wichtig ist: Als Minderheit die Mehrheitsentscheidungen des Souveräns anzuerkennen.

Und zur Mehrheitsentscheidung zählt auch die allgemeingültige Auffassung deutscher Geschichte. Sie zu akzeptieren und nicht umzudeuten, gebietet sich. Dass die Anhänger der selbst ernannten „Alternative für Deutschland“ die Bedeutung des Hambacher Festes in diesen Tagen für ihre Zwecke missbrauchen, kann die Sozialdemokratie, können alle demokratischen Parteien, deren Wurzeln auf das Jahr 1832 zurückgehen, nicht hinnehmen. Was soll das heißen: „Neues Hambacher Fest“? Eine Veranstaltungseinladung 186 Jahre danach, für den 5. Mai 2018, trägt diesen Namen. Adressiert ist sie an die Anhänger der „Alternative“. Und sie offenbart ganz klar „alternative Fakten". Denn darin liegt der Trugschluss: Das Hambacher Fest und die schwarz-rot-goldene Flagge, sie gehören uns allen, nicht einer kleinen Minderheit und schon gar nicht einer Minderheit von Demokratiefeinden. Das Hambacher Fest ist das Hambacher Fest. Es gibt kein "Neues Hambacher Fest" und kein "Altes Hambacher Fest". Es bleibt stets die Wiege unserer Demokratie. Ein politisches System, zu dem sich die Sozialdemokratie – nicht nur wegen der offensichtlichen Namensverwandtschaft – auf immer verpflichtet hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Stich

Generalsekretär und Landesgeschäftsführer der SPD Rheinland-Pfalz

Daniel Stich

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden