Die „Björn-Höcke-Partei“?

AfD Funktionäre aus dem Westen proben den Aufstand gegen den Wortführer des völkisch-nationalistischen Flügels. Wie der Machtkampf ausgeht, entscheidet sich im Osten
Björn Höcke lässt sich gern wie ein heilsbringender Messias, ein Führer feiern
Björn Höcke lässt sich gern wie ein heilsbringender Messias, ein Führer feiern

Foto: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

Mit einem Aufruf haben sich führende AfD-Funktionäre am Mittwoch gegen den Machtanspruch Björn Höckes in der Partei gestellt. Wieder einmal. Anlass, wohl aber nicht Auslöser war, wie Höcke sich am vergangenen Wochenende in Leinefelde, beim diesjährigen Kyffhäusertreffen des völkisch-nationalistischen „Flügels“ der AfD empfangen und feiern ließ. Wie ein heilsbringender Messias, ein Führer. Die Unterzeichner des Aufrufs werfen Höcke Personenkult, und das Bestreben vor, die gesamte Partei auf sich und seine politische Agenda auszurichten, wobei im Aufruf keine dezidierte Kritik an den politischen Inhalten, die der thüringische AfD-Landeschef vertritt, geübt wird. In gewisser Weise wiederholt sich hier ein Konfliktmodell, das man aus den vergangenen Jahren kennt. Immer wieder versuchten Akteure aus der AfD, die für sich in Anspruch nehmen, im Koordinatensystem der AfD gemässigt zu agieren, den Machtanspruch Höckes und seines rechten Netzwerkes zu begrenzen. Ohne Erfolg. Bernd Lucke, Frauke Petry und die „Alternative Mitte" – sie alle sind daran gescheitert, das Höcke-Lager in die Schranken zu weisen. Das Ergebnis ist bekannt. Die AfD durchläuft seit Jahren einen Radikalisierungsprozess, in dem die nationalkonservative Strömung in der Partei systematisch in die Defensive gezwungen wird.

An der Liste der Unterzeichner des Aufrufs fällt auf, dass die Namen aller wichtigen Funktions- und Mandatsträger der AfD aus Ostdeutschland fehlen. Dies war nicht anders zu erwarten. Im Osten ist die AfD weitgehend „Höcke-Land". Hier hat er seine weit verzweigten Netzwerke. Björn Höcke hat im Osten eine Infrastruktur der Macht aufgebaut, die in den ostdeutschen Landtagsfraktionen ankert, deren Mitglieder mehrheitlich zur Anhängerschaft des „Flügels" zählen. Seinen innerparteilichen Gegnern fehlt im Osten eine solche Machtbasis und eine Agenda, die sich deutlich vom derzeitigen Rechtskurs absetzt. So ringen in der Partei die nationalkonservativen Rechten mit den offen Rechtsradikalen um die Macht in der Partei.

Mehr noch. Die AfD mag im Westen mehr Mitglieder und in absoluten Zahlen und auch mehr Wähler und Wählerinnen haben. Auf gesellschaftliche Reichweite und Akzeptanz aber stößt die Partei im Osten in größerem Umfang als im Westen. Die AfD hat im Osten von den Radikalisierungsschüben der letzten Jahre und von der scharfen Anti-Establishment-Rhetorik des rechten Flügels der Partei profitiert. Die in Ostdeutschland numerisch große Gruppe bisheriger Nicht-Wähler- und Wählerinnen wird durch die Polarisierung der AfD mobilisiert.

Wo Bürgerlichkeit nichts zählt

Die AfD im Osten braucht den Westen nicht. Sie hat im Osten eine eigene Machtbasis und ein stabiles, wenn auch heterogenes Wählermilieu an sich gebunden. Die Ost-AfD funktioniert in einer ostdeutschen politischen Kultur, in der Geländegewinne nicht mit der Bürgerlichkeitsrhetorik eines Jörg Meuthen erzielt werden, sondern mit scharfer Polarisierung gegenüber dem viel gescholtenen „Altparteienkartell". In den ostdeutschen Bundesländern appelliert die AfD permanent an die Erfahrung des Systemumbruchs des Jahres 1989, und sieht sich in der Rolle einer Vorreiterin für einen Systemumbruch. Nicht zufällig wirbt die AfD in Cottbus für eine Veranstaltung unter dem Motto „Vollende die Wende". Dass die inhaltlichen Konturen der gewünschten Vollendung der Wende unscharf gehalten werden, tut nicht nur nichts zur Sache. Es stärkt die AfD, wenn sich jeder selbst ausmalen kann, was ihr Inhalt sein soll.

Diese Rhetorik vom Systemumbruch läuft im Westen dagegen ins Leere. Im Osten trifft sie 30 Jahre nach der Wiedervereinigung den Nerv jener Menschen, die den Eindruck haben, für sie gäbe es keinen Ort politischer und kultureller Repräsentation im vereinigten Deutschland.

Gewiss, die AfD ist nach wie vor eine rechte Sammlungspartei, in der divergierende Strömungen um die Vorherrschaft ringen. Doch die völkisch-nationalistische Strömung des Flügel agiert machtbewusst und lautstark. Ob der „Aufstand gegen Höcke" Erfolg haben wird, wird im Osten entschieden.

David Begrich studierte Theologie und Sozialwissenschaften und arbeitet seit 1998 bei Miteinander e.V. – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg

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