Knittelverse von Uwe Tellkamp bleiben hinter der Komplexität der Welt zurück

Meinung Die beiden Schriftsteller Lukas Rietzschel und Uwe Tellkamp wollen in der Dresdner Frauenkirche über Meinungsfreiheit sprechen. Doch Tellkamp spricht vor allem mit sich selbst – muss er ja auch, wenn er glaubt, nicht gehört zu werden
Uwe Tellkamp sieht die Meinungsfreiheit bedroht
Uwe Tellkamp sieht die Meinungsfreiheit bedroht

Foto: Sebastian Kahnert/picture alliance/dpa

Es war ein Lehrstück über das Paradigma des Dialogs in der Gesellschaft, welches in der vergangenen Woche in der Dresdner Frauenkirche zur Aufführung kam. Im Altarraum zwei Schriftsteller. Der Görlitzer Schriftsteller Lukas Rietzschel und der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp. Das Thema. Die Meinungsfreiheit. Also jenes, worüber seit dem Aufstieg von Pegida in Dresden allerorten gestritten wurde und wird. Ist da nicht schon alles gesagt, von jedem? Offenbar nicht. Die Frauenkirche war gut gefüllt.

Die Moderatorin Alexandra Gerlach vom Deutschlandfunk mühte sich redlich, beide ins Gespräch miteinander zu bringen. Doch Tellkamp antwortete auf jeden Impuls zunächst mit einem Knittelvers. Das ist für einen Schriftsteller legitim, fördert aber nicht den Dialog. Erst auf Bitten der Moderatorin und einer Empathiebekundung Rietzschels legt Tellkamp seine Vers-Kladde zur Seite. Doch es beginnt nicht etwa ein Gespräch. Nein, Tellkamp doziert darüber, wie eng ihm die Meinungsfreiheit inzwischen gezogen sei. So weit, so bekannt.

Gibt es mit Uwe Tellkamp noch etwas zu besprechen, was noch nicht gesagt wurde? Der Mann spricht an diesem Abend vor allem mit sich selbst. Und wo er in der Dresdner Frauenkirche einmal aufmerkt, von seinem Reim, den er sich auf diese Zeit macht, so spricht er zu Lukas Rietzschel, wie zu einem unverständigen Kind, das nichts wüsste, vom wahren Gang der Welt.

Indem Uwe Tellkamp, der mit dem Skalpell der Sprache durchaus chirurgisch umzugehen weiß, sich den Knittelvers zur Form des Abends wählt, will er sich den Leuten in der Frauenkirche als der Tribun des kleinen Mannes anbieten, der den mächtigen Meinungsmachern die Leviten liest. Allein, seine Verse bleiben hinter der Komplexität der Welt und Fähigkeit dieses Mannes zurück, mit dem Wort zu wirken.

Uwe Tellkamp fühlt sich unerhört

Es scheint den Abend lang so, dass Uwe Tellkamp nicht mehr erreichbar für Einsprüche sei, die ihn dazu brächten, die Realität nach Ambivalenzen abzuklopfen. Nichts von dem, was er in der Frauenkirche vortrug, war neu. Seine Argumentation erinnerte an jenen Abend des Jahres 2017 zu Dresden, da er im Kulturpalast der Stadt mit dem Schriftsteller Durs Grünbein auf dem Podium saß und vortrug, seine Freiheit zu Meinen und gehört zu werden sei bedroht.

Und das, obwohl der Mann jene Öffentlichkeit hat, die sich aus einer marginalisierten Position Schreibende erträumen: Er ist Suhrkamp-Autor. Es gibt über ihn und sein Werk eine Fernseh-Dokumentation, die in 3sat lief. Seine Texte werden kontrovers und mit großer Reichweite diskutiert. Und doch. Er wird, sagt er, nicht gehört.

Lukas Rietzschel baut Uwe Tellkamp an diesem Abend viele argumentative und rhetorische Brücken, nicht in jener Apodiktik zu verharren, mit der er in den letzten Jahren hervortrat. Es nützt nichts. Tellkamp ist entschlossen, bei jener Rhetorik zu bleiben, die im Buchhaus Loschwitz und in Schnellroda zur Beschreibung der Lage im Land gewählt wird.

Es gab an diesem Abend in Dresden akustische Verständigungsprobleme mit den Mikrofonen in der Frauenkirche. So ist das, wenn einer nur noch dem Klang der eigenen Stimme nachgehen mag. Ein unerhörter Abend in Dresden.

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