Uwe Steimle: Ostalgiker auf Abwegen

Rechtsdrift Wo der Kabarettist Uwe Steimle früher Witz mit ostdeutscher Folklore garnierte, sind heute nationalistische und verschwörungsideologische Töne nicht mehr zu überhören
Bei einer „Querdenken“-Kundgebung im thüringischen Schmalkalden trat Uwe Steimle als Erich Honecker auf
Bei einer „Querdenken“-Kundgebung im thüringischen Schmalkalden trat Uwe Steimle als Erich Honecker auf

Foto: Imago / Karina Hessland

Der Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle, bekannt aus zahlreichen Fernsehsendungen und Filmen, wandelt seit längerem auf Pfaden nach rechts. Seine Figuren ästhetisierten von jeher sächsische Folklore und Witz, worin Heimattümlei und stumpfer Sachsenstolz schon mitschwangen, als Steimle noch im MDR lief. Doch inzwischen sind die nationalistischen Töne nicht mehr zu überhören.

Seit seiner Kündigung durch den MDR probierte Steimle verschiedene eigene Formate im Internet aus. Sein gegenwärtiger Vlog heißt „Aktuelle Kamera“, benannt nach der Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens. In diesem mixt er kulturelle Referenzen auf die DDR mit der Kommentierung des aktuellen politischen Geschehens im Land. Ein Hauptgegner: Angela Merkel. In seinem „Aktuelle Kamera“-Vlog auf YouTube lässt Steimle unter anderem Kunstfiguren als Akteure des DDR-Kinderfernsehens auftreten, denen er wiederum politische Botschaften zuordnet. Selbst der ehemalige DDR-Nachrichtensprecher Klaus Feldmann bekommt einen Auftritt. Subtext: Die „Aktuelle Kamera“ des DDR-Fernsehens sei gemessen an der „Tagesschau“ eine seriöse Nachrichtensendung gewesen.

Die rhetorischen Figuren und inhaltlichen Bezüge, die Steimle verwendet, amagalmieren eine spezifische Form kultureller Ostalgie mit rechten Ideologieelementen und treten im Gewand einer Kritik an der sogenannten „Political Correctness“ auf.

In gewissem Sinne paraphrasiert Steimle die Praxis der Sendung „Schwarzer Kanal“ von Karl Eduard von Schnitzler im Fernsehen der DDR, wenn er aus der „Sächsischen Zeitung“ zitiert und deren Inhalte sodann in seinem ideologischen Raster interpretiert, zuspitzt und verzerrt.

Die DDR als heile Welt

In seinen Sketchen erscheint die DDR als eine heile Welt, deren Werteordnung – abzüglich ideologischer Spitzen – vorbildhaft in Fragen der Bildung und der Werteordnung gewesen sei. Bei Steimle feiert die Figur des DDR-Autoritarismus schlechthin in Gestalt des ABV (Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei) ihre Auferstehung und tritt als gutmütiger Ratgeber dessen auf, was Steimle als praktische Vernunft und Alltagsverstand der kleinen Leute ausmacht.

Mit Liedern, Texten und rhetorischen Assoziationen spielt Steimle auf der Klaviatur der kollektiven kulturellen Erinnerung seines ostdeutschen bzw. sächsischen Publikums der mittleren Generation. Dafür bedient er sich jener Stilmittel des DDR-Kabaretts, welches darin bestand, in Andeutungen, in der Ironisierung, in der rhetorischen Parabel auszudrücken, was öffentlich tabuisiert war. In dieser Weise parallelisiert Steimle die politische Gegenwart der Bundesrepublik mit jener in der damaligen DDR.

Adressiert sind seine Auftritte an die Generation der sprichwörtlichen „gelernten DDR-Bürger“, die in der DDR sozialisiert wurden und aufgrund ihrer Erfahrungen im Unterschied zu den Westdeutschen in der Lage seien, die angeblich wahren Mechanismen in Politik und Gesellschaft zu durchschauen.

Steimles Mitwirkung an einer Coverversion des DDR-Pionierliedes „Unsere Heimat“ von Sacha Korn, beworben von „EinProzent“, passt in das Bild der national aufgeladenen DDR-Nostalgie. Seit Ende vergangenen Jahres versucht das rechte Kampagnennetzwerk „EinProzent“, das Pionierlied als „Patriotische Hymne“ wiederzubeleben. Textlich ist dieses Lied dafür geeignet, da es keine genuinen Inhalte des politischen Kanons der DDR wiedergibt, sondern sich lediglich in Naturromantik und der Beschwörung des Volkes ergeht.

Appell an eine moralisch übersichtliche, aber reaktionäre ostdeutsche Erinnerungsgemeinschaft

Derweil funktioniert Steimles Auftritt bei einer „Querdenken“-Kundgebung im Mai diesen Jahres im thüringischen Schmalkalden in der Rolle des Erich Honecker auf drei Ebenen: auf der kabarettistischen Inszenierung des in die Jetztzeit versetzen Erich Honecker, dessen Parodie die Leute zum Lachen bringt, auf der Ebene des scheinbar satirischen Systemvergleichs mit der DDR, und auf der Ebene einer zugänglicheren Wahrheit, die er ironisch belehrend unter das Volk bringt.

Steimle öffnet mit seinen Inhalten einen ostdeutschen Erinnerungsraum nach rechts, grenzt sich aber vom offenen Rechtsextremismus ab. Seine Inhalte transportieren Elemente verschwörungsideologischer und nationalistischer Ideologie und appellieren an eine moralisch übersichtliche, gleichwohl reaktionäre ostdeutsche Erinnerungsgemeinschaft. Steimle ist gerade dort nach rechts außen anschlussfähig, wo er nicht nur in deren Medien präsent ist, sondern inhaltliche Brücken schlägt, in dem er Begriffe und Assoziationen verwendet, die in der extremen Rechten verankert sind.

Im Interview mit dem rechten Magazin „Compact“ verortet sich Steimle zwar als „links“ – um dann jedoch im Anschluss klassische rechte Topoi zu bedienen. Dies nur als politische Finte abzutun, greift zu kurz. Schließlich wurde Steimle mal von der LINKE als Wahlmann in die Bundesversammlung entsandt. Einige seiner Einlassungen zur sekundären moralischen Ordnung der DDR standen dem linksnationalistischen Flügel der alten PDS ins Gesicht geschrieben, als sie noch von ehemaligen Funktionsträgern der DDR kulturell und politisch dominiert wurde.

Im kulturellen Feld ist Steimle ein Akteur von nicht zu unterschätzender Bekanntheit sowie Reichweite im Milieu des reaktionären ostdeutschen Kleinbürgertums im Dreieck zwischen AfD, PEGIDA und regionalen rechten Wutbürgergruppen. Seine Parteinahme für den CDU-Kandidaten Hans Georg Maaßen dürfte nur eine Durchgangsstation für seine weitere Wanderung nach rechts sein.

David Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V.

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