Hilferuf einer Helferin

Flüchtlinge Eine Hamburger Flüchtlingshelferin postet einen Hilferuf: Der Einsatz bringt die Ehrenamtlichen an ihre Grenzen. Der Senat hat bisher versagt.

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Emmas Hilferuf bei Youtube: https://youtu.be/qTaGcTn5yHQ

Zunächst versteckt sie sich, A4-Seiten vors Gesicht haltend. "HILFE" steht auf der ersten. "WIR - BRAUCHEN - HELFER", auf den nächsten. "BITTE". Dann erst sieht die Frau den Zuschauer unsicher an. Sie hat die zerzausten Haare zu einem hastigen Dutt zusammengesteckt. Immer nur kurz blickt sie mit unterlaufenen Augen in die Kamera, gleich weichen sie ihr wieder aus. Emma, wie sie sich vorstellt, entschuldigt sich für ihre ungelenke Ausdrucksweise - denn durch die wochenlange Belastung ist ihre Kraft am Ende. In ihr verschüchtertes Lächeln ist Verzweiflung gemischt - der große Auftritt ist nicht ihre Art, doch sie sieht sich dazu gezwungen. Weil die allgemeine Begeisterung der Willkommenskultur von vor einigen Wochen verflogen ist. Weil sie mit wenigen anderen Helfer_innen aber immer weiteren Neuankömmlingen allein gelassen wurde. Weil Hilfe nicht einmal in Sicht ist. Seit September hilft Emma am Hamburger Hauptbahnhof den Andrang von Asylsuchenden zu bewältigen. Jetzt, nervlich am Ende, sieht sie sich zu diesem Video gezwungen: Sie weiß keinen anderen Weg mehr, um um Unterstützung zu bitten.

Die Bundesregierung will den längst angelaufenen Bundeswehreinsatz auf Dauer beschließen und so insgesamt 18.000 Soldat_innen zur Entlastung der Helfer_innen einsetzen. Währenddessen hält sich der Hamburger Senat zurück und hat die Ehrenamtlichen nicht einmal zentral registriert. So sei die Kommune gar nicht in der Lage, notwendige Strukturen zu schaffen. "Es geht darum, dass hier Tausende Menschen Aufgaben übernehmen, vor denen der Senat sich drückt", sagte die Co-Vorsitzende der Linke-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft Cansu Özdemir gegenüber der Welt. Sie hatte die Asylbewerber betreffend eine Schriftliche Kleine Anfrage an den Senat eingereicht.

Emma ist derweil Koordinatorin am Hamburger Hauptbahnhof. Und sie kann einfach nicht mehr. Doch wenn sie geht, ist die einzige andere Koordinatorin auf sich allein gestellt. Es fehle ihnen überall an helfenden Händen: Es fehle an Helfer_innen, um Kleidung zu verteilen. Helfer_innen, um Essen auszugeben. Um Neuen ihre Schlafplätze zuzuweisen. An dringend notwendiger medizinischer Versorgung. "Es kann und darf nicht sein, dass sich nachts zwei Leute um 500 ankommende Flüchtlinge kümmern müssen.", sagt sie. Kurzum: Der Hauptbahnhof versinke im Chaos.

Vor einigen Wochen gingen Bilder der hilfsbereiten Deutschen um die Welt und verbreiteten das Image einer menschlichen Nation. Heute scheint statt Willkommensparty, unentschiedene Katerstimmung zu herrschen. 71 Prozent der Deutschen befürworten laut Deutschlandtrend den CSU-Vorschlag nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. 44 Prozent sehen durch Zuwanderung eher Nachteile. Erschreckend ist die Reaktion auf Emmas Youtube-Video: Von 53.289 Views am Freitagmorgen hatten 256 den Beitrag mit "Mag ich" markiert, aber 665 mit "Mag ich nicht". Der rechtsextreme Blog Netzplanet verspottet Emma und ihr aufopferungsvolles Engagement derweil als eine "kindlich-naive Gutmenschin", die als "Unterstützerin der illegalen Masseninvasion" um Hilfe bettele und daher "kein Mitleid" verdiene.

Emma scheint sich zum Ende des Videos ein wenig Last von der Seele gesprochen und wieder Hoffnung geschöpft zu haben. Jeden Tag erreichen hunderte Hilfesuchende allein Hamburg. "Kommt, packt an, bringt positive Energien mit!", lädt sie ihr Publikum ein.

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Geschrieben von

David Danys

Pfarrers Kind und Müllers Vieh, // Gedeihen selten oder nie.

David Danys

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