Zur neuentflammten Richtungsdiskussion

Linkspartei In der Linkspartei ist erneut ein Streit zwischen Fraktions- und Parteiführung ausgebrochen. Wie berechtigt sind die Forderungen nach einer neuen Richtungsdiskussion?

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Ein trügerisches Bild der Eintracht. Zwischen Fraktions- und Parteiführung hat es ordentlich gekracht
Ein trügerisches Bild der Eintracht. Zwischen Fraktions- und Parteiführung hat es ordentlich gekracht

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Während der Fraktionsklausur der Linkspartei im Deutschen Bundestag am 17. und 18. Oktober kam es fast zum Eklat. Die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger versuchten die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu entmachten und selbst mehr Einfluss auf die Linksfraktion zu gewinnen. Wagenknecht warf ihren Kontrahenten vor, von ihnen als Störfaktor auf einem SPD-freundlichen Kurs wahrgenommen zu werden. Die beliebte Spitzenkandidatin drohte mit Rückzug. Ihre Rivalen beanstanden im Gegenzug, Wagenknecht verhielte sich im Bundestag nicht gemäß den Fraktionsbeschlüssen. Eine Unterschriftenaktion, verantwortet von der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen, sammelte bis Ende des ersten Klausurtages über 5000 Stimmen von Parteimitgliedern und Sympathisanten als starkes Zeichen für Wagenknecht und Bartsch. Nach stundenlangem Schlagabtausch einigte man sich schließlich auf einen faden Kompromiss, der den beiden Parteivorsitzenden ein erweitertes Rederecht im Parlament einräumt.

Vordergründig gelten die Positionen Wagenknechts in der Migrationsfrage als Causa der alten und neuen Auseinandersetzungen. Doch auch die Vorschläge vonseiten des Parteivorsitzendenduos fordern mitnichten sofortige "Open Borders", sondern beinhalten als Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht zunächst deutliche Erwartungen gegenüber Zuwanderern. In Form von "sozialen Ankerpunkten", etwa dem Nachweis gesellschaftlichen Engagements, betonte Kipping im Interview zwei Tage später. Der Streit um die politische Ausrichtung der LINKE ist gerade erst entbrannt.

Ich halte Sahra Wagenknechts und Oskar Lafontaines Analyse des Problems für richtig, ihre Schlussfolgerungen für die praktische Politik jedoch für falsch oder zumindest noch nicht ausgereift. Daher sehe ich ihren Wunsch nach einer neuen Diskussion für gerechtfertigt und notwendig.

Fremdenhass ist nicht nur durch einen ideologischen Rassismus zu erklären, sondern in Zeiten wohlfahrtsstaatlichen Abbaus auch durch die Wahrnehmung von Zuwanderern als Konkurrenz auf dem Arbeits-, Wohnungsmarkt und um Sozialleistungen. Als argumentative Stütze ziehe ich gerne die Reaktionen hinzu, die es in Westdeutschland auf Migranten aus der DDR gab - bis hin zu brennenden Flüchtlingsheimen. Hier kann überhaupt nicht mehr von rassistischen, kulturellen oder religiösen Ursachen für den Hass und die Übergriffe gesprochen werden.

Das soll nicht bedeuten, dass nicht gleichzeitig auch massiv gegen Rassismus vorgegangen und anti-rassistische Aufklärung betrieben werden muss. Nicht zuletzt findet die AfD hier mit plumpen Phrasen, Plattitüden und Pauschalisierungen Anknüpfpunkte für ihre Wählerwerbung und kann, hat sie den in zahlreichen Bevölkerungskreisen noch immer verbreiteten "Stammtisch-" oder "Vulgärrassismus" bei ihren Sympathisanten erst einmal ideologisch radikalisiert und systematisiert, diese dauerhaft an sich binden.

Richtig finde ich bei Wagenknechts und Lafontaines Analyse, dass sich die Linkspartei wieder massiv ihrem eigentlichen Klientel, den proletarischen und prekären Klassen zuwenden muss - sie kann sich nicht lediglich als "neue Grüne" auf ein urbanes, akademisches Milieu beschränken. Wer, wenn nicht die Linkspartei, soll die Soziale Frage für die ausgebeuteten und arbeitslosen Bevölkerungsgruppen aufwerfen? Wer, wenn nicht die Linkspartei, soll ihnen gleichzeitig vermitteln und erklären, dass es das System Kapitalismus allgemein ist, teils die identischen Unternehmen, die anderorts Krieg, Armut und Flucht verursachen wie hierzulande die Zunahme von Ausbeutung und Sozialabbau?

Richtig finde ich, dass sich DIE LINKE der Realpolitik zuwenden muss, was derzeit vor allem den Erhalt und die Sicherung des bestehenden Asylrechts bedeutet, welches immer weiter massiv eingeschränkt wird. Die Partei ist als Opposition nicht in der Position, die Flüchtlingspolitik aktiv zu gestalten. Sie kann und muss aber in Zeiten wie diesen massiv darauf aufmerksam machen, dass Asyl- und Menschenrechte in der Europäischen Union eingeschränkt und unterwandert werden. Dass vor Griechenland, in Serbien oder Ungarn konzentrationslagerähnliche Flüchtlingsgefängnisse errichtet werden, in denen Hunger, Kälte und Krankheit herrschen. Dass auf EU-Wunsch und mit deutschen Steuergeldern bezahlt wärmebildsuchende Roboterkanonen an der türkisch-syrischen Grenze aufgestellt wurden, die Männer, Frauen und Kinder zielgenau und erbarmungslos ermorden. Dass in Afrika Warlords als Grenzschützer im Hinterland von der EU für Mord und Vergewaltigung bezahlt werden.

Als vorderdringlichste Aufgabe der Linkspartei sehe ich, sich wieder massiv und aktiv um ihr eigentliches, ureigenstes Klientel zu kümmern. Die berechtigten Ängste und Nöte betreffend Arbeit, Wohnraum, Schulpolitik und Sozialabbau. Ihm gleichzeitig zu vermitteln, dass der Flüchtling nicht sein Feind ist, sondern sein Verbündeter im gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus. Das ist meines Erachtens das beste Mittel im Kampf gegen Rassismus und die Rattenfänger von rechts außen.

Sowie die Verteidigung des Asylrechts für von Krieg und Gewalt Verfolgte, für von Hunger und Armut Bedrohte. Darauf aufmerksam zu machen, wie es von der BRD, von EU und Frontex mit ihren Helfershelfern in der Türkei oder im afrikanischen Hinterland beschnitten wird. Wie Schutzsuchende nicht nur dem Elend überlassen, sondern aktiv, brutal und mörderisch bekämpft werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

David Danys

Pfarrers Kind und Müllers Vieh, // Gedeihen selten oder nie.

David Danys

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