Danke, Jon Stewart!

The Daily Show Eine Ikone der politischen Satire verlässt die Bühne. Zeit sich zu verabschieden. Eine Hommage

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Ganze 16 Jahre lang besetzte Jon Stewart Abend für Abend den Schreibtisch der Nation. Anfangs als raffinierter Clown, mit den Jahren gar als humorvoller Aufklärer einer ganzen Generation. Denn im Zuge der Attentate von 2001 war es sein neuer Kurs, der die Zuschauerzahlen der Daily Show um das Vierhundertfache wachsen ließ, die Sendung zum Flaggschiff der politischen Satire wandelte und für viele junge Menschen zur Nachrichtenquelle Nummer Eins aufstieg. In hunderttausenden Haushalten gilt "Was sagt Jon Stewart dazu?" seit dem zum festen Vokabular.

Denn Stewart zählt nicht nur zu den bekanntesten Gesichtern der Fernsehwelt, sondern nimmt stets einen der Spitzenplätze der vertrauenswürdigsten Journalist*innen der Staaten ein. Dank ihm wurde aus der Daily Show mutiger und lustiger Qualitätsjournalismus, der sich klar von den Massenmedien abgrenzt, um sich letztendlich an ihnen und den Verfehlungen der Gesellschaft abzuarbeiten. Entstanden ist dabei ein endloser Ritt gegen die Verblödungsindustrie aus Fox News, multinationalen Konzernen und unterwürfigem Fast-Food-Journalismus. Ein kontinuierlicher Versuch mit hintergründigem Humor politikferne Schichten aufzuklären, der sich bald als Exportschlager wie in Form der Heute-Show und 18 Emmypreisen entpuppte. Denn heute ist die Dailyshow mit ihrem stetigen Wechselspiel aus Spaß und Ernst kein Late Night Talk wie jeder andere, viel mehr übernimmt sie eine zentrale Funktion innerhalb der politischen Kultur.

Keine Partei und keine Medienanstalt bleibt vor den Satirikern bei Comedy Central verschont. Gemeinsam mit den berühmt gewordenen Korrespondenten Stephen Colbert und John Oliver, die mittlerweile ihre eigenen Sendungen füllen, perfektionierte Jon Stewart die Kombination aus Sketch und bitterer Realität. Mit entlarvenden Interviews, dem Auseinandernehmen politischer Reden und stets vorbildlich recherchierten Berichten ist die Sendung gar zu einem Gegenspieler des Tea-Party-Populismus erwachsen. Niemand bezieht deutlicher Stellung gegen Rassismus, Lobbyismus und die Kriegsindustrie. Unvergessen sind die Auftritte von Barack Obama und Malala Yousafzai oder die bewegenden Statements zu Charlie Ebdo und dem Boston-Attentat.

Sie bewegen, weil Stewart so authentisch ist. In fast jeder seiner Sendungen tritt sein geheimer Wunsch nach einem anderen Amerika hervor. Einer von vielen Gründen, weshalb eine beachtliche Zahl der Amerikaner*innen sich Jon Stewart als Präsidentschaftskandidaten wünschen würde. Doch anstatt seine Ideale im Alltagsbetrieb von Washington über Bord zu werfen, hat er mit seiner besonderen Art der politischen Satire ein Gesicht gegeben. Dass jenes ausgerechnet jetzt von der Bildfläche verschwindet, ist tragisch und hinterlässt eine große Lücke.

Eine, die ab dem 28. September der relativ unbekannte Comedian Trevor Noah füllen möchte. Bei diesem Schritt in Stewarts Fußstapfen kann man dem südafrikanischen Youngster nur Glück wünschen. Denn kaum ein Fleck auf dieser Erde hat eine solche linksliberale Satireshow nötiger als die Vereinigten Staaten. Das Land, in dem ein gewisser Donald Trump laut Umfragen als aussichtsreicher Kandidat für das Präsidentenamt gilt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

David Gutensohn

Wurde an der Deutschen Journalistenschule ausgebildet und war freier Autor u.a. für Der Freitag. Heute arbeitet er als Redakteur bei ZEIT ONLINE

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