Spitzelstaat Österreich

Staatsschutzgesetz Während hier über die Vorratsdatenspeicherung und den Geheimdienstskandal debattiert wird, entwickelt sich der kleine Nachbar Österreich in einen Überwachungsstaat

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Mit wehenden Fahnen?
Mit wehenden Fahnen?

Bild: ALEXANDER KLEIN/AFP/Getty Images

Während hierzulande der Skandal des Bundesnachrichtendienstes seine Kreise zieht, ein Untersuchungsausschuss wütet und die Einführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung droht, wird im kleinen Nachbarstaat Österreich die Überwachungsmaschine auf ein neues Level gehoben. Dort arbeitet die Regierung aus SPÖ und ÖVP am sogenannten Staatsschutzgesetz. Dieses soll einen neuen Geheimdienst schaffen, der unbeschränkt und verdachtsunabhängig alle Bürger überwachen kann - ganz ohne Richter oder Staatsanwalt, wie netzpolitik.org berichtet.

Somit kann die Behörde in Zukunft auf Daten von allen Behörden und Firmen zugreifen, um potenzielle Gefahren abzuwenden, oder auch nur um die"Wahrscheinlichkeit" der Straffälligkeit von Personen zu bewerten. Nach welchen Kriterien das geschehen soll, ist bewusst unklar definiert, wie Kritiker dem Gesetzgeber vorwerfen. Sie fürchten, dass diese Überwachungsmechanismen längst nicht mehr "nur" der Terrorbekämpfung, sondern ebenso zur Kontrolle von Whistleblowern, Demonstranten und Aktivisten dienen sollen. Denn mit einem Sammelsorium aus unklaren Rechtsbegriffen und hunderten potenziellen Straftaten werden dann demnächst alle BürgerInnen des Landes unter Generalverdacht stehen.

Dass die gesammelten Daten dabei anlasslos fünf Jahre lang gespeichert werden, während die Spuren der Zugriffe der Beamten schon nach drei Jahren verfallen, treibt das ganze auf die Spitze. Und im gleichen Atemzug, als hätte man jenseits der Alpen von NSA und NSU noch nichts gehört, setzt die Regierung zusätzlich die Vertrauenspersonenevidenz um. Kurz gesagt: Eben jenes V-Mann-Konzept, das im Nachbarland so kläglich scheiterte und kürzlich von der ersten Landesregierung wieder abgeschafft wurde.

In Österreich ticken die Uhren eben anders. Dort wird das Überwachungsgesetz ohne große Debatte im Eiltempo noch vor der Sommerpause beschlossen, damit es Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten kann.

Vergleicht man dieses Vorhaben mit dem unserer Vorratsdatenspeicherung, könnte man letztere fast schon gelassen betrachten. Zumindest solange man sich nicht bewusst macht, dass der kleine Nachbar gerne mal als Vorbild und zur Legitimation neuer Reformen dient. Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

David Gutensohn

Wurde an der Deutschen Journalistenschule ausgebildet und war freier Autor u.a. für Der Freitag. Heute arbeitet er als Redakteur bei ZEIT ONLINE

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