Ist noch Platz im Elektrosmart?

Kommentar Der neue Hype um die Elektromobilität ist schon alt - und doch stehen wir vor einer Zeitenwende

Vor ein paar Jahren hieß die Sau, die durchs große Dorf getrieben wurde, Biokraftstoff. Rapsöl statt Diesel und Bioethanol statt Benzin. Dann war Hybrid das Neuste. Jetzt soll es wieder mal der reinelektrische Antrieb sein, der uns die Automobilität erhalten und gleichzeitig das Weltklima retten soll. Hatten wir das nicht auch schon mal? Als das Benzin das letzte Mal sehr teuer war, bevor der Rohölpreis wieder sank? Tatsächlich, es gibt Elektroautos. Seit über hundert Jahren. Man kann sie sogar kaufen. Den recht neuen, feuilletonberühmten Sportwagen Tesla zum Beispiel. Ist leider etwas teuer: kostet über hunderttausend Euro.

Es gibt Stimmen, die vorhersagen, dass es bis zum Jahr 2030 keine Neu-fahrzeuge ohne Elektroantrieb mehr geben wird. Der schlaue Investor Warren Buffett hat diese Stimmen schon vor einiger Zeit gehört und seine Berkshire Hathaway zum Großaktionär der chinesischen BYD gemacht. BYD steht für Build Your Dreams und war ursprünglich ein Batteriehersteller. Nun baut er Autos. Das ist die Zukunft. Vielleicht. So genau weiß man das ja nie. Auch Carlos Ghosn, CEO von Renault-Nissan, hat die Stimmen schon vor einiger Zeit gehört. Deshalb kann Renault ab nächstes Jahr den Fluence Z.E. ausliefern, die erste serienmäßige Stufenhecklimousine mit reinem Elektroantrieb. Großer Vorteil: Dieser Wagen kann neben dem Fahrer und den Batterien auch noch eine Familie transportieren. Nicht erschweren wird den Absatz, dass es in Atomstromfrankreich eine Kaufprämie von 5.000 Euro pro Elektroautos geben wird.

Zaha Hadid

Franzosen, Chinesen, Japaner, ja sogar Amerikaner (GM hat den Chevrolet Volt) sind der deutschen Autoindustrie (Diesel, Diesel) davongefahren. Also, kein Vorsprung durch Technik mehr hierzulande. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Eine „nationale Plattform Elektromobilität“ soll nun dafür sorgen, dass Deutschland wieder dabei ist. Es wird wohl noch lange dauern, bis Hersteller mit einem E-Mobil Geld verdienen werden. Außerdem bleibt die Frage, woher der Strom, den die neuen Autos fressen wollen, kommen soll. Aus neuen Kohlekraftwerken? Aus alten, laufzeitverlängerten Atomkraftwerken? Oder wird man vielleicht nur noch tanken können, wenn es stark genug weht und sich deshalb alle Windkraftanlagen drehen?

Nicht nur der anstehende Technologiewechsel, auch der spürbare Bedeutungsverlust des Autos fordern die deutsche Automobilindustrie. Bleibt das Auto überhaupt das zentrale Totem unserer Kultur? Sind Mobiltelefone nicht längst viel wichtiger? Ja, es soll nicht wenige junge Männer geben, die sich überhaupt nicht mehr für Autos interessieren. Für die deutsche Autoindustrie ist das gefährlich. All die Opas, die Mercedes fahren, werden eines Tages sterben.

Für Schwanengesänge auf Autos mit Verbrennungsmotoren ist es wahrscheinlich noch zu früh. Dazu reicht ein Blick auf die Straße. Die großen deutschen Automobilkonzerne scheinen allerdings längst zu wissen, dass es mit ihnen und dem Auto, wie wir es kennen, dem Ende entgegengeht. Sonst hätten sie ihm (und sich selbst) nicht so große Museen gebaut. In diesen Museen – Porsche hat sich seinen Schrein noch eben von Zaha Hadid errichten lassen, bevor VW übernahm – sind sie schon heute zu sehen und werden dereinst noch zu bewundern sein: Benzinkutschen, die fossile Brennstoffe verbrennen. Die Besucher werden über sie eines Tages so staunen, wie wir über Dampfmaschinen. Und dann in einem Elektrosmart nach Hause fahren. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

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