Die Religion als 'das Opium des Volkes', diese Aussage von Karl Marx ist heute weitbekannt. Es stammt aus der gepfefferten Einleitung der Schrift 'Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie', geschrieben 1843/1844:
»Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.
...
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
...
Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.
...
Resümieren wir das Resultat:
Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt. In Deutschland ist die Emanzipation von dem Mittelalter nur möglich als die Emanzipation zugleich von den teilweisen Überwindungen des Mittelalters. In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie.
Wenn alle innern Bedingungen erfüllt sind, wird der deutsche Auferstehungstag verkündet werden durch das Schmettern des gallischen Hahns.«
Das Zitierte spricht für sich selber, worum es Karl Marx geht: um Systemkritik.
Ich habe die gesamte Einleitung gelesen, und muss sagen, dass sie mir trotz dem Alter von 167 Jahren erstaunlich aktuell vorkommt. Sogar der gallische Hahn hat geschmettert: 'La Insurrection qui vient' aka 'The Coming Insurrection' aka 'Der kommende Aufstand', das anarchokommunistische Manifest. Siehe auch die Freitags-Artikel 'Ein linkes Manifest als Bestseller', 'Der Aufstand ist da!' und 'Unzensiert lesen'.
Auch im Internet geht es derzeit per WikiLeaks und das Drumherum rund. Siehe die Freitags-Artikel 'Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks', 'Extreme Willkür', 'Die Zeit nach Wikileaks: Whisteblowing wird Mainstream', 'Die Rache der Info-Krieger' u.a. Das Internet ist anarchokommunistisch gestaltet. Es existiert aus dem meist untentgeltlichem Engagement urvieler Menschen und Gruppen, die unabhängig gemeinsam daran und darin arbeiten und wirken, wobei es niemandem und allen gehört.
Der Anarchokommunismus ist offensichtlich wieder auferstanden.
Kommentare 11
Lieber @Red Bavarian,
ich bin ja nun ein absolut unreligiöser Mensch, es hat sich nie ergeben. In meinem Leben habe ich aber des Öfteren großen und nötigen Beistand erfahren von Personen, die sich nicht zuletzt vor religiösem Hintergrund einsetzten. Sei es im beruflichen Umfeld, sei es anderswo, bspw. bei dem Arzt, der vor Jahrzehnten meine Wehrdienstuntauglichkeit feststellte, wofür ich bis heute unendlich dankbar bin.
MfG E.
PS: für eine konsequente Säkularisierung, die aber heute in der FC bereits angemahnt wurde, und die hierzulande nie stattfand, bin ich sicher auch. MfG E.
vielleicht sollte ich das sicher durch ein jedoch ersetzen
Eine Reihe von Gedanken als Antwort und weiterführend:
Ja, Pauschalisieren beim Thema Religion ist nicht zielführend. Karl Marx hat da in seinem Kritik-Eifer das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, was bis heute bei etlichen Linken / Marxisten / Sozialisten / Kommunisten Auswirkungen hat. Andererseits hat sich in den vergangenen rund 30 Jahren weltweit Etliches aufgelockert, versöhnt bzw. kombiniert (Christentum + Sozialismus). Es gibt beispielsweise die Befreiungstheologie, religiöse Sozialisten und in der Partei Die Linke die Arbeitsgemeinschaften 'Christinnen und Christen in und bei der Linken' (offen für Parteimitglieder und Interessierte). Die entsprechende Landesarbeitsgemeinschaft in Bayern wurde heuer in meiner Stadt gegründet. Andererseits wird das Thema Religion unter einigen Linken immer noch kontrovers diskutiert, mit teilweisen Spannungen.
Darüber hinaus lassen sich schmeichlerische Aussagen von Nicht-Linken (versuchtes "Angeln" von religionskritischen Linken) in Bezug auf den grassierenden Antimuslimismus finden a la: "Als Linke müsst ihr doch gegen Religion sein, weil 'Opium des Volkes' / 'Opium fürs Volk'". Dabei enthält der Antimuslimismus sowohl antireligiöse wie auch rassistische Elemente. Letztere umso mehr, je weiter es ins Rechtsextreme geht. Wobei ich denke, dass man Islamophobie und Antimuslimismus definitorisch dahingehend unterscheiden sollte, analog zu Antijudaismus und Antisemitismus, um hervorzuheben, dass Antisemitismus und Antimuslimismus kein rein rechtsextremistisches / neonazistisches Phänomen ist. Dennoch gehen jeweils beide Erscheinungen Hand in Hand.
Zurück zur Religion allgemein: Religion kann das Establishment ("Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist") stützen (die Feudal- und Kirchenmacht im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein), sowie neutral über kritisch (beispielsweise das Urchristentum) bis gegensätzlich zu ihm stehen (beispielsweise die Befreiungstheologie). Ein dogmatisch-fundamentalistisches und verantwortungsloses Religionsverständnis zu kritisieren ist etwas ganz anderes als ein freiheitlich-verantwortungsvolles Religionsverständnis zu kritisieren.
Freiheit plus Verantwortung gehören gerade auch zum evangelischen Christentum und zum Unitarischen Universalismus ("freie und verantwortungsvolle Suche nach Wahrheit und Sinn"). Weder muss man sich erniedrigen, knechten, verachten lassen (Freiheit), noch darf man andere erniedrigen, knechten, verachten (Verantwortung).
Die Position im 1. Programmentwurf Der Linken findet sich dort. Die Formulierung hat das Ziel es gegenseitigen Respekts. Allerdings ist generell der Themenkreis Religion und Politik, Säkularisierung, Laizismus nicht so leicht aufzulösen, wenn man alles bedenkt. Das wegen dem Doppelcharakter einerseits des Glaubens: persönliche Weltanschauung und das Handeln auch in der Öffentlichkeit danach, andererseits der Kirchen: Gottesdienst und soziales Engagement. Wobei zu bedenken ist, dass die verschiedenen Dienste der Kirchen auch Nichtmitgliedern offenstehen. Ich bin auch für Laizismus und Säkularisierung. Dann müsste letztendlich der Staat die sozialen Dienste der Kirchen übernehmen, und alle Steuerzahler (also nicht die Kirchenmitglieder mit der Kirchensteuer) sie finanzieren. Bei Religion und Politik bezweifle ich einigermaßen, ob diese vollständig getrennt werden können. Es schleicht sich wahrscheinlich eher die dogmatisch-fundamentalistische Religion aufgrund ihres vehementen Drucks in die Politik ein als die freiheitlich-verantwortungsvolle Religion, wenn Religion rundum verneint wird.
Ist es nicht mit Islamophobie ein wenig wie mit Homophobie? Es spielt sich auf der Gefühlsebene ab. Und da wird häufig ein Saulus zum Paulus, durch fortschreitendes Lebensalter, Gewinn an Selbstsicherheit oder konsequentes Zuendedenken. Emanzipation im Privaten sozusagen. Sicher auch durch Umschwung im gesellschaftlichen Denken. Schwierig ist das allemal, sowohl gesellschaftlich als auch individuell, manchmal haben Tabus auch durchaus befriedende Wirkung für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Antisemitismus und Antiislamismus spielen sich im ideologischen Bereich ab, werden durch Herrschaft - von Wegsehen bis Aufstacheln - benutzt zu Stellvertreterkriegen, ablenkend von sozialen Ursachen und Machtstrukturen.
Ich lasse mich jetzt gerne korrigieren, aber soweit ich meine, mich zu erinnern, wurde in der DDR die Kirchensteuer nicht durch den Staat erhoben (es hätte ja dann eine Religionszugehörigkeit beim Arbeitgeber vorliegen müssen, was ich einfach mal ausschließe). Dennoch war die Kirche gesellschaftliche Kraft, oft Zuflucht, und hatte ein eigenständiges ökonomisches Dasein. Und betrieb soziale Einrichtungen. Bei der Säkularisierung denke ich an heutige Vielfalt von Religionen (bzw. die Nichtreligiösen) und an diesbezügliche Gleichbehandlung, und denke auch, Religion hat nichts zu suchen in Gerichten, und würde persönlich so weit gehen, mir zu wünschen, daß sie außerhalb der Schule gelehrt wird.
Andererseits war ich in der Frage der Säkularisierung früher gedanklich sicher radikaler; die Bedeutung existierender Traditionen für gesellschaftlichen Zusammenhalt habe ich in der Vergangenheit anders wahrgenommen.
Unterschied zwischen DDR und Bundesrepublik sicher auch, daß Kirche in ersterer nicht staatstragend war (jedenfalls in meinen Augen), in letzterer partiell schon.
ein paar freilaufende Gedanken:
Das Thema „Religion“ ist hier wohl wichtig. Kein anderes Thema kann derart lange Diskussionsstränge erzeugen wie Religionsthemen. Und es zeigt sich auch hier: Man könnte ein Leben lang disputieren und im praktischen Leben keinen Schritt weiter kommen.
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>>Wobei ich denke, dass man Islamophobie und Antimuslimismus definitorisch dahingehend unterscheiden sollte, analog zu Antijudaismus und Antisemitismus, um hervorzuheben, dass Antisemitismus und Antimuslimismus kein rein rechtsextremistisches / neonazistisches Phänomen ist. Dennoch gehen jeweils beide Erscheinungen Hand in Hand.
Ernsthafte Religionskritik kann sich nicht an einer bestimmten Glaubensrichtung festmachen, um gegen andere Richtungen zu agitieren. Also weder antijudaistisch, antisemitistisch, antizionistisch, antislamistisch, oder antichristlich.
Aus der Aufzählung geht schon hervor, dass sie teils auf Streit zwischen Verzweigungen der mosaischen Religion*, teils auf machtpolitischem Kalkül beruhen. Wobei Überschneidungen ja oft gewollt sind.
Der Streit zwischen Abspaltungen aus der „Urreligion“ kann mit einem Bonmot von Robert Gernhart beschrieben werden:
*die schärfsten Kritiker der Elche
waren früher selber welche“
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www.evangelische-akademie.de/admin/projects/akademie/pdf/material/061131_80.pdf
derhonigmannsagt.wordpress.com/2010/04/01/das-demokratiedefizit-interview-mit-noam-chomsky-%E2%80%93-teil-ii/
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>>Religion kann das Establishment ("Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist") stützen (die Feudal- und Kirchenmacht im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein), sowie neutral über kritisch (beispielsweise das Urchristentum) bis gegensätzlich zu ihm stehen (beispielsweise die Befreiungstheologie).
Eben in dieser Ambivalenz sehe ich das grösste Problem an Religionen.
Man kann religiöse Schriften zur Rechtfertigung von Gewalt und Unterdrückung genauso auslegen wie gegen sie.
Damit wird diese Aussage im Programmentwurf der Linken fragwürdig:
„Wir wenden uns gegen jeglichen politischen Missbrauch von Religion.“
Was ist Missbrauch? Wer wird bereit sein, seine spezielle Exegese als Missbrauch deuten zu lassen? Das führt letztlich wider zur Machtfrage.
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„Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“
(Matthäus 6,24)
Man könnte sagen, dass auch diese Frage heute entschieden ist.
Es ist auch hier in diesem Forum schon geschehen, dass ein treuer Diener des Mammons Demut forderte von Jenen, die von der ökonomischen Macht des allgegenwärtigen Gottes Mammon in die Armut gezwungen wurden. Der das forderte, würde sich vermutlich gegen die Bezeichnung Antichrist zur Wehr setzen. Denn ist nicht gerade Demut eine hervorragende christliche Eigenschaft?
Ausserdem impliziert Religion die Sünde. Auch Sünder gegen einen "kapitalistischen Gott Mammon" sind bekannt, wenn auch grundsätzliche Versündigung selten ist.
Genau so kann sich ein Mensch gegen einen Gott der Nächstenliebe versündigen und seine Opfer damit trösten, dass Gott sie wahrscheinlich mehr liebt als ihn. Nicht sein Gott, aber ihrer, wie immer der er heissen mag.
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>>Dann müsste letztendlich der Staat die sozialen Dienste der Kirchen übernehmen, und alle Steuerzahler (also nicht die Kirchenmitglieder mit der Kirchensteuer) sie finanzieren.
Als ich noch Geld hatte, hab ich öfter mal bei Spendensammlungen von Diakonie und Caritas gefragt, ob denn die Einnahmen allen zugute kämen, denn ich gehöre keiner Kirche an. Das wurde zugesichert. Spendenfinanziertes Wohlergehen der Menschen ist ungewiss und fördert die Demut. Das kann man bei den "Tafeln" sehr gut beobachten.
Ein Staat, der sich nach dem Prinzipe: „Jede/r nach seinen/ihren Fähigkeiten, jedem/r nach seinen/ihren Bedürfnissen“ organisiert, muss aber nicht Spenden sammeln. Das heisst, nicht an Menschen die über Bedürfnis haben appellieren, etwas abzugeben, was ja ein Gnadenakt ist ohne rechtlich Sicherung.
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>>Ich lasse mich jetzt gerne korrigieren, aber soweit ich meine, mich zu erinnern, wurde in der DDR die Kirchensteuer nicht durch den Staat erhoben
Nach meiner Information waren Kirchen in der DDR privat organisiert und finanziert.
Diese Information stammt von einem Abgeordneten der Volkskammer. (1980)
Von einem katholischen Priester in der BRD hatte ich die Information, dass es natürlich Christenpflicht sei, die arme Kirche in der DDR zu unterstützen. (60er Jahre)
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Dass Kirchen unterschiedlicher Couleur heute eine Renaissance erleben, wundert mich nicht.
Zum einen ist der kapitalistische Staat schon so weit verarmt, dass er Verarmung seiner Bürger nicht mehr ausgleichen kann, unfähig zur Weiterentwicklung des Bildungswesens ist, dass insolvente Theater wie z.B. in Bremen private Spenden einsammeln müssen… die Aufzählung kann fortgesetzt werden.
Andererseits aufgrund von Strömungen, die wie Thomas Münzer oder davor schon die "Fraticelli" nicht die Herrschaftskirche, sondern eine Volkskirche propagieren. Aber welche Geschmacksrichtung wird immer wieder durchgesetzt, wenns ans Eingemachte geht? Wer kann überhaupt erkennen, was dahinter steckt, wenn irgendeine Glaubensrichtug sich als "neue Volkskirche" darstellt?
www.evangelische-akademie.de/admin/projects/akademie/pdf/material/061131_80.pdf
derhonigmannsagt.wordpress.com/2010/04/01/das-demokratiedefizit-interview-mit-noam-chomsky-%E2%80%93-teil-ii/
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Eine philosophische Basis, die erst mal reale historische Entwicklungen und reale Ist-Zustände untersucht um daraus Gedanken zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu entwickeln scheint mir sicherer als auf die Beliebigkeit von Glaubensgrundsätzen zu bauen.
Natürlich kann man dafür keine „reine Marx-Exegese“ betreiben, denn inzwischen ist ein Jahrhundert vergangen, und wir müssen einbeziehen, was in dieser Zeit ablief.
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Das zeitgemässe "Opium" allerdings, das Menschen vom Nachdenken über die akute Lage abhält, das sehe ich heute nicht primär in der Religion, sondern eher im Fernsehen...
Der allabendlich in allen guten Stuben flimmernde Famlienaltar hat heute mehr Macht über die Menschen als eine sonntägliche Predigt.
Wenn zum Beispiel ein K.T. z. Guttenberg plus dranhängender Guttigattin sich von dieser Institution heilig sprechen lässt, dann hat das sehr viel mehr Breitenwirkung als eine Audienz beim Papst.
Ich stimme Claudia zu. Der Begriff Religion ist schwer irgendwo fest zu machen.
Alles kann eine Religion sein, sofern sie eine Ideologie in sich trägt das Glauben im Kern hat. Mann kann an die Macht des Geldes glauben oder aber auch etwas banalem wie "Hufeisen bringen Glück".
Die meisten Merken gar nicht wie Religiös sie sind. Denn eines haben wir vergessen, die Kritik sowohl an Religionen wie auch an der Gesellschaft.
Seien wir mal ehrlich, wird die vorherrschende Religion in Europa, also das Christentum noch kritisiert? Eigentlich nicht mehr. Man hat sich auf andere gestürzt und dabei sich selbst vergessen.
Kritik ist sehr wichtig, denn durch Kritik werden veränderungen in der Welt zum Rollen gebracht.
Karl Marx hat in dem Sinne schon irgendwo Recht...
@claudia + @Muhabbetci: Sie sprechen interessante Punkte an.
Ich denke, dass sowohl im Kommunismus wie auch im Kapitalismus die spirituelle Dimension der Menschheit, die von den Religionen miteinbezogen wird, unterschätzt wird, während die materielle Dimension beiderseits überbetont wird. Das führt paradoxerweise dazu, dass sich beiderseits quasi-religiöse Elemente manifestiert haben, die jedoch nicht klar erkannt werden, weil die beiden Systeme auf der Oberfläche religionslos erscheinen. Man sieht es heutzutage weiters, dass das spirituelle Vakuum, das durch die mentale Säkularisierung entstanden ist, sowohl wieder durch die klassischen Religionen wie auch durch neue Religionen gefüllt wird. Gleichzeitig ist im heutigen global-brachialkapitalistischen System ein zunehmender Sinn-Verlust festzustellen, der ebenfalls von den Religionen gefüllt wird. Die Kirchen gewinnen nicht nur dadurch an Bedeutung, sondern auch durch den neoliberalen Kahlschlag des demokratischen und sozialen Rechtsstaates zunehmend als sozialorganisatorisch materielle Versorger.
Wenn man heute eine radikale Religions- und Kirchenkritik ansetzt, dann verstärkt man nur noch die durch den globalen Brachialkapitalismus induzierte Sozialdarwinisierung unserer Gesellschaft. Andererseits werden sich die evangelikal-/erzkatholisch-/ultraorthodox-/islamistisch-fundamentalistischen Religionszweige von der stärksten Kritik nicht beeindrucken lassen.
Im Kern hat Karl Marx recht. Die Wurzel ist die Gesellschaft. Die große Frage ist: Wie lässt sich das globale Aggressionskarusell gewaltlos stoppen?
@Red Bavarian
Ich bin auf diesen interessanten Beitrag nur gestoßen, weil Du in meinem Blog auf ihn verlinkt hast.
Ich freue mich immer, wenn ich auf mustergültiges dialektisches Denken und Formulieren stoße, und meine damit nicht nur die Marx-Zitate. :)
Eine Kleinigkeit würde ich gern richtig stellen, vielleicht habe ich sie auch missverstanden:
Dann müsste letztendlich der Staat die sozialen Dienste der Kirchen übernehmen, und alle Steuerzahler (also nicht die Kirchenmitglieder mit der Kirchensteuer) sie finanzieren.
In dieser Formulierung steckt offenbar die Prämisse, dass die Kirchenmitglieder bzw. die Kirchensteuerzahler die sozialen Dienste der Kirche finanzieren. Das ist insoweit ganz sicher nicht der Fall, als dass die Kirchen sich bei diesen sozialen Diensten (Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Hospize, Krankenhäuser, Schuldnerberatung etc. etc.) in den allermeisten Fälle nur wie andere freie Träger auf dem sog. "Dritten Sektor" betätigen, wo der Staat die allermeisten dieser (seiner!) Pflichtaufgaben über bestimmte Sätze refinanziert. Die Last für die Kirchensteuerzahler reduziert sich also auf das Träger-Risiko, und in der Tat bleibt man in diesem Sektor oft auf einem Defizit sitzen, wenn man nicht gerade wie die Treberhilfe in Berlin wirtschaftet (wo alle Großen der Stadt und der Kirche, die später laut aufschrien, von der Villa und dem Maserati von Harrald Weber lange wussten und da Parties mitfeierten).
Alles gute fürs Neue Jahr und mehr solche Beiträge!
LG Christian
Ok, es ist nicht so simpel. Aber laut der EKD-Finanzstatistik sind rund 40% (und damit der größte Posten) des Knapp-10-Milliarden-Budgets Einnahmen aus Kirchensteuer und Gemeindeabgaben. Und so weit ich sehe, ist dieser Posten nicht zweckgebunden, sondern geht im Rahmen des Gesamtbudgets in die verschiedenen Ausgabebereiche ein. Somit stünde ohne die Abgaben eine durchschnittlich rund 40%ige Kürzung an. Und da die Kirche dann wohl ihre kirchgemeinschaftliche Arbeit weniger stark kürzte, müsste der Staat zum Ausgleich der bisherigen gesamtgesellschaftlichen Kirchenarbeit prozentual mehr zuschießen. Sehe ich das alles richtig?
Ich wünsche noch ein Gutes Neues Großrest-Jahr :-)
kurze anmerkung:
selbst diese
"evangelikal-/erzkatholisch-/ultraorthodox-/islamistisch-fundamentalistischen Religionszweige"
enthalten 'systemkritik' und wollen nicht nur aus spaß an der 'ur-xx' einfach in diese zurück