Denglisch - das Deutsch des 21. Jahrhunderts

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Heutzutage gibt es zunehmend Stimmen, die die Flut von Anglizismen in der deutschen Sprache beklagen. Eine solche Veränderung ist aber nichts Ungewöhnliches in unserer heutigen Welt, wo Englisch die Verständigungssprache Nummer eins ist. Historisch gesehen hat jede internationale Sprache, die zu ihrer Zeit in war, die deutsche Sprache mitgeprägt.

Schauen wir also zurück: Die früheste Stufe, wo man in der Sprachwissenschaft von Deutsch spricht, ist das Althochdeutsche von ca. 750 - 1050. Es folgt das Mittelhochdeutsche von ca. 1050 - 1350, das Frühneuhochdeutsche von ca. 1350 - 1650, und schließlich das Neuhochdeutsche von ca. 1650 bis heute. Das Deutsche ging aus dem Germanischen hervor, das wiederum aus dem Indogermanischen bzw. Indoeuropäischen. Ein Wort aus dieser etymologischen Ahnenreihe: Fuß --> mittelhochdeutsch vuoz --> althochdeutsch fuoz --> germanisch fōt- --> indogermanisch pod-.

Ein anderes: Kopf --> mittelhochdeutsch kopf = Trinkgefäß, Hirnschale --> althochdeutsch kopf, kupf = Becher --> germanisch --> lateinisch cūpa, cuppa = Becher. Schon die alten Germanen haben von den Römern Wörter übernommen. Der Zustrom von lateinischen Wörtern ist nie abgerissen, da Lateinisch bis in die Neuzeit hinein die unangefochtene überregionale und internationale Sprache in Europa war, insbesondere die Sprache der christlichen Kirche, der Gelehrten und später auch die der Humanisten. Auch das Altgriechische hat viele Wörter geliefert, wobei schon die alten Römer Wörter aus dem Griechischen übernommen hatten. Die Wissenschaft nimmt bis heute Wörter aus dem lateinischen und altgriechischen Wortschatz auf.

Auch aus etlichen anderen Sprachen bezieht das Deutsche seinen Wortschatz. Beispielsweise Alkohol = ehemals feines Pulver, dann Feines, Subtiles, dann Essenz --> spanisch alcohol = feines Pulver --> arabisch al-kuhl = Antimon, Antimon-Pulver. Oder Pleite --> rotwelsch --> west-jiddisch pleite = Bankrott; fort, weg --> hebräisch pəlētā(h) = Rest, Überbleibsel; Rettung, Entrinnen.

Im 17. Jahrhundert hat sich dann das Französische als internationale Sprache weit verbreitet, was auch im Wortschatz des Deutschen Auswirkungen zeigt. Diese Rolle hat über das 19. Jahrhundert das Englische übernommen.

Im deutschsprachigen Raum gibt es eine zusätzliche Entwicklung: im Mittelalter hat es noch keine deutsche Standardsprache gegeben, sondern einige regionale Sprachen, woraus sich über die Jahrhunderte das heutige Standarddeutsche entwickelt hat, während die ehemaligen Regionalsprachen heute zu den Dialekten bzw. Mundarten im deutschsprachigen Raum geworden sind: die bairischen, die alemannischen, die fränkischen, die mitteldeutschen und die niederdeutschen. Mit dem Sprachwechsel im nördlichen Deutschland vom Niederdeutschen zum Neuhochdeutschen ab dem 16. Jahrhundert (wobei auch die Bibelübersetzung von Martin Luther und deren Verbreitung mit dem Protestantischen eine bedeutsame Rolle gespielt hat), dem endgültigen Durchbruch des Neuhochdeutschen ab dem 17. Jahrhundert, und diesem als das Standarddeutsche ab dem 19. Jahrhundert haben die ehemaligen Regionalsprachen massiv an Bedeutung verloren.

Gleichzeitig haben sich über das 17. Jahrhundert Sprachgesellschaften konstituiert, sie sich der Sprachpflege angenommen haben. Dabei wurde nicht nur das Deutsche als Literatursprache hoffähig gemacht, sondern im Negativen auch gegen die dialektale bzw. regionale Sprache und gegen fremde Wörter im Deutschen gearbeitet. Diese Bestrebungen haben etliche Neuprägungen wie Anschrift für Adresse, Bücherei für Bibliothek, Bittsteller für Supplikant gebracht, die sich durchgesetzt haben. Aber auch des Guten zu viel wie Nase in Tageleuchter, Jungfernzwinger oder Gesichtserker zu verdeutschen.

Gesteigert hat sich die Sprachpflege teilweise bis hin zur Sprachreinigung und zum Sprachpurismus. In den deutschen Dialekten, die diesem Eifer bis Übereifer nicht ausgesetzt waren, haben sich Fremdwörter aus dem Lateinischen und dem Französischen stärker erhalten. Beispielsweise sind ästimieren für hochschätzen, achten, würdigen, vis-à-vis für gegenüber, retour für zurück oder Trottoir für Bürgersteig, Gehsteig noch geläufiger als im Standarddeutschen.

Wie die Wörter aus dem Lateinischen, dem Altgriechischen und dem Französischen ehemals bei den eifrigen deutschen Sprachpflegern Unmut erregt haben, so dann später die aus dem Englischen. Die erste Abhandlung zum Thema des englischen Spracheinflusses erschien 1909 mit dem Titel: Wider die Engländerei in der deutschen Sprache.

Aus dieser kritisch-historischen Betrachtungsweise heraus erscheint das heutige anglizismen-kritische Schlagwort Denglisch zwiespältig. Die Frage, die sich stellt: Wo soll man jeweils die Grenze ziehen zwischen einem Übereifer derjenigen, die Anglizismen ins Deutsche aufnehmen, und einem Übereifer derjenigen, die diese Anglizismen ablehnen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

Red Bavarian

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden