Kommunismus und Christentum

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Eine Grußansprache von Ernesto Cardenal an den Bundeskongress Der Linken hat mich wieder über meine eigene Einstellung zum Kommunismus bzw. Sozialismus und zum Christentum nachdenken lassen: 'Es komme die Republik der Himmel auf die Erde' .

Ernesto Cardenal ist ein bekannter Vertreter der Befreiungstheologie. Er bekennt sich als Kommunist und als Christ.

Anfangen will ich mit meiner Einstellung zur Religion. Ich bin evangelisch. Als Jugendlicher über die Zeit des Religionsunterrichts, des Konfirmationsunterrichts und danach habe ich mir eingehend Gedanken über die christliche Religion und die Christen gemacht. Einerseits gab es vehemente Unterschiede im Verhalten der oberflächlichen Christen verglichen mit der Ethik der christlichen Lehre, wie sie mir im Unterricht beigebracht wurde. Andererseits sah ich bei den strenggläubigen Christen dieses Engagement, aber ich konnte mit dem dogmatisch-religiösen wenig anfangen. Schließlich wendete ich mich als junger Erwachsener ab von der Religion, die mich enttäuscht hatte, und hin zur Wissenschaft, die mir dann als Ersatz für die Erklärung der Welt diente. Lediglich der Buddhismus sagte mir damals etwas, nachdem ich ein sehr interessantes Buch darüber gelesen hatte. Im Ganzen jedoch habe ich mich in jungen Jahren zum Atheisten erklärt, später altersmilder zum Agnostiker. Mit dem sozial engagierten Bestandteil des evangelischen Christentums habe ich allerdings nicht gebrochen.

Was den Kommunismus bzw. Sozialismus betrifft, so war das in der konservativen bayerischen Dorf- und Kleinstadtwelt, in der ich aufgewachsen bin, etwas Bedrohliches im Osten. Von der kommunistischen und sozialistischen Lehre wusste ich damals nichts. Als nachdenkender Jugendlicher fehlte mir im ethischen Bereich etwas, das die Wissenschaft nicht ersetzen konnte. Es erschien mir bei den Menschen um mich herum ähnlich, nur füllten sie es offensichtlich konsum- und wachstumsorientiert. Was meine Altersgenossen und Mitschüler damals betraf, so waren wir im Dorf und in der Dorfschule vom Materiellen her relativ gleich. Aufgefallen sind diejenigen, deren Eltern wohlhabend waren. Später in der höheren Schule in der Stadt fiel ich als vergleichsweise Armer jedoch auf, weil da zunehmend materielle Statussymbole in waren. Quasi: wie die Alten so die Jungen. Der Höhepunkt war erreicht, als ich wegen meiner ärmlichen Kleidung ausgelacht wurde. Das war ärgerlich und beschämend. Aber ich machte forthin letztlich aus der Not eine Tugend und erklärte mich praktisch zum Anti-Konsumisten. Über die weiteren jungen Jahre hat sich meine Einstellung wie ein Mosaik aus vielen kleinen Bausteinen zusammengesetzt: Gammler, Hippie, Punk, Alternativer - quer durch die Jahrzehnte. Über den Daumen gepeilt linksalternativ, ohne explizit politisch zu sein. Zurückblickend nichts Besonderes, für die damalige konservativ-spießbürgerliche bayerische Provinz jedoch fast aussätzig. Dabei wollte ich nicht die Welt revolutionär auf den Kopf stellen, sondern friedlich einfach meine Freiräume bewahren anstatt schier erdrückt zu werden von der aggressiven Leitkultur, wo man nur akzeptiert wurde, wenn man dazupasste.

Was die Parteien angeht, so galt die SPD schon als sozialistisch, die Grünen gar als Vollchaoten. Ansonsten: CSU über alles, samt Landesvater Franz Josef Strauß, Filz von vorn bis hinten, und ewig lange Alleinregierung. So war mir ganz am Anfang die SPD ok, danach lange Zeit die Grünen, auch als ich mich schließlich der Gutbürgerlichkeit ergeben habe. Wirklich anfreunden konnte ich mich mit dieser Welt aber nie wirklich, und diese Welt sich auch nicht mit mir. Schließlich hat mich das System als nicht mehr brauchbares Humankapital wieder ausgespuckt, während bei mir eine Art Midlifecrisis im Anzug war, und Deutschland massiv neoliberalisiert wurde. Die Grünen haben sich mir gleichfalls zum Negativen verändert, sodass ich mich von ihnen abgewendet habe. Auf der anderen Seite ist mir eine andere Partei immer näher gekommen, bei der ich schließlich gelandet bin: Die Linke. Der Demokratische Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den diese Partei als Leitfaden hat, der sagt mir zu. Eine Partei, die sich positiv in die Zukunft weiterentwickelt, im Gegensatz zu den anderen größeren Parteien CDU/CSU, FDP, SPD, Bündnis90/Grüne. Im Gegensatz zu früher bin ich heute explizit politisch. Allerdings will ich wie schon früher nicht die Welt revolutionär auf den Kopf stellen, sondern als freiheitlich-alternativer Linksdemokrat friedlich einfach meine Freiräume bewahren.

Wieder erdrückt mich schier die aggressive Leitkultur, diese Mischung aus Neokonservatismus und Neoliberalismus mit christlich-abendländischen Versatzstücken, die heutzutage so intensiv und expansiv gepredigt und ausgeübt wird. Die dermaßen von sich selber überzeugt ist, dass sie am Ende nichts anderes außer sich selber gelten lässt. Die keine Ruhe gibt, bis die ganze Welt so ist, wie ihre vehementen Anhänger das wollen.

Zurück zur Ansprache von Ernesto Cardenal: Als ich sie gelesen hatte, sind auch bei mir die zwei Linien Kommunismus bzw. Sozialismus und Christentum endgültig zusammengekommen. Ich habe nämlich in den vergangenen Jahren festgestellt, dass man einen gewissen Glauben und eine gewisse Gemeinschaft braucht, um in der sozial immer härter und kälter werdenden Welt zu bestehen. Dass wie im Titel quasi der Himmel auf die Erde geholt wurde, dieser Interpretation kann ich als säkularer Evangelischer zustimmen. Gleichermaßen ist der Sozialismus auf die Religion zugegangen. Die drei internationalen Grundsätze des Demokratischen Sozialismus sind Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Solidarität. Ja, das können genauso gut urchristliche Werte sein. Somit ist es kein Widerspruch, beispielsweise wie ich Parteimitglied Der Linken und Mitglied der evangelischen Kirche zu sein, sondern es ergänzt sich.

Ich verstehe auch die Muslime, die sich heute stärker dem Islam zuwenden, auch dem politischen Islam - Zuflucht suchend im Glauben und in der Gemeinschaft. Analog zur christlichen Befreiungstheologie.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

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