S21 und der Tag der deutschen Einheit

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Für mich ist der morgige Tag der deutschen Einheit kein Feiertag, sondern ein Trauertag. Ich werde still der Opfer der brutalen S21-Polizeiübergriffe gedenken.

S21, das ist nun mehr als ein regionales Bahnprojekt. Es ist ein Symbol dafür, dass der Staat seine Bürger als Feinde ansieht, sogar friedliche Kinder, Jugendliche und alte Menschen. Auch die fallenden und geschredderten Bäume haben eine große Symbolkraft. Die Bäume stehen für die lebendige Natur, für die Menschen, für unsere Demokratie.

Ich kann die Rechtfertigungsorgien der verantwortlichen Mächtigen und ihrer Mitläufer nicht mehr hören. Sie haben sich damit endgültig von der Demokratie verabschiedet.

In mir vollzieht sich endgültig eine Wende:

Mir bleiben zunehmend die Worte weg. Ich habe so lang geredet. Demonstrieren statt reden.

Mir bleibt zunehmend die Aufregung weg. Ich habe mich so lang aufgeregt. Innere Kälte statt Emotionen.

Mir bleibt zunehmend das Konstruktive weg. Ich habe so lang auf Verständigkeit gesetzt. Zynismus statt Konstruktivität.

Wenn ich mir jetzt laut den Satz: "Die BRD ist ein Unrechtsstaat" vorsage, dann hört er sich mir nicht mehr rhetorisch oder emotional überspitzt an, sondern wahrhaft.

Ich bin ein kritischer und nachdenklicher Mensch. Ich möchte planvoll und konstruktiv sein. Aber es gelingt mir immer weniger.

Ich bin ein friedlicher und verständiger Mensch. Ich möchte auch die Politiker, die Unternehmer und die Polizeibeamten menschlich betrachten. Aber es gelingt mir immer weniger.

Ich bin kein besonders mutiger oder tatkräftiger Mensch. Ich möchte in Ruhe und in Sicherheit leben. Aber es gelingt mir immer weniger.

Es wird einem von den verantwortlichen Mächtigen und ihren Mitläufern eingeredet, dass man immer und überall selber schuld sei. Auch für ihre Machtdemonstrationen, für ihre innere Kälte, für ihren Zynismus.

So erscheinen sie mir. Wie oft wurde und wird mir gesagt: passe dich an. Es wirkt. Ich passe mich unwillkürlich an. Ich will aber kein innerlich kalter, zynischer Machtmensch werden. Spiegelbildlich. Machthaber gegen Machtlose. Oder irgendwann umgekehrt.

Momentan bin ich plan- und ratlos. Hin- und hergerissen. Vielleicht bringt mir der stille Trauertag morgen ein wenig Klarheit.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

Red Bavarian

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