Zwischen Sparpaket und Bundespräsidentenwahl

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Ich schildere hiermit ein Gespräch gestern, wo es um die Bundespräsidentenwahl gegangen ist, und die Erkenntnisse, die mir übernacht gekommen sind. Ich nenne den Gesprächspartner einmal Herr X. Ich bezeichne meine Schilderung des mir Gesagten jetzt einmal ohne Gewähr, weil mir das im Nachhinein eigentlich allzu polittaktisch ausgeklügelt vorkommt.

Herr X hat sich als FDP-nah bezeichnet und seine Unzufriedenheit darüber kundgetan, dass Die Linke nicht Joachim Gauck gewählt hat (dabei logischerweise keine eigene Kandidatin aufgestellt hätte), wo doch die Mehrheit der Bevölkerung wie auch Herr X Joachim Gauck als Bundespräsidenten gewollt hat. Die These von Herrn X war, dass mit den gemeinsamen Stimmen von SPD, Bündnis90/Grüne, Linke und denjenigen aus FDP (sowie nehme ich an auch aus CDU und CSU), die Joachim Gauck gewollt haben (einige FDP'ler hatten sich im Vorfeld der Wahl ja offen zu Joachim Gauck bekannt), dieser zum Bundespräsidenten gewählt worden wäre.

Erkenntnismäßig heißt das nun, dass Die Linke der Willensvollzieher der FDP sein sollte, denn hätte Joachim Gauck viele Stimmen aus der FDP bekommen, dann wäre das ein offener Bruch zwischen FDP und CDU/CSU gewesen. Wären die Stimmen dagegen aus Der Linken gekommen, dann wäre die FDP fein heraus gewesen, wenn ich einmal annehme, dass die FDP wie Herr X Joachim Gauck gewollt hat.

Wie man auch an den Differenzen innerhalb der schwarz-gelben Bundesregierung sieht, passt konservativ und liberal nicht genügend zusammen. Wenn man hinzunehmend bedenkt, dass SPD und Bündnis90/Grüne seit der rot-grünen Bundesregierung explizit einen neuen Kurs fahren - statt sozialdemokratisch-grün nun neoliberal -, dann passt die neoliberale FDP besser zu SPD und Bündis90/Grüne als zu CDU und CSU. Weiter hinzunehmend hat die Bundespräsidentenwahl ein Verhältnis SPD und Bündnis90/Grüne versus Die Linke gezeigt (ein Signal für eine künftige rot-rot-grüne Koalition wäre ein gemeinsamer Kandidat gewesen, auf den man sich auf gleicher Augenhöhe geeinigt hätte).

Die SPD hat in den vergangenen Jahren ja viele Stimmen aus ihrer klassischen Arbeiter-Wählerschaft verloren. Statt einen wirklichen Kurswechsel wieder hin zu einer klassisch sozialdemokratischen Politik zu fahren, um diese Stimmen wiederzugewinnen, wird weiter ein neoliberaler Kurs gefahren, wobei mit Hilfe von Joachim Gauck weiter ins bürgerliche Lager vorgestoßen werden sollte, um dort Stimmen zu gewinnen. Bündnis90/Grüne haben sich im Gegensatz zur SPD wählerstimmenmäßig halten können, weil die Hauptverantwortungslast bei rot-grün ja auf der SPD gesehen wird, und Bündnis90/Grüne bereits viele Stimmen aus dem bürgerlichen Lager gewinnen konnten.

Viele sagen, dass schwarz-gelb und rot-grün heutzutage in ihrer Grundrichtung bald austauschbar wären. Ich sehe nun eine andere Bruchstelle, nämlich zwischen alt und neu. Anders gesagt zwischen altbürgerlich nach CDU- und CSU-Art, und neubürgerlich nach heutiger FDP-, Bündnis90/Grüne- und SPD-Art (in beiden letzteren wird der neue Kurs auch als progressiv bezeichnet). Alles in allem bedacht stehen die Weichen viel eher auf einer künftigen Ampel-Koalition statt einer rot-rot-grünen Koalition.

Wenn nun CDU, CSU, FDP, SPD, Bündnis90/Grüne die bürgerliche Schicht (also die Mittelschicht und die Oberschicht) umwerben, dann fragt sich: Wer ist heutzutage für den Rest (also die Unterschicht) da? Bleiben tut dergestalt nur Die Linke.

Erinnert sei dabei auch an das sozial massiv unausgewogene Sparpaket der Bundesregierung, das im kombinierten Bundespräsidenten- und Fußball-WM-Trubel offenbar untergegangen ist. Nach diesem Trubel kommt übrigens die Sommerpause und die Urlaubszeit. Wenn danach wieder alle da sind und die Politik wieder voll in Gang gekommen ist, wird dieses Sparpaket Fakt sein.

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Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

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