Israel verhindert den Frieden

Nahost-Konflikt Die Angriffe auf den Gazastreifen stärken die Anhänger von Gewalt und schwächen den politischen Ansatz von Palästinenserpräsident Abbas.

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Mahmoud Abbas hisst die palästinensische Flagge vor dem UNESCO Hauptgebäude in Paris im Dezember 2011. Die Regierung Israels und der USA hatten versucht, das zu verhindern. Auch einige Palästinenser sehen darin keinen Sinn. (Bild: Reuters)

Die aktuellen Ereignisse haben sich vor fast genau vier Jahren ähnlich abgespielt. Nach israelischem Narrativ waren es auch damals die Raketenangriffe der Hamas, die einen Angriff auf den Gazastreifen nachsich zogen. Auf palästinensischer Seite kamen 762 Menschen dabei zu Tode, auf israelischer Seite weitere 3 Menschen.

Es liegt nicht fern, der israelischen Regierung unter Netanjahu zu unterstellen, vor den bevorstehenden Wahlen nächsten Januar wiederholt von anderen Problemen ablenken zu wollen. Diese Strategie scheint bei dem israelischen Premierminister jedoch bereits Teil des politischen Alltags zu sein. Knapp ausgedrückt: Während innerhalb der Amtsperioden gegen den Iran mit dem Säbel gerasselt wird, sind die Palästinenser kurz vor der Wahl dran.

Sicherlich handelt es sich dabei lediglich um Unterstellungen, doch bisher hat sich das für ihn durchaus ausgezahlt, immerhin ist er bereits seit 1996 mit nur wenigen Unterbrechungen in den oberen Etagen der Regierung unterwegs. Es scheint, als bräuchte Netanjahu den Konflikt.

Dabei ist längst klar, dass eine militärische Lösung aussichtslos ist, selbst wenn man noch so skrupellos auf die Situation blickt. Die offizielle Argumentation der israelischen Regierung, mit dem Feuer lediglich die Angriffspotentiale der als terroristisch eingestuften Hamas zu schwächen und sich damit präventativ zu verteidigen, ist haltlos. Dafür ist die Situation der Menschen in Gaza zu aussichtslos, zu unfair. Und die Aufstockung der Arsenale wird sich wiederholen, so wie etliche Male zuvor. Die Bewohner Gazas leben mit David Camerons Worten in einem "Freiluftgefängnis", sie sind eingeschlossen in einem kleinen, ärmlichen Landstreifen und Israel wirtschaftlich und politisch ausgeliefert.

"Kein Land der Welt würde sich das gefallen lassen"

Dieses von Befürwortern des israelischen Vorgehens genutzte Argument, die israelischen Raketen seien das angewandte Recht auf Verteidigung gegen den Raketenbeschuss durch die Hamas, lässt sich umdrehen. Wer kann von den Palästinensern verlangen, sich nicht zu wehren?

Ist die Hamas nicht vielmehr ein Symptom der Unterdrückung und der Gewalt?

Natürlich müssen wir den Frieden auch von allen Palästinensern verlangen. Aber diesen Frieden müssen beide Seiten wollen und fördern. Derzeit ist Israel der Besatzer, die militärische Übermacht. Und mit dem Hamas-Militärchef wurde jetzt ein gemäßigter Vertreter der radikalen Bewegung getötet, der einen gefangenen israelischen Soldaten wieder nach Hause schickte und der sich für Waffenstillstandsabkommen einsetzte. Dazu kommt, dass Israel der palästinensischen Seite den politischen und rechtlichen Status verwehrt, der Verhandlungen auf so etwas wie Augenhöhe ermöglichen würde.

Israel verhandelt nicht

Mit der Hamas verhandelt Israel überhaupt nicht, da die Bewegung als terroristisch eingestuft wird. Der Grund dafür liegt in der radikalen Haltung der Hamas, das komplette ehemalige palästinensische Gebiet zurückzuwollen. Die Bewegung, die vom israelischen Geheimdienst anfangs noch unterstützt wurde, um Arafat zu schwächen, ist heute international weitesgehend isoliert. Für Friedensgespräche in Frage kommt damit lediglich Mahmoud Abbas, welcher der mit Hamas verfeindeten Fatah-Bewegung angehört und als Präsident der Palästinenser international anerkannt wird. Seine Unterstützer leben im Westjordanland. Die Menschen im Gazastreifen haben allerdings nicht ihn, sondern die Hamas als ihre politische Vertretung offiziell gewählt.

Im Sommer 2010 rief Netanjahu die Palästinenser zu Friedensverhandlungen auf. Gemeint war auch hier natürlich nur Abbas, der aber Vorbedingungen stellte. Etwa den Siedlungsstopp und die Rückgabe der nach 1967 besetzten Gebiete, wie auch seitens der UN verlangt. Das Thema war damit gegessen, denn Israel war zu diesen Zugeständnissen nicht bereit. Und es war klar, dass es so kommen würde. Der Aufruf zu Friedensgesprächen war nichts als eine Farce, die den palästinensischen Gegner politisch auflaufen ließ.

Palästinenserpräsident Abbas versucht aktuell einen anderen Weg zu gehen. Er will Palästina international anerkennen lassen, da die Verhandlungen mit Israel immer wieder ins Leere laufen. So verhofft er sich wohl mehr internationale Unterstützung zu gewinnen. Nach der Aufnahme Palästinas in die UNESCO im Jahr 2011, gegen die neben Israel und den USA auch Deutschland stimmte, wurden Mittel im Wert von 60 Millionen US-Dollar der USA an die UNESCO gestoppt. Der erste Schritt war trotzdem getan, und das mit einer recht breiten internationalen Unterstützung. Am 29. November 2012 ist die UNO-Aufnahme Palästinas im sog. Beobachterstatus geplant gewesen. Es wäre ein friedlicher Weg Richtung Frieden.

Bereits im Vorfeld drohte Netanjahu jedoch bereits mit der Aufkündigung bestehender Friedensverträge, sollte es zur UN-Anerkennung kommen. Nach allgemeiner Einschätzung wäre die Staatengemeinschaft bislang auf der Seite Palästinas gewesen. Aktuell spricht man auch in der EU davon, die Abstimmung erstmal zu verschieben.

Die Spaltung der Palästinenser

Abbas' Rede vor der UN Generalversammlung über die Angriffe auf den Gazastreifen wurde von einigen Palästinensern als zu "schwach" bezeichnet. Das Vertrauen in ihn schwindet. Im Gazastreifen drohten angeblich zwei Hamas Mitglieder einem Restaurant-Besitzer mit der Schließung seines Ladens, wenn der den Fernseher nicht ausschalte, auf dem Abbas vor der UN reden zu hören war.

Die konservative Regierung Israels verhindert den Frieden. Sie setzt sich über bestehendes Recht hinaus und schwächt die friedenswilligen Palästinenser. Eine Lösung haben sie nicht. Selbst wenn sie sämtliche Hamas-Vertreter vertreiben oder umbringen, wird es keinen Frieden geben. Die Bewohner Gazas, welche diese Tage wieder Mitmenschen verlieren, die nichts zu essen und keine Perspektive auf ein normales Leben haben, werden sich wehren. Und die gemäßigten Vertreter der Fatah unter Abbas werden nichts dagegen unternehmen können.

Ein richtiges Zeichen der Weltgemeinschaft und auch unserer Regierung wäre es, den Palästinenserstaat nun offiziell anzuerkennen und bei echten Friedensverhandlungen zu unterstützen. Wenn nichts geschieht, wird Abbas nachhaltig geschwächt und wir werden spätestens in 4 Jahren wieder die gleichen Bilder sehen müssen. Weitere Menschen werden sterben.

Wenn der politische Frieden nicht gelingt, wird die Strategie der Gewalt mehr Zulauf bekommen. Die Hamas gewinnt in diesen Tagen an mehr Rückhalt als die Regierung Abbas. Schuld daran ist Israel solange, wie es Netanjahu wählt.

Am 22. Januar 2013 haben sie die Gelegenheit, diese Situation zu ändern.

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