Wir haben nichts gelernt

Gut gegen Böse Warum wir den Krieg wieder wollen

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Als ich Grundschüler war, kritzelten einige meiner Mitschüler in ihrem Unwissen einmal Hakenkreuze auf die Bänke. Unsere Lehrerin trat daraufhin mit äußerst ernstem Gesicht vor uns und so erfuhren ich und viele andere Kinder zum ersten mal vom zweiten Weltkrieg. Dem Krieg, der von Deutschland ausging.

Sie fing an, ein Bild zu malen von Frauen, die Bomben bauten und Uniformen nähten. Wie Männer zu Soldaten wurden und wie die gesamte Bevölkerung einen unheimlichen Glauben an die Überlegenheit Deutschlands gewann. Panzer rollten durch ganz Europa.

Wir Kinder konnten uns das kaum vorstellen. Wie konnten die Menschen nur so dumm sein? Wie konnten sie glauben, dass Tschechen, Polen, Russen, Franzosen, Holländer, Engländer und zahllose andere Nationen, genau wie Juden, Kommunisten, Sinti und Roma weniger Wert sind als sie? Dass sie im Recht stehen, über Leben und Tod zu entscheiden und Deutschland in eine riesige Waffenfabrik zu verwandeln, die Unheil über den gesamten Kontinent und sogar darüber hinaus brachte?

Wir glaubten fest, nie wieder würde so etwas möglich sein. Immerhin haben wir Menschen schließlich spätestens aus den Jahren mit den Nazis an der Macht gelernt, dass Krieg falsch ist. Krieg gegen Minderheiten, wie Krieg gegen andere Nationen. Das wurde sogar in der Verfassung der Bundesrepublik festgehalten.

Doch der Krieg kam zurück wie ein Bumerang. 1999 trat Joschka Fischer, immerhin mutmaßlicher Pazifist, in Tränen vor seine Partei und nutzte die kollektive Erinnerung an den Krieg, um eben jenen im Kosovo wieder auszurufen.

In den Jahren danach wurde Deutschland immer „selbstbewusster“. Politiker sahen sich berufen, mehr internationale Bedeutung zu erringen. Nur Kanzler Schröder konnte 2002 noch ein letztes Mal punkten, in dem er den Amerikanern die Hilfe für den Krieg gegen den Irak abschlug.

Außenminister Westerwelle hingegen kann daraus kaum noch Sympathie schlagen. Seine Verweigerung militärischer Unterstützung für Kriege in Libyen, Syrien und Mali wird im bereits als windelweich ausgelegt. Kürzlich titelte die ZEIT: Deutschland könne sich nicht mehr heraushalten.

Der moralische Imperativ gegen das Böse

Es ist eine eigenartige Mischung aus Geltungsdrang und Missionseifer, die unsere Politiker zu Kriegern macht. 1999 sagte Fischer:

„Wenn wir Frieden schaffen wollen, dann reicht moralische Empörung nicht aus.“

Damals wurde er noch von Pfeifen begleitet. Heute aber stehen wir vor einem Außenminister, der zum Ersten Mal beweist, dass er gegen den interventionsbereiten Mainstream ankämpft. Der zu Kriegen mit hoher geopolitischer & wohl wirtschaftlicher Bedeutung, jedoch keiner Bedeutung zur Landesverteidigung sein „Nein“ gibt.

Doch was er erntet, ist nicht mehr die Anerkennung für einen Deutschen, der Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat. Nicht nur die Medien sind der Ansicht, dass wir „keinen Außenminister haben“.

Viele Menschen, auch Kluge, sind der Ansicht, dass wir Verantwortung übernehmen sollten. Dass wir nicht länger zusehen dürfen, wenn Krieg herrscht. Dabei ist die Betrachtungsweise jedoch immer selektiv. Nie sehen wir die Perspektive der zum „Bösen“ stilisierten Gegenseite. Nie sehen wir die Toten unserer Waffen mit den gleichen Augen wie diejenigen, die durch die Waffen des Gegners getötet wurden.

Der Krieg nützt uns

Präsident Köhler hatte nur wenige Tage übrig in seinem Amt, nachdem er 2010 folgende Gedanken öffentlich machte:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. […]“

Köhler verlor nicht umsonst seinen Posten. Die offizielle Linie ist immer noch die des Joschka Fischer, die Einstellung der unzureichenden „moralischen Empörung“. Das ist die Einstellung, die den Krieg von deutschem Boden aus wieder möglich machte.

Die Politik will vermitteln, dass wir eingreifen müssen, um Leid zu verhindern. Der Gedanke, dass wir davon wirtschaftlich profitieren, würde diesem moralischen Gedanken jede Glaubwürdigkeit rauben.

Im Vorfeld des zweiten Weltkrieges versprach der durch Großindustrielle zum Kanzler verholfene Adolf Hitler dem deutschen Volk Arbeitsplätze und einen wachsenden Status ihrer Nationalität nach der zur Demütigung stilisierten Niederlage des ersten Weltkrieges. Es ging um eine neue Identität. Eine, die anderen Ländern überlegen ist.

Daraus erwuchs das selbstauferlegte Recht, Länder zu überfallen, Menschen zu töten und deren Land schlussendlich zu annektieren. Deutschland profitierte dadurch immens: es entstand eine neue Ordnung im Sinne Deutschlands.

Die Deutschen selbst hatten wieder Arbeit und hohe Einkommen. Und sie jubelten nicht umsonst. Nicht weil sie gezwungen wurden oder gar dumm waren. Sie selbst profitierten davon.

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