Männern wird verziehen, Frauen nicht

Arbeit Chefinnen wird ein autoritärer Führungsstil eher zum Verhängnis als Männern. Sollten sich Frauen vielmehr auf Mutterattribute konzentrieren?
Ausgabe 21/2014
Jill Abramson, Ex-Chefredakteurin der "New York Times"
Jill Abramson, Ex-Chefredakteurin der "New York Times"

Bild: Chris Keane / Getty

Vergangene Woche haben gleich zwei prominente Chefredakteurinnen ihren Job verloren: Jill Abramson von der New York Times und Natalie Nougayrède von der französischen Le Monde. In beiden Fällen wurde als ein Grund ihr Führungsstil genannt. Das lässt aufhorchen. Im Fall Abramson ist klar: Die Frau vertrat nicht jene weiblichen Soft Skills, die man meist männliche Vorstände in Talkrunden artig preisen hört. Sie führte nicht mit Empathie, sondern mit ziemlich harter Hand. Das mag tatsächlich ein Problem für die Mitarbeiter gewesen sein – zu einem Problem der Führungsetage wäre es aber bei einem Mann nie geworden.

Während man zwar stiernackigen Machern wie Hartmut Mehdorn öffentlich keine große Zukunft mehr bescheinigt, ist der männliche Autokrat längst nicht tot. Im Gegenteil, es hat sich im letzten Jahrzehnt ein erstaunlicher neuer Typus männlicher Dominanz formiert: der geniale Soziopath. Er findet sein Urbild in Steve Jobs, dem Schöpfer, dessen Vision so groß ist, dass er – quasi aus historischer Verantwortung heraus – keine Rücksicht auf Einzelschicksale nehmen kann. Mich hat immer irritiert, dass man Jobs posthum dafür huldigte, wie er Mitarbeiter mit seiner manischen Art tyrannisiert hatte. Doch wurde daran auch deutlich: Der Feldherr hat sich gewandelt. In die steinerne Miene der Entschlossenheit mischten sich Züge des störrischen Kindes, aus Brutalität wurde Grausamkeit. Der Feldherr wurde zur Diva.

Pikanterweise speist sich der neue Autokrat oft aus Attributen negativ konnotierter Weiblichkeit. Im männlichen Körper wandeln sie sich wundersam zum Ausdruck schöpferischer Kraft. Beispiel: der als divenhaft und intrigant verschriene José Mourinho. Klassische Attribute männlicher Dominanz im weiblichen Körper aber, das zeigt der Fall Abramson, werden zur Charakterschwäche degradiert.

Doch vielleicht ist die nahe Zukunft viel durchlässiger und multipolarer, als wir gemeinhin annehmen. Frauen sollten sich nicht auf Mütterlichkeits-Attribute beschränken lassen. Sich einiges bei den männlichen Vorgängern abzuschauen, ist hilfreich, um sich den Weg zu bahnen. Aber wer sich heute an der Macht halten will, muss ständig zwischen verschiedenen Modi der Autorität hin- und herswitchen können. Genderrollen werden dabei weiter verwischen. Es ist falsch, wenn Abramson mit ihrem Führungsstil gescheitert ist, nur weil sie eine Frau ist. Aber es bleibt zu hoffen, dass auch Männer mit diesem Führungsstil sich nicht mehr lange werden halten können.

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