Warum einfach einfach dämlich ist
Der Mensch hat es gerne einfach. Von Beginn seines Lebens an wird ihm unter wehklagen der Schuhschachtel-nach-Belegen-durchsuchenden Eltern beigebracht, dass es nichts Grausameres gibt als das alljährliche Ausfüllen der Steuererklärung. Höchstens noch eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Dabei ist die Steuererklärung im Regelfall (Arbeitnehmer) auch nicht im Geringsten kompliziert. Denn der Arbeitgeber hat übers Jahr schon die Lohnsteuer abgeführt. Durch die (durch reine Unwissenheit missverstandenen) Steuerklassen werden sogar noch individuelle Freibeträge berücksichtigt. Sogar die Beiträge zur Sozialversicherung werden den Finanzämtern schon elektronisch übermittelt. Der normale Arbeitnehmer braucht also im Prinzip gar keine Steuererklärung abzugeben, sofern er mit seinen Werbungskosten nicht über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 (bald 1000) EUR kommt und sonst keine Einkünfte hat.
Bei Menschen, die einen größeren Gewerbebetrieb besitzen ist der Steuerberater schon aus eigenem Interesse kaum vermeidlich, da die meisten auch ergänzend noch Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung anbieten. Jedoch wird über den Einsatz dieser Experten immer besonders oft gejammert. Obwohl in allen anderen Bereichen bei zivilrechtlichen Streitigkeiten auch ein Anwalt oder Fachanwalt zu Rate gezogen wird, um keine persönlichen Nachteile zu erleiden. Und das deutsche Zivilrecht ist alles andere als einfach. Das BGB, welches unser tagtägliches Leben regelt, hat über 2400 Paragraphen, das HGB, welches auch Grundlage für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns ist, über 500. Das StGB kennt über 400. Die Zivilprozessordnung über 1200. Und so weiter. Und kaum einen Paragraphen (der mitunter weit über 50 Absätze enthalten kann) wird der Laie beim ersten lesen verstehen. Doch die angeblichen 33.000 Paragraphen des Steuerrechts (die eine reine Behauptung sind) werden als Türöffner für die Steuersenkungspläne der oberen 10.000 missbraucht. Darunter fallen so allseits beliebte Gesetze wie z. B. das Umwandlungsteuergesetz – welches nun einmal notwendig ist, um die unheimlich komplexen gesellschaftsrechtlichen und zivilrechtlichen Regeln und Vermögensverhältnisse bei Umwandlungen, Abspaltungen, Aufspaltungen von Personen- in Kapitalgesellschaften und umgekehrt zu regeln. Also schon die Materie, die die Grundlage des Steuergesetzes ist, ist in höchstem Maße komplex und bedarf studierter Experten auf diesem Rechtsgebiet. Aber für Kirchhof ist auch dies alles einfach einfach.
Zurück: Selbst mit einfachen Vermietungseinkünften oder neuerdings Renten – ist im Regelfall die Steuererklärung einfach nicht derart kompliziert, wie sie immer hingestellt wird. Eigentlich sollten die Steuerpflichtigen dankbar sein, dass sie überhaupt eine machen können. Unbegreiflich, nicht wahr?
Die Einkommensteuer (auch in der Erhebungsform der Lohnsteuer) ist von der Konstruktion her die sozial gerechteste aller Steuerarten, weil nur sie als direkte Steuer (Steuerschuldner ist gleichzeitig auch das Steuersubjekt) die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Der Progressive Tarif ist ein Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes sowie der Sozialbindung des Eigentums aus dem GG. Die Höhe betrug zeitweise unter dem Sozialisten aus Oggersheim 56%. Doch da wären wir schon beim Problem. X % von was eigentlich? Der Tarif des EStG orientiert sich am zu versteuernden Einkommen (zvE). Dies wiederum wird unter Beachtung des vom BVerfG durch langjährige Rechtsprechung gefestigten objektiven und subjektiven Nettoprinzip ermittelt. Objektives Nettoprinzip bedeutet, dass alle Aufwendungen, die durch die Quelle der Einnahmen entstehen, vom erzielten Einkommen abzuziehen sind. Bei einem Gewerbetreibenden sind dies Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben. Beim Arbeitnehmer die Einnahmen (Lohn) minus die Werbungskosten (dienen gem. § 9 EStG zum Erwerb, Erhaltung und Sicherung der Einnahmen). Das Subjektive Nettoprinzip beachtet das individuelle Steuersubjekt und gesteht ihm die weitere Minderung seines zvE durch die Geltendmachung von Sonderausgaben (meist Versicherungen) und außergewöhnlichen Belastungen (Krankheit, Behinderung etc.) zu.
Nun kommt also Kirchhof. Er attackiert mit voller Wucht genau diese tragende Säule unseres gesamten Steuerrechts und Sozialstaates! Interessanterweise aber auch nur bei den Überschuss- und nicht bei den Gewinneinkünften. So wird es kommen, dass am Ende der normale Arbeitnehmer nicht mehr sein steuerliches Netto vom Nettoarbeitslohn versteuern muss, sondern im Prinzip seinen Bruttolohn. Ob er Werbungskosten hat, interessiert nicht. Ob er behindert ist? Auch nicht. Ob er oder sie alleine Kinder betreut? Auch nicht. Und so weiter. Bei den Gewinneinkünften bleibt es beim Alten – die Gewerbetreibenden können auch weiterhin nur ihren Gewinn versteuern. Und wie bisher Ausgaben aus dem privaten Bereich in die geschäftliche Sphäre verlagern.
Oftmals hilft es einem schon, einfach cui bono zu fragen. Also warum trommeln gerade die typisch neoliberalen Medien ständig für Steuermodelle nach Kirchhof. Und warum sind gerade Topverdiener davon so begeistert? Kirchhof nimmt weit verbreitete Vorurteile in der Bevölkerung dankbar auf. Jeder kennt angeblich einen, der mordsmäßig viel Kohle verdient und keine oder nur sehr wenig Steuern zahlt. Dabei dachte ich immer, nirgends würde das Steuergeheimnis derart verteidigt wir hierzulande – woher wissen also alle, welchen Steuersatz der Nachbar hat? Die meisten scheitern doch schon an der Unterscheidung zwischen Grenz- und Durchschnittssteuersatz. Kirchhofs zentrales Argument ist: „Lieber 25% von etwas als 45% von gar nichts“. Ähnlich argumentierte noch der im linken Bereich unheimlich beliebte Finanzminister Steinbrück, als er die Körperschaftsteuer von 25% auf nur noch 15% senkte.
Es ist aber falsch, wonach nur eine Minderheit überhaupt den Spitzensteuersatz zahlte; dieser wird sogar sehr schnell erreicht; dazu brauch ich keine Statistik, ich weiß es aufgrund meiner dreijährigen Ausbildung in der Finanzverwaltung, in der ich unzählige Steuerbescheide gesehen habe. Besonders schizophren ist an der ganzen Debatte jedoch, dass gerade diejenigen, die immer wieder (zurecht!) darauf verweisen, dass eine sehr kleine Gruppe von Menschen den größten Teil der Einkommensteuer zahlt (weil sie auch das meiste besitzt bzw. am höchsten verdient) dieses Mal erzählt, wir bräuchten ein einfacheres Steuerrecht, weil die Reichen ja eh keine Steuern zahlen würden, weil die durch jedes Schlupfloch kriechen! Selbst das angeblich so weit verbreitete und durch die vielen von Kirchhof kritisierten Schlupflöcher „armrechnen“ ändert nichts am Überschreiten der Einkommensgrenze, die einen für den Spitzensteuersatz qualifiziert. Für 2007 verweise ich z. B. auf eine PM des Statistischen Bundesamts. Denn genau um diese Gruppe geht es bei der ganzen Kirchhofdebatte: Diese Gruppe Reicher, die momentan noch durch den progressiven Tarif und einen noch einigermaßen hohen Steuersatz von 42% bzw. 45% einen dem Grundgesetz halbwegs entsprechenden Anteil an der Staatsfinanzierung leistet – diese soll entlastet werden. Massivst.
Und der kleine Arbeitnehmer klatscht munter Beifall. Weil dann endlich alles einfach ist. Einfach ungerecht, aber egal. Denn die Steuerausfälle wird er über höhere Konsum- und Mehrwertsteuern bezahlen.
Übrigens haben wir die Kirchhofsche Flat-Tax schon – aber dazu verweise ich mal auf mich selbst.
Ergänzend verweise hinsichtlich der urban legend "zu kompliziertes Steuerrecht" auf einen Handelsblatt-Artikel: www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/die-maer-vom-steuerdschungel/5664240.html
Kommentare 18
"Die Einkommensteuer (auch in der Erhebungsform der Lohnsteuer) ist von der Konstruktion her die sozial gerechteste aller Steuerarten, weil nur sie als direkte Steuer (Steuerschuldner ist gleichzeitig auch das Steuersubjekt) die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt."
Wer 1000,-€ verdient und 100,- Steuern zahlt, dem tut das im Portemonnaie deutlich mehr weg, als wenn jemand 10.000€ verdient und 5000,-€ Steuern zahlt. Und das obwohl der mit dem höheren Einkommen 50% zahlt und der andere nur 10%.
Mal abgesehen davon, dass der Spitzensteuersatz nicht bei 50% liegt und sehr hohe Einkommen (Arbeitnehmereinkommen) oftmals auch noch Kapitaleinkünfte haben.
Der nachfolgende Absatz klingt so dermaßen nach Beamten- und Juristendeutsch, dass ich deinen Ausführungen zur Begründung, warum das Ganze "gerecht" sein soll, nur sehr schwer bis gar nicht nicht folgen kann.
Und genau das ist das Problem. Der Citoyen kann nicht über alles Bescheid wissen oder verstehen, Juristen Dampfgeplauder der Politik erst recht nicht. Das wissen solche Typen wie Merkel Freund Kirchenhof und verknüpfen Theatralik, Pathos und Lügen in ihre Reden.
Solange man selbst weiß, wessen geistig Kind der Paule ist, kann man den Vorschlägen mit einer gehörigen Portion misstrauen begegnen.
Wenn das Steuerrecht einfach ist, warum gibt es dann die Durchwinkwochen? Wie sie in einem Beitrag von Monitor ganz offen von Beamten des Finanzamtes bestätigt wurden. Warum stehen 5000 Steuerbeamten ganze 85.000 Steuerrechtsanwälte gegenüber? Sind die ganzen Beiträge aus den ÖR diesbezüglich falsch?
Nachtrag:
"Langfristig strebt er anstelle des in Deutschland üblichen progressiven Verlaufs der Einkommensteuer einen einheitlichen Grenzsteuersatz von 25% für alle Einkommensgruppen an." [Quelle Wiki]
Eine klare Aussage und man weiß sofort woran man ist, nämlich an einem ungerechten Steuermodell.
Wer 1000 verdient, zahlt keine 100. Aber ich weiß...
Das Steuerrecht ist in der heutigen Ausprägung nicht einfach - und es ist auch pauschal gesehen nicht gerecht - es gibt unzählige Dinge, die man verändern könnte und müsste - ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich wollte nur sagen, dass man nicht den Fehler begehen sollte, einem Populisten auf den Leim zu gehen, der das Unverständnis weiter Bevölkerungsteile ausnutzen will, um eine reiche Minderheit noch weiter zu begünstigen. Es ist auch kein "Beamten- oder Juristendeutsch", sondern ich wollte nur anhand verfassungsrechtlich definierter Grundlagen die wesentlichen Prinzipien der Einkommensbesteuerung verdeutlichen. Welche ein Kirchhof abschaffen will.
Daher auch meine Verweise auf das ebenfalls sehr komplizierte Zivil- und Gesellschaftsrecht. Dass es durchwinkwochen gibt, liegt an der neoliberalen Ideologie, wonach der Staat weiter Personal einsparen soll und muss - was er auch seit Jahren konstant tut, übrigens auch auf Anraten der wissenschaftlichen Ableger der Bertelsmann-Stiftung, die auch mit den Finanzminsterien und Oberfinanzdirektionen zusammenarbeiten! Durch die Arbeitsverdichtung (immer weniger Beamte müssen immer mehr Fälle bearbeiten), bleibt am Ende oftmals nichts anderes übrig, als eben eine Vielzahl von Fällen durchzuwinken, das liegt nicht immer nur an der Kompliziertheit von Rechtsfragen; oftmals ist die Aufklärung der zugrundeliegenden Sachverhalte wesentlich zeitraubender als die rechtliche Beurteilung. Worin insgesamt auch eine unheimliche Ungleichbehandlung von Lohneinkünften und Gewerblichen besteht: Während beim Arbeitnehmer die Besteuerung der Arbeitgeber übernimmt, kann der Gewerbetreibende oder Vermieter zig Jahre von einer genauen Prüfung unbehelligt bleiben. Deshalb sind auch Steuerfahndungen und Außenprüfungsstellen eklatant unterbesetzt, dass man von gleichmäßiger Steuererhebung nicht mehr reden kann.
Was bei allem auch gar nicht berücksichtigt wird ist die Tatsache, dass die Besteuerung insgesamt mehr und mehr von der direkten (ESt.) zur indirekten (Verbrauchsteuern und MwSt) wechselt - Kirchhof würde es auf die Spitze treiben. Dazu habe ich mich mit dem 2-teiler "Die Steuern" in meinem Blog hier ebenfalls schon ausführlichst geäußert.
"Der normale Arbeitnehmer braucht also im Prinzip gar keine Steuererklärung abzugeben, sofern er mit seinen Werbungskosten nicht über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 (bald 1000) EUR kommt und sonst keine Einkünfte hat."
Falls der "normale Arbeitnehmer" Handwerker und Putzhilfen generell schwarz bezahlt (na, so unrealistisch ist das wohl gar nicht), dann mag das stimmen. Ansonsten verweise ich auf: bundesrecht.juris.de/estg/__35a.html
Wenn also schon ich, der ich in Steuerfragen absoluter Laie bin (die Erklärung für 2008 schiebe ich immernoch vor mir her), über sowas stolpert, dann mag sich in der Steuergesetzgebung noch so manches verbergen, dass auch für Otto-Normalo Relevanz hat.
Die Kohle aufgrund obiger Regelung nehme ich natürlich gern mit. Aber an sich gehört das natürlich ersatzlos gestrichen.
“ Die Einkommensteuer (auch in der Erhebungsform der Lohnsteuer) ist von der Konstruktion her die sozial gerechteste aller Steuerarten, weil nur sie als direkte Steuer (Steuerschuldner ist gleichzeitig auch das Steuersubjekt) die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt.“
Dieser Aussage entgegne ich mit Entschiedenheit!
Daß Steuern sein müssen, steht außer Frage.
Einziger Sinn von Steuern ist, Einrichtungen des Gemeinwohls zu finanzieren. Steuern sind notwendig u. a. zur Errichtung und Aufrechterhaltung öffentlicher Einrichtungen, von Infrastruktur, innerer und äußerer Sicherheit und der Verwaltung all dessen. Doch wie sind Steuern zu generieren bzw. wie werden sie generiert? Da fängt der Skandal an.
Alle Erzeugnisse, ohne Ausnahme, alle produzierten Güter und sämtlich alle zur Verfügung gestellten Dienstleistungen, erhalten ihren Wert dadurch, daß sie gebraucht werden.
Nur Nachfrage und Gebrauch, sprich: Konsum, geben einem Erzeugnis einen wirtschaftlichen Sinn und Wert. Das bedeutet, daß jede Wertschöpfung durch den Konsum definiert ist und an dieser Schnittstelle, dem Marktgeschehen des Wirtschaftskreislaufs stattfindet.
Alleine über die Konsumierung finden die Erlöse für vorangegangene Investitionen zur Erzeugung und Bereitstellung statt. Eingeschlossen sind davon auch alle Lohnkosten, eben alle Kosten bis zur Marktpräsenz hin.
Was Produktionsmittel und Rohstoffe angeht, ist das leicht nachvollziehbar.
Alleine bei Löhnen fängt die Crux der ideologischen Auseinandersetzungen an. Genau besehen ist eine Entlohnung aber weder eine Entschädigung für Zeit noch für Kraft noch für ein bestimmtes Talent, sondern lediglich der vereinbarte Wert für die Ware, die ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb der gemeinsamen Produktion abkauft.
[Weder Zeit, noch eine individuelle physische Beschaffenheit (blaue Augen, Form der Finger, Anteil von Muskelmasse, Art und Güte der Ausprägung eines Sinns, Länge der Nase oder Haut- und Haarfarbe), noch ein persönliches Talent haben irgendeinen Warenwert!]
Jeder Lohn ist aber eine erlöste Ware aus gemeinsam erzeugten Produkten und eine Anweisung auf andere Waren, genauso wie der Verkauferlös an der gemeinsam erzeugten Ware für den Arbeitgeber eine Anweisung auf andere Waren ist – von denen er einige den Arbeitnehmern abkauft und die er aufgrund seiner Stellung in den Handel bringt.
Wenn nun einmal die Wertschöpfung nur durch den Erlös, sprich: durch Konsumtion entsteht, so ist mit Denknotwendigkeit auch erst eine Steuerfälligkeit am Ende dieses Wirtschaftskreislaufs ansetzen und möglich, wenn sie nicht rein willkürlich vorher schon freies Wirtschaften korrumpieren will.
Das bedeutet, alle Steuern können konsequenterweise nur Steuern auf tatsächlichen Konsum sein, weil nur an dem Verwirklichungspunkt des Wirtschaftskreislaufs, an dem einzig und allein Wertschöpfung entsteht, eine Besteuerung konkludent stattfinden kann.
Jede andere Steuer außer der Steuer auf Konsum ist eine willkürliche Steuer, die ungesund von außen in den Wirtschaftskreislauf einwirkt. Alle solche Steuern sind willkürliche ideologische Eingriffe und politische Steuerungen des ansonsten homogenen und in sich gesunden Wirtschaftskreislaufs. Je nach Lust und Laune, je nach politisch-ideologischer Strömung werden ja die kuriosesten Steuern erfunden, die aber mit einem Erlös als Steuern für das Gemeinwohl aus der tatsächlichen Wertschöpfung des gemeinsamen Wirtschaftslebens, aus der wirklichen wirtschaftlichen Werteschaffung heraus, keinerlei natürlichen Zusammenhang haben.
Nur in dem Moment der Konsumption kann auch für das Gemeinwohl, für das Staatswesen, ein Anteil der Wertschöpfung als Anweisung auf Waren für das Gemeinwohl, in Form von Steuern erhoben werden. Alle anderen Steuern sind nicht nur willkürliche, sondern auch mißbräuchliche Eingriffe. Die Liste solcher Willkürsteuern und deren ordnungspolitisch-ideologische Stoßrichtungen als Beherrschungs- und Steuerungselemente gesellschaftlich-kulturellen Lebens, ist lang und die Beklagnisse darüber sind ebenso vielfältig wie riesengroß, weil allerorten, je nach ideologischer Zugehörigkeit, Übervorteilungen und Benachteiligungen gesehen werden, die sich eben aus diesen Willkürsteuern zwangsläufig ergeben.
Ob Steuerflucht oder Schummeleien bei der Steuererklärung, ob Subventionsmißbräuche usw. sie sind allesamt auf besondere Weise angeregt durch den Willkürcharakter des gegebenen Steuersystems.
Würden hingegen alle Steuern, bis auf die Besteuerung von Konsum, abgeschafft - wobei die Besteuerung des Konsums nicht linear sein kann, da ein Salatkopf und ein Elektronenmikroskop anderen Vorbedingungen in der Herstellung unterliegen -, würde eine gesellschaftsorganische Gerechtigkeit des Steuerzahlens sich entwickeln.
Derjenige der viel konsumiert bezahlt viel, immerhin nimmt er damit ja auch die gesamte Infrastruktur mehr in Anspruch, als ein Asket.
Außerdem würde jede Steuererklärung entfallen und damit jede Möglichkeit des Betrugs.
Wer dann jedoch immer noch keine Steuern zu zahlen gewillt wäre, müßte sich halt einfach jeden Konsum verweigern, zum absoluten Selbstversorger mit eigenem Bergwerk usw. werden – oder eben versuchen von Luft und Liebe zu leben!
@GEBE
"Wer dann jedoch immer noch keine Steuern zu zahlen gewillt wäre, müßte sich halt einfach jeden Konsum verweigern, zum absoluten Selbstversorger mit eigenem Bergwerk usw. werden – oder eben versuchen von Luft und Liebe zu leben!"
Ich hätte da nen Vorschlag: 6 Monate in Deutschland steuerfrei verdienen, dann 6 Monate auf den Kanarischen Inseln wie ein König leben. Außerdem in Deutschland nach Möglichkeit alle Waren und Dienstleistungen "schwarz" erwerben. Wenn estmal die Currywurst mit Konsumsteuer 5 €, ohne aber 1 € kostet - dann wird man sogar schwarz betriebene Imbissbuden finden.
Nun gut, man kann halt in einem Beitrag nicht alles unterbringen. Natürlich gibt es den § 35a. In der Masse bleibt den meisten jedoch nur die Schornsteinfegerrechnung. Und das BMF überlegt, einen Erlass herauszubringen wonach diese Kosten eben nicht mehr unter § 35a fallen, weil man ja eh dazu verpflichtet ist, den Schornsteinfeger fegen zu lassen...
§ 35a stellt aber ein schönes Beispiel dar, wie hier der Luxus von privaten Menschen steuerlich begünstigt wird - denn so kann man z. B. den Butler, die Putzfrau und den Gärtner absetzen. Richtig, weg damit. Aber dafür braucht man keinen Kirchhof.
Kommt mir irgendwie vor wie das Finanzierungskonzeptes des BGE Marke Werner Götz....
Und wie bewerten Sie dann die Tatsache, dass Menschen mit niedrigem Einkommen anteilig schlicht mehr verkonsumieren müssen(!) als hohe Einkommen, weil sie eine geringe bis negative Sparquote haben? Und somit dann umgekehrt gemessen am Einkommen eine wesentlich höhere Steuerquote als Reiche? Und wie wollen Sie ein Land derart abschotten, um zu verhindern, dass die mobilen Reichen ihre teuren Luxusgüter dann nicht einfach im Ausland kaufen, in welchem der Konsum weniger stark besteuert wird?
Mehr will ich dazu nicht sagen, es geht um Kirchhof und die Einkommensteuer, die Diskussion können wir gerne an anderer Stelle fortsetzen. Ich jedenfalls halte direkte Steuern auf Einkommen und Vermögen für gerecht - und gerade Konsumsteuern für ungerecht.
@ gweberbv
Es ist immer wieder amüsant, wie über die Konstruktion von Ausnahmen und Absonderlichkeiten (in diesem Fall hier Ihre „schwarz betriebenen Imbißbuden“) die Regel als suspendiert ausgewiesen gelten soll.
Ihren Einwand zu Ende gedacht, wirft ja die Frage auf: wo soll denn dieser Imbißbudenbetreiber überhaupt seine Imbißbude, das entsprechende Equipment und sogar die Würste herhaben? Etwa auch alles schwarz? Und seine Kunden bezahlen alle auch mit Schwarzgeld; fahren zur Imbissbude mit Autos, die schwarz gekauft und schwarz hergestellt worden sind mit Maschinen, die wiederum schwarz hergestellt worden sind, bezahlen ihre Autos mit Schwarzgeld aus diesen Schwarzarbeitsverhältnissen, fahren damit auf Straßen, die schwarz gebaut worden und schwarz unterhalten werden, tanken schwarz verkauften Treibstoff an schwarz betriebenen Tankstellen, die schwarz hergestellten Treibstoff verkaufen? Wo soll den all das „schwarze Zeug“ verdeckt herkommen? Merken Sie die Absurdität Ihrer Aussage, wenn Sie diese zuende denken?
Auch der Budenbesitzer hätte nämlich ja für seine Bude mit samt Verkaufsequipment und Waren schon Konsumsteuer bezahlt und deshalb selbstredendes Interesse daran sie dem Geschäftssinne nach grundsätzlich zu verkaufen - und nicht nur an ein paar Schwarzarbeiter! – deren Schwarzarbeit auch insofern unsinnig wäre, weil sie selbst für die fahrt zur Schwarzarbeit Konsumsteueraufwendungen gehabt hätten?! Man o Mann!
Gerade aber dann, wenn Sie es so systemisch zuende denken würden, könnten Sie mit Leichtigkeit bemerken, daß Sie sich damit den Beleg selbst geliefert haben, daß es solche, wie von Ihnen angeführten Ausnahmen nicht mehr geben würde.
@ Dennis82
Wieso Land abschotten?
Die ganze Welt wäre geradezu herzlichst eingeladen so viel wie möglich sich am Handel im Land zu beteiligen, zu kaufen und zu verkaufen – eben um Konsumsteuer zu generieren.
Wer spart, konsumiert nicht – und schränkt andere zudem auch noch im Konsum ein, weil diese – so wie er wiederum für andere die Sparrendite sprich: die Zinsen erwirtschaften muß. Das ist ein Unsinnskreislauf. Man behält also Geld vom Konsum fern (spart), läßt es aber an andere als Kredit weiterreichen, die diese damit konsumieren. Diese zahlen dafür Zinsen, welche ja nichts anderes sind als dafür auf einen Teil des Konsums zu verzichten. Es ist das eine absolut törichte Spirale; man verlagert die Probleme, nichts weiter. Nun können Oberschlaumeier herkommen und einwenden, na ja, dann muß halt eben mehr Wachstum her. Na Prost! Am Ende dieser Spirale stehen Millionen von Menschen, die wegen andererleute Zins und Zinseszinsen komplett auf Konsum verzichten müssen – und tagtäglich verrecken, weil sie noch nicht einmal Nahrundmittel konsumieren können
@GEBE
Ich habe da etwas flapsig geantwortet. Also gebe ich mir jetzt etwas mehr Mühe, auf die Probleme bei der Reduzierung auf Konsumsteuern hinzuweisen. Ist halt ein typisches Beisiel für eine Idee, die zunächst sinnvoll erscheint und bei genauerem Hinsehen ergeben dann jede Menge Ungereimtheiten.
Fangen wir ganz am Ende an:
"Auch der Budenbesitzer hätte nämlich ja für seine Bude mit samt Verkaufsequipment und Waren schon Konsumsteuer bezahlt..."
Nein, hat er mit Sicherheit nicht. Auch heute wird die Konsumsteuer (Mehrwertsteuer) ja nur vom Endverbraucher bezahlt. Macht auch Sinn, denn man bei jeder Transaktion auf dem Weg vom Rohstoff zum Endprodukt zulangen wollte, würde man lediglich die Bildung riesiger Konglomerate befördern, bei denen dann von der Aufzucht der Ferkel bis zum Verkauf der Wurst alles "in-house" abläuft. Unabhängige Imbißbudenbesitzer, Wurstfabrikanten, Zwischenhändler etc., die für ihre Einkäufe Konsumsteuern zahlen müssten, hätten ja keine Chance gegen Unternehmen, die die ganze Produktionskette selbst abdecken. Ok, das nur als Hinweis, dass du da vielleicht manches noch nicht so ganz zuende gedacht hast.
"wo soll denn dieser Imbißbudenbetreiber überhaupt seine Imbißbude, das entsprechende Equipment und sogar die Würste herhaben? Etwa auch alles schwarz?"
Wo haben denn die freundlichen Zigarettenverkäufer mit asiatischem Einschlag in Berlin die Zigaretten her? Winkt genug Profit, dann finden sich Mittel und Wege - zumindest meistens.
Und warum ist es überhaupt sinnvoll, Zigaretten zu schmuggeln und schwarz zu verkaufen? Weil die Verkaufssteuer die Herstellungskosten der Ware um ein Vielfaches übersteigt! Heute ist das nur in Ausnahmefällen gegeben. Aber bei einem Steuersystem, das allein Konsumsteuern kennt, wäre das bei nahezu jeder Ware und Dienstleistungen der Fall. Einerseits wird die Herstellung viel billiger, andererseits die Steuer beim Verkauf viel höher. Da geht eine Schere auf, die inoffizielle Geschäfte ungeheuer rentabel werden läßt. Mach dir klar: Nur eine einzige Hürde muss genommen werden (die Konsumsteuer) und schlagartig wäre man von allen Finanzierungsverpflichtungen für das Gemeinwesen befreit! Das ist geradezu eine Einladung, sich krumme Sachen auszudenken.
Weitere Denkanstöße:
- Grenzverkehr zu Ländern mit konventionellen Steuersystemen müsste massiv überwacht werden.
- Waren aus solchen Ländern wären in Deutschland nahezu unverkäuflich, da dort im Verkaufspreis ja schon einige Steuern aus den Ursprungsländern drin sind, bevor in D. dann die extrem hohe Konsumsteuer drauf käme. Anmerkung: Genau deswegen gibt es in der EU Vereinbarung zu erlaubten Höchstsätzen für Mehrwertsteuer!
- Empfänger von Renten und Sozialleistungen haben nichts von steuerfreien Einkommen, müssten aber die höheren Konsumsteuern bezahlen.
"Aber dafür braucht man keinen Kirchhof."
Um die Wehrpflicht abzuschaffen, brauchte es aber interessanterweise einen Guttenberg.
Nicht falsch verstehen: Auch ich halte die Flattax für unsozial und unsinnig. Aber die Vorstellung, endlich einmal im Regelwerk tabula rasa zu machen, die hat etwas sehr verlockendes.
Vielleicht könnte man auch Gesetze grundsätzlich mit einer gewissen Laufzeit versehen, so dass diese alle paar Jahre erneut beschlossen bzw. verlängert werden müssen.
@ gweberbv
Was spricht dagegen, die Konsumsteuer [keine Mehrwertsteuer heutigen Zuschnitts(!)] zu staffeln? Nicht ideologisch, sondern objektiv anhand der Parameter, die kultur- und sozialstiftend, ökologisch und nachhaltig die Ressourcen schonend, die Infrastruktur schonend usw. benennbar sind. Warum nicht z.B. auf Grundnahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs, und auf medizinische und kulturelle Güter und Dienstleistungen eine geringe und auf andere Güter und Dienstleistungen eine sich ansteigende Konsumsteuer erheben?
Ja, natürlich muß der Budenbesitzer die von ihm auf den EK bezahlte Konsumsteuer einpreisen. Jeder Unternehmer bekäme sie auch nicht mehr von der Finanzverwaltung gegengerechnet, also auch keine USt-Abgabe mehr.
Ihr Beispiel mit den Zigarettenverkäufern bezeichnet Kriminalität. Es wird immer Kriminelle und Betrüger geben. Soll sich dem aber im Ernst ein Steuersystem unterwerfen?!
Warum müßte der Grenzverkehr besonders überwacht werden? Wenn, wie sie argumentieren, die Waren kaum verkäuflich wären (was zu bezweifeln gilt), dann sollen diese Länder – und sie würden es im Schweinsgalopp machen – gefälligst ihr Steuersystem entsprechend auch umstellen.
Gesetze sind dazu da, sie aus besserer Einsicht zu ändern!
@GEBE
"Warum nicht z.B. auf Grundnahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs, und auf medizinische und kulturelle Güter und Dienstleistungen eine geringe und auf andere Güter und Dienstleistungen eine sich ansteigende Konsumsteuer erheben? "
Kein Problem, ist heute schon der Fall (gibt zwei Mehrwertsteuersätze - und zusätzlich noch zig andere produktspezifische Konsumsteuern).
"Ja, natürlich muß der Budenbesitzer die von ihm auf den EK bezahlte Konsumsteuer einpreisen."
Scheinbar hast du meine Ausführungen oben nicht verstanden. Also, eine Steuer kann es nur geben, wenn ein Produkt den Besitzer wechselt, richtig? Also z. B. dann, wenn der Budenbesitzer bei der Wurstfabrik die Wurst kauft. Ok, dann prophezeihe ich dir, dass es keine Woche dauert und jede Imbißbude gehört einer Wurstfabrik oder umgekehrt. Wenn dann die Wurst von der Fabrik zur Imbißbude wandert, fällt nämlich keine Steuer mehr an, sondern erst beim finalen Verkausprozess an den Endverbraucher. Nun verstanden?
Diese Ungleichbehandlung von Imbißbude plus Wurstfabrik in einem Unternehmen und beiden als getrennte Unternehmen ist natürlich total unsinnig.
"Es wird immer Kriminelle und Betrüger geben. Soll sich dem aber im Ernst ein Steuersystem unterwerfen?!"
Es gibt Systeme, innerhalb derer die Versuchung, sich kriminell zu verhalten, größer ist als in anderen. Wenn du keinen totalitären Polizeistaat aufbauen willst, dann solltst du lieber darauf achten, dass die Versuchung nicht zu groß ist.
"Warum müßte der Grenzverkehr besonders überwacht werden?"
Weil ich mir sonst meinen neuen Fernseher einfach im Nachbarland bestelle, wo die Konsumsteuern niedriger sind. Oder ich fahre im grenznahen Bereich für jeden größeren Einkauf rüber.
"... dann sollen diese Länder – und sie würden es im Schweinsgalopp machen – gefälligst ihr Steuersystem entsprechend auch umstellen."
... oder sie verhängen Strafzölle gegen deutsche Produkte, weil eine unmäßig hohe Konsumsteuer bei gleichzeitiger Streichung anderer Steuern als Einfuhrhindernis für ausländische Waren in Deutschland anzusehen ist.
Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, sie ist ausgesetzt... ;)
Genau dieser weit verbreitete Wunsch nach einem tabula rasa macht sich Kirchhof ja zunutze. Dass dabei eine Vielzahl komplizierter, aber eben auch sinnvoller Regelungen mit in den Orkus verschwindet, sehen die wenigsten. Die Absicht, das objektive und subjektive Nettoprinzip einfach abzuschaffen wird ja noch nicht einmal wahrgenommen! Denn nicht alles, was ein Kirchhof populistisch als "Privilegierung" und "Subvention" bezeichnet, ist auch eine solche. Die Pendlerpauschale z. B. ist ein Ausfluss des Nettoprinzips. § 35a ist eine Steuervergünstigung. Diese Feinheiten werden oft unter dem Begriff "absetzen" vereinfachend vermischt, sind jedoch steuersystematisch völlig unterschiedliche Dinge.
@GEBE
>>Genau besehen ist eine Entlohnung aber weder eine Entschädigung für Zeit noch für Kraft noch für ein bestimmtes Talent, sondern lediglich der vereinbarte Wert für die Ware, die ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb der gemeinsamen Produktion abkauft.
Der beliebte Denkfehler besteht hier darin, dass ein 1-Person-Handwerksbetrieb zugrunde gelegt wird.
Der Handerwerker hat Werkzeuge und Maschinen gekauft, kauft Rohstoffe/Zwischenprodukte und Energie und erstellt daraus mittels seiner Arbeitskraft ein Produkt. Dieses Produkt, mit eigenen Produktionsmitteln und Rohstoffen erstellt, ist sein Eigentum, das er auf dem Markt anbietet.
Natürlich kann man sich nun vorstellen, dass sich Einzelhandwerker zu einem grösseren Betrieb zusammenschliessen, um durch Arbeitsteilung, effizientere Maschinenazuslastung und eventuell die Anschaffung automatisierter Maschinen ihre Mühe pro Produktioneinheit zu verringern oder mit gleicher Mühe den Produktausstoss zu erhöhen. Das ist mit der Bildung von Genossenschaften denkbar.
In einem kapitalistischen Betrieb läuft das aber anders ab: Die Produktionmittel wurden von einem nicht produzierenden Kapitalakkumuleur gekauft: Sie sind sein Eigentum, das seine Beauftragten für ihn auf dem Markt verkaufen.
Anders als der selbstproduzierende Handwerker, der an seinen Produktionsmitteln eigene Arbeitskraft einsetzt, muss der nichtproduzierende Produktionsmittelbesitzer Arbeitskraft kaufen, damit etwas aus seinem Betrieb heraus kommt. Damit wird die Arbeitskraft zur Handelsware, ihr Preis wird „Lohn“, „Gehalt“ oder zusammenfassend „Arbeitsentgelt“ genannt.
Der Erlös für verkaufte Arbeitsergebnisse gehört dem Besitzer der Produktionsmittel, er bezahlt davon, was er zum Zweck der Produktion einkaufen lässt und wünscht, dass möglichst viel für seine Privatnutzung als „Kapitalrendite“ übrig bleibt.
Das ist der Grund dafür, dass Arbeitsentgelte bei gleichzeitig steigenden Preisen für Arbeitsergebnisse sinken können.
Damit kommen wir zum zweiten, ebenfalls oft und gerne kolportierten Denkfehler:
Sie setzen voraus, dass Produktion/Konsumtion ein geschlossener Kreislauf sei. Ein solches gesellschaftliches Wirtschaften ist denkbar, wir praktizieren es aber zur Zeit nicht. Der Kreislauf ist offen für die Entnahme eines Mehrwertanteiles, der für nichtproduzierende Produktionsmittelbesitzer zu arbeitslosem Einkommen wird. (Ein Besitzer, der selber im Betrieb managt, kann sich ein Gehalt als „Geschäftsführer“ auszahlen, das hindert ihn aber nicht an der zusätzlichen Entnahme von Mehrwert als leistungslose Rendite)
Gehen wir davon aus, dass jeder Mensch sich selbst der Nächste ist, dann wünscht natürlich der Renditebezieher, dass sein Anteil an der Finanzierung des Staatshaushaltes möglichst gering ausfallen möge. Das weiter ergibt sich aus dem, was gweberv und Dennis82 schon oben geschrieben haben:
Wer aus dem Erlös vom Verkauf seiner Arbeitskraft z.B. 24 000 € pro Jahr hat, wird das wohl vollständig für die Konumtion ausgeben. Wer z.B. aus Kapitalrendite 24 000 000 € in einem Jahr hat, wird wahrscheinlich mit nur 2 400 000 € schon ein hochkomfortables Leben führen können. Mit diesen 10 % seines Einkommens wäre er per Konsumsteuer am Staatshaushalt beteiligt. 22 600 000 €, also 90 % seines Einkommens bleiben vollständig steuerfrei und können so komplett für die Mehrung des Besitzes reinvestiert werden. Das ist einer der Gründe für die Forderung, dass der Staatshaushalt ausschliesslich durch eine Konsumsteuer finanziert werden soll.
Und weil sich jeder selbst der Nächste ist, werden Bezieher von Hoch- und Höchsteinkommen natürlich verfügbare Propagandamittel für die Propagierung eines sie privilegierenden Steuersystems einsetzen. Auch das sollten wir uns klar machen: Was uns überall, in den Massenmedien oder im Internet mit leicht konsumierbaren Artikeln und Werbefilmchen über den Kopf gehauen wird, ist nicht Information, sondern Propaganda.
Das gilt für Götz Werner wie auch für das "Kirchhof-Modell" und andere "Weisheiten"
@ claudia
Indem man Falsches wiederholt, wird es dadurch nicht richtiger.
„Der beliebte Denkfehler besteht hier darin, dass ein 1-Person-Handwerksbetrieb zugrunde gelegt wird.“
Wieso kommen Sie darauf, daß ich nur einen Handwerksbetrieb im Blick hätte? Was ist denn das Wesen eines Betriebs überhaupt?
“In einem kapitalistischen Betrieb läuft das aber anders ab: Die Produktionmittel wurden von einem nicht produzierenden Kapitalakkumuleur gekauft: Sie sind sein Eigentum, das seine Beauftragten für ihn auf dem Markt verkaufen.“
Irrtum! Woher kommt den bitteschön das „akkumulierte“, also das angehäufte Kapital?
“Anders als der selbstproduzierende Handwerker, der an seinen Produktionsmitteln eigene Arbeitskraft einsetzt, muss der nichtproduzierende Produktionsmittelbesitzer Arbeitskraft kaufen, damit etwas aus seinem Betrieb heraus kommt.“
Und genau das ist ein Denkfehler aus tradierter Denkgewohnheit:
Die vollkommen irrige Auffassung, es werde Arbeitszeit und Arbeitskraft bezahlt, als Tausch für Ware, ist ein Geschäft, das überhaupt nicht vollziehen läßt. Es können in Wahrheit weder Zeit noch Arbeitskraft, noch persönliche Talente und individuelle menschliche Ressourcen als individuelles „Vermögen“ usw., die für den Begriff Arbeitskraft heute stehen, miteinander getauscht werden.
Nur Waren können getauscht werden und dementsprechend mit dem Äquivalent Geld als Wertaufbewahrungsmittel bezahlt werden.
Es ist vollkommen töricht zu meinen, Arbeitskraft sei eine Art geronnener Wert im Endprodukt, also eine Ware, so wie in einer Blutwurst das Blut. Diese Dummheit, wie sie der Marxismus predigt, wird heutzutage inzwischen vom Kapitalismus nachgebetet wird. Dadurch bekommt die Bedeutung: „Historischer Materialismus“ schon eine recht süffisant begriffsstutzige Note, wenn Neokapitalismus sich den Kernpunkt des Marxismus zueigen macht!
Geld und Arbeit sind keine austauschbaren Werte, sondern nur Geld und Arbeitserzeugnisse! Geld für Arbeit tauschen zu wollen, ist ein vollkommen illusorisches Scheingeschäft.
In einem gesunden sozialen Organismus kann Geld nur eine Anweisung auf Waren sein, die von anderen erzeugt worden sind, und die man aus dem Gesamtgebiet des gemeinsamen Wirtschaftslebens nur deshalb beziehen kann, weil man selbst erzeugte Waren/Dienstleistungen dahin abgegeben hat.
Noch eines:
Neben der Physis (der angeblichen Arbeitskraft) des Menschen als Ware, ist heutzutage, und es gilt ja als besonders fortschrittlich, das Seelisch-Geistige des Menschen zur Ware zu degradieren. Das Zwischenmenschliche wird als Werkzeug und Mittel zum Zweck des Wirtschaftserfolgs okkupiert und unter Knechtschaft gestellt.
Unzählige geldgeile Taugenichtse verkaufend unterwegs und haben eingetrichtert bekommen, ihre potentiellen Kunden zwischenmenschlich emotional raffiniert einzulullen um Verkaufserfolge zu erzielen. Es werden allergrößte Anstrengungen unternommen, Menschen über den Einsatz geheuchelter Zwischenmenschlichkeit zum Kaufabschluß zu bringen, weil sich die entsprechenden Waren und Dienstleistungen alleine über ihren eigenen Gebrauchswert nur schlecht verkaufen lassen, da es so viele davon gibt, die sich kaum noch voneinander unterscheiden.
So lasse ich mal die Nebenkriegsschauplätze, Götz Werner etc, und beziehe ich mich auf deinen Blogbeitrag: Abgeltungssteuer abschaffen!!
Da müsste Dir doch P. Kirchhofs Modell mit einer einheitlichen - einheitlich meint nicht 25% - Einkommenssteuer auch auf Kapitalerträge entgegenkommen, bzw. einer Besteuerung, die damit Schluss macht, dass Arbeit höher besteuert wird als das Kapital. Zu dem auch von Kirchhof als zu niedrig gehaltenen Höchstsatz von 25 % in seinem Stufen-Modell, kommt es nur, weil ein höherer Satz aus Kapitaleinkünften massive Kapitalflucht auslösen würde, politisch nicht umsetzbar wäre.
Auch empfehle ich die Argumente ernst zu nehmen, die a) eine Vereinfachung befürworten, und vor allem b) Steuermoral und Steuergerechtigkeit in dieser so "komlexen Lebenswirklichkeit" einfordern, die Tendenz nämlich bemängeln, sich dämlich zu fühlen, wenn man nicht den 1001.ten legalen Steuertrick zur Anwendung gebracht hat. Und sind nicht der hier schon erwähnte § 35a, die Abgeltungsflat-rat, niedrige Körperschaftsteuer, alles Indizien dafür, dass gerade die Vermögenden durch das geltende Steuerrecht begünstigt werden ? !
Anders als Du meine ich, gerade sich als links einschätzende Leute und Parteien sollten sich Kirchhof und sein Modell mal genauer anschauen.
wo ? auf dtcp!!
www.dctp.tv/#/vorfahrtsregeln-der-macht/paul-kirchhof-das-mass-der-gerechtigkeit/