Zeitgeschichte Mit einem Coup der Generalität beginnt der Spanische Bürgerkrieg. Wäre der Putsch gescheitert, hätten nicht Deutschland und Italien zugunsten Francos eingegriffen?
Francisco Franco (Mitte) und Emilio Mola (rechts) im August 1936 in Burgos
Foto: United Archives International/Imago
Mitte der 60er Jahre bedienten sich ein französischer Dokumentarfilm und ein als Antwort darauf konzipierter Gegenfilm des spanischen Propagandaministeriums des gleichen Wochenschau-Materials. Der eine wollte belegen, wie im Spanischen Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939 „Faschisten Kommunisten“ umbrachten, der andere, wie „Kommunisten Faschisten“ töteten. Das Verfahren machte Schule und war ein Zeichen dafür, wie vom Kalten Krieg gelenkte Interessenkonjunkturen den Blick auf den Bürgerkrieg verstellten.
Als Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 war Spanien spätestens mit dem Übergang zur Republik am 14. April 1931 in eine innenpolitisch brisante Lage geraten. Die monarchistische Rechte formierte sich gegen den demokratisierten Sta
emokratisierten Staat und die von ihm ausgehenden sozialen Reformen. Die Generalität konspirierte wie immer mit der Reaktion, auch wenn ihr Anführer, General José Sanjurjo y Sacanell, ins Exil gehen musste. Von links agitierten sozialistische und anarchistische Gruppen dafür, die Reformpolitik zu radikalisieren. Die Parlamentswahlen vom November 1933 gewann eine Allianz aus reaktionären, konservativen und liberalen Parteien, die ein einziges Ziel zusammenhielt: Die bescheidenen Reformen der vorangegangenen Regierung von Premier Manuel Azaña sollten schnell wieder kassiert werden.Den Höhepunkt der Proteste gegen die Restauration bildete der bewaffnete Aufstand der Bergarbeiter in Asturien vom Oktober 1934. Die Regierung schickte General Franco in die Region. Von den 1.335 Toten waren vier Fünftel Arbeiter, mehr als 30.000 Menschen wurden verhaftet, Zehntausende verloren ihren Arbeitsplatz. Die Mitte-Rechts-Regierung verfolgte die Arbeiterführer unerbittlich, verbot die oppositionelle Presse und bewirkte damit eine Solidarisierung zwischen bis dahin verfeindeten anarchistischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien und Gewerkschaften. Vor den Wahlen vom 16.Februar 1936 schlossen sich alle zu einer Volksfront zusammen. Selbst die Anarchisten schenkten sich den üblichen Aufruf zum Wahlboykott. Das Programm des Bündnisses war defensiv und zielte hauptsächlich auf die Fortsetzung der Agrarreform, die Wiedereinstellung der 1934 Entlassenen und eine Amnestie.Jedenfalls konnten die Volksfrontparteien die Wahlen mit einem Vorsprung von gut 200.000 Stimmen gewinnen und waren bei den Parlamentsmandaten (278 zu 171) klar überlegen. Der neuen republikanisch-liberalen Regierung, die „Freiheit, Glück und Gerechtigkeit in Spanien“ versprach, wollten jedoch weder die Sozialisten (PSOE) noch die Kommunisten (PCE) noch die Vereinigte Marxistische Arbeiterpartei (POUM), geschweige denn die Anarchisten angehören. So geriet das Kabinett von Ministerpräsident Santiago Quiroga schnell von allen Seiten unter Druck. Die Polarisierung entlud sich im Terror rechtsradikaler Todesschwadronen, der pistoleros und requetes, gegen demokratische Politiker, ebenso in gewaltsamen Aktionen von links – bei Streiks, bei Landbesetzungen, bei Demonstrationen, bei Fememorden und beim Sturm auf Kirchen und Klöster. Die putschgewohnten Militärs warteten zunächst ab, schlugen dann aber zu, als Polizisten am 13. Juli 1936 den Führer der Rechten – José Calvo Sotelo – entführten und ermordeten. Ein Racheakt für den tödlichen Anschlag auf einen republikanischen Polizeioffizier tags zuvor. Am 17. Juli rebellierten die Militärs in Nordafrika, am folgenden Tag vier Generäle im Westen und Nordwesten Spaniens.Das Handlungsmuster glich den Militärputschen, wie sie Spanien schon dutzendfach erlebt hatte. Niemand erwartete einen Bürgerkrieg. Den Widerstand, der letzen Endes doch dazu führte, trugen bewaffnete Arbeiter und Bürger in den großen Städten. Sie waren entschlossen, die Republik gegen den Putsch des Militärs zu verteidigen. Drei weitere Faktoren führten dazu, dass sich die Generalsrevolte nicht mehr eindämmen ließ: die Intervention aus dem Ausland, der Übergang von der Verteidigung der Republik zur sozialen Revolution, woran besonders die Anarchisten Anteil hatten, und eine weltweite Resonanz, die der Bürgerkrieg durch die Anteilnahme vieler europäischer Intellektueller fand. Dazu passt, dass General Franco sich und seinen Sieg außer mit einer Militärparade am 1. Mai 1939 einen Tag später auch mit einer Bücherverbrennung feiern ließ.Das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien stellten sich schon zwei Wochen nach dem Putsch hinter die aufständischen Generäle. Deren Coup wäre zusammengebrochen, wenn nicht deutsche und italienische Flugzeuge spanische Soldaten und marokkanische Söldner mit der ersten Luftbrücke der Kriegsgeschichte, dem „Unternehmen Feuerzauber“, seit Anfang August 1936 auf das Festland geflogen hätten. Die Bedeutung dieser kriegsentscheidenden Hilfe wurde nach 1945 und bis in die 80er Jahre hinein von einem bedeutenden Teil der deutschen Presse mit dem Hinweis weggewischt, die Sowjetunion habe gleichsam kompensatorisch die republikanische Seite unterstützt und somit ein Gleichgewicht hergestellt. „Wie Deutschland und Italien den ,Weißen‘, leisteten Frankreich und die Sowjetunion den ,Roten‘ materielle Hilfe“, hieß es im Juli 1961 in der Süddeutschen Zeitung. Die ersten sowjetischen Waffen trafen indes erst mit fast viermonatigem Verzug in Spanien ein und spielten von der Qualität wie Menge her keine entscheidende Rolle. Erst mehr als ein Jahr nach Beginn des Bürgerkriegs verfügte die Republik über militärisch ausgestattete Formationen, die man als Armee bezeichnen konnte. Ein Gleichgewicht in der Bewaffnung gab es nie, weil sich Großbritannien und Frankreich für die Nichteinmischung entschieden. Dagegen standen schon Anfang 1937 rund 50.000 italienische und bis zu 8.000 deutsche Soldaten in Spanien, darunter die berüchtigte Legion Condor,die Hermann Göring, Chef der deutschen Luftwaffe, als „Francos Feuerwehr“ zur Verfügung stellte.Nach 1945 richtete sich die Deutung des Bürgerkrieges lange Zeit nach den vom Kalten Krieg geprägten Wahrnehmungsrastern. Unterschätzt oder ausgeblendet wurden in der Sowjetunion wie der DDR die Anarchisten und Anarchosyndikalisten, die eine Zeit lang politisch und militärisch die stärkste Fraktion unter den Verteidigern der Republik stellten. Allerdings war ihnen der Kampf gegen jede Form von Staat, Eigentum, Hierarchie und Kirche oft wichtiger als die Republik. Sie wollten Krieg führen gegen die Nationalisten und zugleich die Gesellschaft revolutionär verändern. Die Kommunisten wiederum handelten als Verteidiger der Republik wie der sowjetischen Interessen und waren obendrein ein Gegner aller anderen Linken.Hitlers Paladin Hermann Göring brüstete sich 1946 vor dem Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg damit, in Spanien „die Ausweitung des Kommunismus“ verhindert zu haben. Tatsächlich hatte die spanische PCE um 1930 noch keine 300, 1933 rund 3.000 und 1935 höchstens 30.000 Mitglieder. Die Vorstellung, Stalin habe das Geschehen auf republikanischer Seite kontrolliert und in seinem Sinne instrumentalisiert, verfälscht die Geschichte. Verhältnisse, wie sie nach 1945 in den Volksdemokratien Osteuropas herrschten, gab es in Spanien nicht.Im Westen wurde Franco nach 1945 vom Putschhäuptling zum ehrenwerten Antikommunisten der erste Stunde. In einem Artikel zum 25. Jahrestag des Staatsstreichs rechtfertigte Robert Held 1961 in der FAZ die Revolte der Obristen als Präventivmaßnahme, mit der man das Schlimmste gerade noch verhindert habe, da sonst „zu viel Freiheit (...) in Unfreiheit“ umgeschlagen wäre. Die rechtsradikale Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung übernahm im August 1961 diese Sprachregelung. Erst 1986, zum 50. Jahrestag des Bürgerkrieges, fand die deutsche Presse – etwa in einer vierteiligen Spiegel-Serie – zu einer mehr sachlichen und wissenschaftlich haltbaren Wiedergabe der Ereignisse.
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