1989 oder so

Musik Aggression ist ein guter Berater: Nach einem eher lauen Reunion-Album veröffentlichen die Pixies nun ein exzellentes Spätwerk

Die Geschichte ist ziemlich alt, aber so gut, dass man sie immer wieder gerne hört: 1986 schalteten Black Francis und Joey Santiago in der Bostoner Times eine Anzeige, um einen passenden Mitmusiker zu finden. Dieser, so schrieben sie, sollte vor allem eine Erwartung erfüllen: Er sollte gleichermaßen die Punkmusik von Hüsker Dü verehren – aber auch das luftige Folk-Verständnis von Peter, Paul and Mary.

Es meldete sich alsbald die Bassistin Kim Deal – und der Kern der Pixies hatte sich gefunden. Eine Band, die in den folgenden Jahren zu einer der bedeutendsten Indie-Rock-Gruppen der Welt aufsteigen sollte. Mit Surfer Rosa, Doolittle, Bossanova und Trompe Le Monde schuf die Band maßgebliche Alben, die bis heute Vorbild für nachgeborene Musiker sind.

Lange Jahre galten die Pixies als aufgelöst, seit 2004 geben sie wieder Konzerte, 2014 spielten sie das kompositorisch eher laue, hingehuschte Album Indie Cindy ein. Nur zwei Jahre später ist jetzt Head Carrier erschienen. Und das klingt nun wirklich wie ein fulminanter Neubeginn: Die Band, seit 2013 ohne Kim Deal, jüngst reformiert mit der Bassistin Paz Lenchantin, präsentiert sich grunderfrischt.

Von den Beatles gelernt

Zeit lassen sie sich auch auf dem neuen Werk nicht, exakt dort weiterzumachen, wo man sie schon immer am meisten mochte: Black Francis, Joey Santiago, David Lovering und Paz Lenchantin machen tatsächlich immer noch Musik für Menschen, die die ersten drei Platten der Band über alles lieben.

Es ist erstaunlich, wie viele hervorragende Songs auf diesem erst siebten Album der Band sind: Die Zutaten sind kaum verändert: Der extrem Kim Deal-eske Backgroundgesang von Paz Lenchantin, das stetige Wechseln von Laut und Leise, die drängenden Gitarrenakkorden von Joey Santiago, die surreale Verschrobenheit, dieser wummernde Superbass – klassischer Pixies-Sound. Aggression ist immer noch ein guter Berater: Man hört die neuen Stücke und denkt die alten gleich mit. Es tönt nach Debaser auf diesem Werk, nach Velouria und Where Is My Mind.

Die neuen Stücke heißen Um Chagga Lagga, Head Carrier oder Tenenement Song, Bel Esprit oder All I Think About Now – eine Art versöhnlicher, gezuckerter Abschiedsbrief von Black Francis an Kim Deal. Sie behandeln gewohnt skurrile Themen, besingen dreiköpfige Monster, die anderen den Kopf abschneiden. Kurt Cobain hätte sie geliebt, noch interessanter wäre es aber zu hören, was David Bowie zu diesem Album gesagt hätte. Womöglich, dass es in den 80er Jahren keine andere Band gab, die dermaßen zerstörerisch und einschmeichelnd klingen konnte, die so viel mehr von den Beatles gelernt hat, als viele damals dachte.

1989 oder so

Das Eingängige und Ausufernde, das Romantische und Grantige, das Harmonische und Disharmonische: Head Carrier dampft solche vermeintlichen Antagonismen mit großer Frische ein, macht daraus dunkle, spleenige, geheimnisvolle, exzessive Indie-Rockmusik, macht einen Sound, der immer noch unvergleichlich ist. Einen Sound, der dazu auch noch mit viel Liebe zum Detail verpackt ist. Die Gestaltung des Albums übernahm Vaughan Oliver, der bereits in den 80ern mit der Band gearbeitet hat. Das sieht man: Das Cover sieht aus, als wäre es am Farbkopierer entwickelt worden. 1989 oder so. Besser klingen kann ein Spätwerk nicht.

Head Carrier Pixies (Pixies Music/PIAS)

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