1990: Reform verpasst

Zeitgeschichte Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches der DDR fällt Ignoranz und beschleunigter Vereinigung zum Opfer. Er hätte das Grundgesetz bereichern können
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 28/2020

Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Thierse, gerade als Sympathieträger der Basis zum Parteivorsitzenden der SPD-Ost gewählt, erhebt Mitte Juni 1990 auf einem Sonderparteitag im anhaltinischen Halle eine Forderung, die aufhorchen lässt. Es müsse eine Volksabstimmung über eine künftige gesamtdeutsche Verfassung geben. So war es beim Verfassen des Grundgesetzes ausgedacht, so war es für den Fall der Wiedervereinigung versprochen. Daran erinnert er. Und das kurz vor der Währungsunion ab 1. Juli 1990, mit der die Weichen unwiderruflich für eine beschleunigte Wiedervereinigung gestellt werden.

Unabhängig davon, welche Aussichten eine Verfassungsdebatte zu diesem Zeitpunkt noch hat – wer sie führen will, steht nicht mit leeren Hä