28 Millionen Menschen unter Waffen

Dokument der Woche 1,2 Billionen US-Dollar für Militärausgaben - das globale Wettrüsten geht weiter

Die Militärausgaben in Deutschland steigen wieder: zunächst von 27,5 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 28,4 Milliarden 2007. Planungen haben bereits die 30-Milliarden-Marke im Blick. Weltweit deutet vieles auf einen Rüstungswettlauf hin. Marc von Boemcken hat die internationale Lage im Jahresbericht des Bonn International Center for Conversion (BICC) zusammengefasst - der Freitag dokumentiert Auszüge daraus.

Der Gesamttrend hin zu erneuter globaler Aufrüstung, der Ende der 1990er Jahre begann und nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 einen markanten Anstieg zeigte, setzte sich auch im gesamten Jahr 2006 fort. Zwischen 2001 und 2006 nahmen die weltweiten Militärausgaben real um etwa 30 Prozent zu. Für 2006 beliefen sie sich auf geschätzte 1,179 Billionen US-Dollar. (*)

Fast die Hälfte des Gesamtbetrags entfiel auf die Verteidigungsausgaben der USA, die sich auf insgesamt 528 Milliarden US-Dollar beliefen. Aber auch unabhängig von den USA haben die Ausgaben weltweit zwischen 2001 und 2006 zugenommen, wenn auch nur mit einer relativ niedrigen Zuwachsrate von rund 15 Prozent. Von den 171 Staaten, die vom BICC untersucht wurden, haben 69 ihren Verteidigungshaushalt in den letzten Jahren deutlich erhöht, während nur in 22 Ländern eine spürbare und dauerhafte Senkung der Militärausgaben festzustellen war. Neben den USA hatten folgende Staaten 2006 die größten Militärhaushalte: Großbritannien (59 Milliarden US-Dollar), Frankreich (53 Milliarden US-Dollar), China (50 Milliarden US-Dollar) und Japan (44 Milliarden US-Dollar).

Es ist allerdings zu beachten, dass diese Zahlen anhand von Marktwechselkursen errechnet wurden und ausschließlich die staatlichen Mittelzuweisungen erfassen, die überwiegend an die Verteidigungsministerien flossen. So sind zum Beispiel in den oben genannten Verteidigungsausgaben der USA die für den "Krieg gegen den Terrorismus" aufgewandten Ressourcen, die in erster Linie durch außerplanmäßige Sonderzuweisungen bereitgestellt werden, nicht enthalten (2006 waren dies etwa 120 Milliarden US-Dollar). Außerdem sind viele Militärapparate - allen voran die chinesische Volksbefreiungsarmee - unternehmerisch tätig, wobei die erwirtschafteten Profite dem offiziellen staatlichen Haushalt in der Regel nicht zugeschlagen werden. Das Gleiche gilt für Indonesien, wo die offiziellen Verteidigungsaufwendungen der Regierung Schätzungen zufolge lediglich ein Drittel der gesamten Mittel des Militärs ausmachen.

Wenngleich bei den globalen Militärausgaben insgesamt eine Zunahme festzustellen war, zeigten sich bei regionaler Betrachtung deutliche Unterschiede. Die Regionen mit den weitaus höchsten Ausgaben in absoluten Zahlen waren Nordamerika und Westeuropa. Während jedoch die Verteidigungsausgaben in Nordamerika von 2001 bis 2006 um 52 Prozent stiegen - was die höchste Zuwachsrate weltweit bedeutet - nahmen sie in Westeuropa nur um vier Prozent zu.

Höchste Militärausgaben in Nordamerika und Westeuropa - die Schwellenländer holen auf

In den Regionen Zentral- und Südasien, Ost- und Südostasien, Nahost/Nordafrika und Osteuropa/Kaukasus/Russland stiegen die Militärausgaben seit 2001 im Durchschnitt um 25 bis 30 Prozent. Der Zuwachs der Verteidigungsausgaben in Südasien ist vor allem dem anhaltenden indisch-pakistanischen Konflikt über die Kaschmir-Region zuzuschreiben. Zunehmende Aufrüstung als Folge regionaler Spannungen ist auch in Teilen Ost- und Südostasiens zu beobachten, wo insbesondere China, Südkorea, Indonesien, Malaysia und Singapur einen wachsenden Anteil ihrer Ressourcen für den Ausbau ihres Militärs einsetzen.

Regionale Instabilität im Nahen Osten hat eine Reihe von Ländern in der Region dazu veranlasst, ihre militärischen Kapazitäten auszubauen. Vor allem der Iran und Saudi-Arabien wetteifern mit militärischen Machtprojektionen um regionalen Einfluss. Eine deutliche Zunahme der Verteidigungsausgaben war auch in Kuwait und Oman zu beobachten. Seit 2001 hat sich kein einziges Land in der Region ernsthaft darum bemüht, seine Militärausgaben nachhaltig zu reduzieren.

Ein uneinheitlicheres Bild bietet sich in Osteuropa. Auf der einen Seite haben die russischen Militärausgaben von 2001 bis 2006 beträchtlich zugenommen. In Reaktion auf die Pläne der Vereinigten Staaten, in Osteuropa ein Raketenabwehrsystem aufzustellen, erklärte Russland 2007 seine Absicht, die Militärausgaben im Laufe der kommenden Jahre weiter zu erhöhen. Auf der anderen Seite haben einige osteuropäische Länder ihre Verteidigungsetats seit 2001 verkleinert. Am deutlichsten ist dies auf dem Balkan, wo Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien, Mazedonien und Albanien ihre Militärhaushalte um insgesamt fast 30 Prozent reduziert haben.

Abgesehen von den Vereinigten Staaten sind es große aufstrebende Schwellenländer mit rasch wachsenden Volkswirtschaften, wie zum Beispiel China, Indien, Indonesien und Pakistan sowie Russland, in denen sich der aktuelle globale Trend zur Aufrüstung am deutlichsten zeigt. Im Gegensatz dazu sind die Militärausgaben in den hoch industrialisierten und wohlhabenden Ländern, insbesondere in Westeuropa, im Wesentlichen gleich bleibend oder sogar rückläufig. Auch in den ärmsten Ländern spiegelt sich der weltweite Anstieg der Verteidigungsetats nicht in vergleichbarer Weise.

Trotz der globalen Zunahme der Militärausgaben ist die Zahl der bei den regulären Streitkräften und paramilitärischen Kräften beschäftigten Personen seit 2001 leicht rückläufig. 2006 standen Schätzungen zufolge 27,73 Millionen Menschen im Dienst nationaler Streitkräfte, was gegenüber 2001 einen Rückgang um rund zwei Prozent bedeutet. Das legt den Schluss nahe, dass zusätzliche Finanzmittel in erster Linie dazu verwendet werden, neue Waffensysteme zu beschaffen und/oder vorhandene zu modernisieren.

Die höchste Zahl von Soldaten steht in Ostasien in Dienst, vor allem in China, das gemessen an personeller Stärke weltweit die größten Streitkräfte unterhält. Eine weitere deutliche Zunahme war in Indonesien zu beobachten, nämlich von 492.000 Soldaten im Jahr 2001 auf 582.000 im Jahr 2006.

In Eritrea kommt ein Soldat auf 14 Einwohner, weltweit liegt die Quote bei 251 zu 1

Entgegen dem allgemeinen globalen Trend zum Truppenabbau war in Zentral- und Südasien, Lateinamerika und Nordamerika eine Zunahme der regulären Truppen und/oder paramilitärischen Kräfte um durchschnittlich vier bis acht Prozent zu beobachten. Die bedeutendste Zunahme war sicherlich die Aufstockung der US-Streitkräfte von 1,48 Millionen Soldaten 2001 auf 1,58 Millionen 2006 zur Deckung des zusätzlichen Personalbedarfs für die großen Auslandseinsätze im "Krieg gegen den Terrorismus".

In den Ländern des Nahen Ostens ist die Truppenstärke zwischen 2001 und 2006 um rund vier Prozent zurückgegangen. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung war natürlich die Auflösung der irakischen Streitkräfte nach der Invasion durch die Vereinigten Staaten 2003. Im Gegensatz dazu hat jedoch eine beträchtliche Zahl anderer Länder in der Region ihren Militärapparat stetig ausgebaut. Ein Beispiel hierfür ist Saudi-Arabien: Im Rahmen der allgemeinen Aufrüstung des Landes sind die Streitkräfte von 2001 bis 2006 von 217.000 auf 241.000 verstärkt worden.

In Europa dagegen ging der Trend hin zu einer Verkleinerung der Streitkräfte. In Westeuropa nahm die Zahl der Soldaten zwischen 2001 und 2006 um neun Prozent ab, in erster Linie aufgrund des Truppenabbaus in Deutschland und Großbritannien. Die deutlichste Reduzierung der Streitkräfte fand allerdings in Osteuropa statt, wo die Truppenstärke infolge der Demobilisierung auf dem Balkan (Bosnien-Herzegowina, Kroatien) und den Verteidigungsreformprogrammen der neuen NATO-Mitglieder um 15 Prozent zurückging. In Subsahara-Afrika führten Demobilisierungsprogramme in Liberia, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien und Angola ebenfalls zu einem Abbau der Truppenstärke um insgesamt zwölf Prozent.

2006 belief sich der Anteil der weltweiten Militärausgaben an der Gesamtsumme des Bruttoinlandsprodukts auf 2,7 Prozent; die Verteidigungsausgaben pro Kopf betrugen weltweit 180 US-Dollar. Das zahlenmäßige Verhältnis von Zivilisten zu Soldaten lag weltweit bei 251 zu 1. Im Hinblick auf die Verteidigungsausgaben als Anteil des BIP und die Zahl der Bürger je Soldat war der Nahe Osten die am stärksten militarisierte Region der Welt. Dies ist besonders auffällig in Syrien, Oman und Saudi-Arabien. In Eritrea betrug das Verhältnis Bürger zu Soldaten 14 zu 1.

(*) Berechnet auf der Basis internationaler Marktwechselkurse zu konstanten Preisen von 2005.

Der vollständige Bericht ist im Internet unter www.bicc.de abrufbar.

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