40 Hiebe für ein Video

Sudan In Khartum wurde die sudanesische Menschenrechtlerin Luba Hussein zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie es gewagt hat, eine Hose zu tragen. Dagegen kämpft sie

Die Sudanesin Lubna Hussein war im Juli mit 13 anderen Frauen bei einer Polizeirazzia auf einer Feier in Karthum festgenommen worden. Zehn wurden sofort verurteilt und zwei Tage später ausgepeitscht. Lubna entschloss sich, ihren Fall vor Gericht und damit die Weltöffentlichkeit zu bringen. Wir dokumentieren im folgenden den Text, mit dem sich Hussein vor ihrem Prozess im britischen Guardian an die Weltöffentlichkeit wandte.



"Ich soll gegen Artikel 152 des sudanesichen Gesetzes verstoßen haben, der verbietet, sich in der Öffentlichkeit ungebührlich zu kleiden. Als UN-Mitarbeiterin wurden mir Immunität und so die Möglichkeit angeboten, der Verhandlung zu entgehen, aber ich entschied mich dafür, von meinem Amt bei den Vereinten Nationen zurückzutreten, um den sudanesischen Behörden entgegenzutreten und der Weltöffentlichkeit zu zeigen, was sie unter Gerechtigkeit verstehen.

Tödlicher Sturz vom Dach

Mein Fall ist bei weitem kein Einzelfall. Der Polizeidirektor hat selbst zugegeben, dass 2008 in Karthum, etwa 43.000 Frauen wegen des Verstoßes gegen die Kleiderordnung verhaftet wurden. Auf Nachfrage konnte er nicht beantworten, wie viele von ihnen ausgepeitscht wurden. Und es geht auch nicht nur um Kleider. Nach meiner Verhaftung wurden auf einem öffentlichen Platz zwei Mädchen festgenommen. Die Polizei entdeckte Videoausschnitte der äußerst beliebten arabischen Fernseh-Soap Noor und Mohannad auf ihren Handys. Dort ist zu sehen, wie die Hauptfiguren einander küssen. Die Mädchen wurden der Pornographie für schuldig befunden und erhielten 40 Peitschenhiebe.

In vielen Fällen besteht das Gericht aus einem Polizisten und einem einzigen Richter, wobei ersterer als Staatsanwalt und einziger Zeuge in Personalunion auftritt. Doch sehr oft kommt es zu gar keiner Gerichtsverhandlung mehr. Vor kurzem hat sich ein Mann aus Angst vor der Sicherheitspolizei auf ein Gebäude geflüchtet und verunglückte beim Sturz vom Dach tödlich. Welche Ursachen hat das?

Unsere Gesetze halten nicht mit der Modernisierung der Wirtschaft Schritt. Trotz der neuen Verfassung von 2005, einem umfassenden Friedensabkommen und dem Protokoll der Menschenrechte wird Frauen immer noch die Freiheit bestritten, sich so zu kleiden und so zu arbeiten, wie sie das wollen. Journalisten werden daran gehindert, sich offen zu äußern und Menschen werden ohne Grund festgehalten. Dies ist nichts Neues. Der Sudan hat eine stolze und traurige Geschichte tapferer Männer und Frauen, die gegen repressive Gesetze kämpfen mussten. Sie lehrten mich, dass wir uns nicht hinter unseren Privilegien verstecken, sondern unsere Stimme für diejenigen erheben sollten, die dies selbst nicht vermögen.

Ohne Druck und Furcht

Als der Norden und Süden des Landes nach 20 Jahren blutigen Bürgerkrieges einen Friedensvertrag unterzeichneten, versprachen beide Seiten, die Menschenrechte zu respektieren, repressive Gesetze abzuschaffen und dafür zu sorgen, dass sich die Gräueltaten der Vergangenheit nicht wiederholen. Aber Zensur, Gängelungen und Inhaftierungen geht weiter.

Im nächsten Frühjahr wird es Wahlen im Sudan geben. Die Oppositionsparteien dürften sich diesem Votum verweigern, solange die Gesetze nicht in Einklang mit unserer neuen Verfassung gebracht werden. Diese Abstimmung ist ein Schritt auf dem Weg zu einem Referendum, bei dem unsere Brüder und Schwester aus dem Nord- und Südteil des Landes darüber entscheiden werden, ob sie in einem vereinten Sudan weiterleben oder ein eigenes Land gründen wollen – eine schwierige und schmerzhafte Entscheidung, von der die Zukunft von Generationen abhängt.

Ich bin wütend und frustriert darüber, dass unsere Regierung die Leute nicht frei über unsere Zukunft diskutieren lässt. Der Sudan ist ein großartiges Land, reich an verschiedenen Glaubensrichtungen und Lebensweisen. Es verfügt über genug Ressourcen, um alle seine Bürger zu versorgen. Aber es wird sein großes Potenzial nicht abrufen können, solange wir nicht unsere Zukunft ohne Druck und Furcht angehen können.
Übersetzung: Holger Hutt

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