A–Z Aluminium

Lexikon Worauf wir ohne dieses Leichtmetall verzichten müssten, und warum es einen ganz eigenen Beitrag zur Inklusion leistet, verrät unser metallurgisches Lexikon
Ausgabe 18/2014

A

Aufwertung Als „Metall der Moderne“ bezeichnet die Wissenschaftsjournalistin Luitgard Marschall Aluminium in ihrem gleichnamigen Buch. Ein Alltagswerkstoff, der – praktisch, aber unschick – für Massenproduktion steht. „Das Gefährliche am Aluminium ist, dass man damit machen kann, was man will“, stichelte Ludwig Mies van der Rohe. Mit „Aluchips“ wertete man etwa die DDR-Mark sprachlich ab. Nur kurz tauchte am Mercedes-Silberpfeil der blanke Alulook in der Autorennwelt auf, bevor er wieder überlackiert wurde. Die Aufwertung von Aluminium blieb dem Konzern mit dem Apfellogo vorbehalten. Apples In-Produkte wie Macbook Pro und iPhone verschafften mit ihren gebürsteten Aluoberflächen dem Metall einen Imagekorrektur. Das andere Allerweltsmaterial Plastik verweisen die Optik und Haptik der Aluoberflächen in die Billigecke. Und längst haben sich andere Hersteller an der Aufwertung beteiligt. Angesichts des gefühlt hochwertigen Alurahmens entfällt auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit: Wozu ein robustes Gehäuse, wenn dort ein bruchanfälliges Display integriert ist? Tobias Prüwer

E

Espressokanne Die klassische Espressokanne aus Aluminium ist heute ein Kulturgut. Der italienische Erfinder Alfonso Bialetti entwickelte das bekannte Modell „Moka Express“, das durch seine markante Facettengestaltung ins Auge sticht, im Jahr 1933. Sein Sohn brachte die weltweit erste Espressokanne für den Herdeinsatz im Privathaushalt nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Markt. Laut Herstellerangaben wurden davon bisher mehr als 200 Millionen Stück verkauft.

Mittlerweile gibt es das Modell auch aus Edelstahl, was manche Koffeinfans bevorzugen. Denn es wird vermutet, dass die Alukanne gesundheitsschädlich ist. Zu solchen Ängsten besteht kein Anlass, sagt das Bundesamt für Risikobewertung. Es kam 2007 in einer Untersuchung zu dem Schluss: „Die geschätzte Aluminiumaufnahme aus Lebensmittelbedarfsgegenständen ist gering im Vergleich zur Aufnahme aus Lebensmitteln, die Aluminium natürlicherweise enthalten.“ TP

F

Fußball Nichts ist so dramatisch beim Fußball wie der Pfosten- oder Lattentreffer. Millimeter entscheiden da über Triumph oder Niederlage. Und deshalb haben Kommentatoren dafür ein metallurgisches Synonym gefunden, das den ohnehin schon opulenten Wortschatz der Fußballrhetorik noch erweitert: Bälle gegen Pfosten oder Latte werden so zum „Aluminiumtreffer“, Torhüter und Stürmer sind entweder „mit dem Aluminium im Bunde“ oder „stehen mit ihm auf Kriegsfuß“. Das erleichtert übrigens auch die statistische Erhebung, spart man sich so doch die feine Unterscheidung zwischen Pfosten und Latte. Aluminium geht einfach immer.

Auf die rhetorischen Alternativen verzichtet deswegen aber noch lang kein Kommentator. Da kracht der Ball „gegen das Gebälk“ oder „küsst die Latte“. Und wenn der Ball dann doch mal „im Netz zappelt“, wurde er mit Sicherheit „in die Maschen gejagt“. Benjamin Knödler

G

Grillen Alufolie hat derzeit keinen guten Stand. Selbst das Ablecken aluminiumhaltiger Joghurtdeckel steht neuerdings im Verdacht, Demenz zu befördern. Sparsame Schwaben sind alarmiert: Soll man den Deckel jetzt etwa einfach so wegschmeißen? (Restrisiko) Der Alufolie muss deshalb eine Lanze (Schwerter) gebrochen werden: Sie leistet nämlich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Inklusion.

Gemeinsames Grillen von Vegetariern und Fleischessern ist ohne Alufolie schlicht unmöglich. An einem Rost, auf dem Steaks und Wurstschnecken gebrutzelt haben, klebt zwar nicht zwangsläufig Blut, aber eben Steak- und Wurstsschneckenfett, was für Vegetarier im Ergebnis dasselbe ist. Gefüllte Zucchini und Paprika bedürfen allein deshalb der Alufolie, bei mariniertem Schafskäse und Champignons erklärt sich die Notwendigkeit auch dem Fleischesser, der den vegetarischen Hauptgang bisweilen allerdings mit der Beilage verwechselt. Christine Käppeler

H

Hut Für Kostümpartys ist er eine echte Alternative. Unter anderem auf frag-mutti.de wird beschrieben, wie sich jeder einen schicken Aluhut basteln kann. Der Schriftsteller Julian Huxley schrieb 1927 in einer Sciene-Fiction-Geschichte, dass „Kappen aus Metallfolie“ benutzt werden könnten, um eine Fremdkontrolle mittels Telepathie zu verhindern. Seitdem erschien es Verschwörungstheoretikern und ausgewachsenen Paranoikern immer mal wieder plausibel, dass man mit Aluhüten Gedankenstrahlen abwehren könne. Auch auf den aktuellen Montagsdemos für den Weltfrieden ist das Accessoire beliebt. Aktivisten setzen den Hut dort auf, um sich über die Kritik an ihnen als Verschwörungstheoretiker lustig zu machen. Florian Beißwanger

I

Island Energieprobleme kennt Island nicht. Der gesamte Stromverbrauch des Inselstaats wird aus regenerativen Energiequellen – 73 Prozent Wasserkraft, 27 Prozent Geothermie – gedeckt. Das muss sich doch verwerten lassen, dachten sich Unternehmer und Politiker. Seit der Wirtschaftskrise wird die Ansiedlung von Schwerindustrie forciert, die von den niedrigen Energiepreisen profitiert. Daher haben einige Aluminiumschmelzen hier ihren Betrieb aufgenommen. 2011 lag der Anteil der Aluminiumindustrie am Energieverbrauch der Insel bei 71 Prozent. Bauern, Fischer und Umweltschützer klagen aber über den Raubbau an der Natur: Tierpopulationen verarmen und Ackerboden wird ans Meer verloren, weil die gestauten Flüsse keinen Sand und keine Mineralien mehr mit sich tragen. TP

K

Konkurrent Ein hartnäckiger Gegenspieler des Aluminiums ist Carbon. Das Material ist 50 Prozent leichter als das silbrig-weiße Leichtmetall und hält dennoch extremsten Bedingungen stand. Und es hat noch einen weiteren Vorteil: In seiner Biegsamkeit ist das aus Kohlefasern bestehende Material extrem variabel. Die übereinander geschichteten Kohlefaserbänder können auf ganz verschiedene Weise gehärtet werden. Üblicherweise wird dafür Harz oder eine Teflonlegierung verwendet.

Das schwarze Material findet sich unter anderem im Airbus 380, Formel-1-Rennwagen, Musikinstrumenten, Skiern, Fahrrädern, Autokarosserien und Handyschutzhüllen. Mittlerweile gibt es sogar Dachträger aus Carbon. Zwei große Nachteile hat es gegenüber seinem Konkurrenten Aluminium aber auch. Schäden können nicht ausgeglichen werden und es ist bis heute nicht recycelbar. Wissenschaftler forschen gerade an einer Lösung der Probleme. Für die Gewinnung der Carbonfasern aus Erdöl gibt es bereits eine Alternative. Für die Herstellung können nachwachsende Rohstoffe wie zum Beispiel Holz verwendet werden. FB

M

Metallurgie In der Geschichte der Metallurgie, deren Anfang mit ersten Metallverarbeitungen auf etwa 8.000 vor Christus datiert wird, ist Aluminium noch ein ziemlicher Newcomer. 1828 reduzierte der deutsche Chemiker Friedrich Wöhler erstmals Aluminium als ein graues Pulver – das war allerdings noch viel zu wenig, um damit irgendetwas Sinnvolles herzustellen. Drei Jahre zuvor hatte der Däne Hans Christian Ørsted es als Element entdeckt. Es sollte aber bis 1886 dauern, bis der Amerikaner Charles Martin Hall und der Franzose Paul Héroult zeitgleich ein Patent zur Aluminiumgewinnung anmeldeten. Damit begann der Siegeszug des Leichtmetalls rund um den Globus. Heute werden weltweit jedes Jahr 20 Millionen Tonnen Rohaluminium hergestellt. Deutschland allein hat pro Einwohner einen Verbrauch von 28 Kilogramm Aluminium. Jan Pfaff

R

Restrisiko Wie viel sozialen Schaden ist man bereit, für die eigene Gesundheit in Kauf zu nehmen? Meine Mitbewohnerin befand: einigen. Nachdem sie Zeitungsartikel über die potenzielle Gefahr von aluminiumhaltigen Deos gelesen hatte, warf sie ihr Rexona in den Müll. Ich hatte auch so eine Phase. Hab es mit Kristallen und Naturprodukten versucht. Spätestens im Hochsommer ist man aufgeschmissen – der Schweißgeruch ist damit nicht ordentlich einzudämmen, zudem riecht man wie ein Kräuterbeet. Plötzlich tut sich ein menschenleerer Zwei-Meter-Radius um einen herum auf. Zugegeben, das hat Vor- und Nachteile. Solange aber nicht erforscht ist, ob oder wie schädlich die erhöhten Aluminiumwerte für den Körper tatsächlich sind, lockt der Weg des geringsten Widerstands. Meine Mitbewohnerin kaufte sich nach einigen Tagen entnervt ein neues Deo. Juliane Löffler

S

Schwerter Aluminium- oder Stahlschwert? Eine Frage, die nicht nur bei Ritterspielen auf Mittelaltermärkten die Geister spaltet. Auch Yacht- und Jolle-Besitzer diskutieren darüber. Bei Booten verhindert die „Schwerter“ genannte Platte die Abdrift, also das durch vertikale Wasser- und Windkräfte erzeugte Abweichen vom Kurs. Gerade Segler von kleinen Jollen verzichten gern auf ein schweres Stahlschwert. Allerdings bringt der Aluersatz eigene Kniffligkeiten mit. So ist der geeignete Korrosionsschutz zu bedenken und die Materialstärke muss für das weniger feste Aluminium umgerechnet werden. Manche Segler zeigen sich auch traditionalistisch: Die alten Boote sind eben mit dem Eisenstreifen gebaut worden und daran sollte man sich auch halten.

Ähnlich argumentiert eine Fraktion der Schwertkämpfer. Während bei den professionellen Showkämpfen auf Mittelaltermärkten wie bei Stunts im Harnisch-und-Schwert-Film Aluminiumwaffen zum Einsatz kommen, favorisieren Traditionalisten die alte Materialvariante. Mit der leichteren Klinge könne man zwar spektakulärere Choreografien zeigen. Aber das sei eben nicht authentisch. TP

Z

Zelten Zu Zeiten, als die Autos noch kleiner waren oder man gar ohne reiste, war das Zelten eng mit dem Aluminiumgebrauch verbunden. Denn es zählte jedes Gramm, das eingespart werden konnte. Alugestänge hält im Dauereinsatz die Zeltplane – das leichtere Fiberglas taugt nur für den kurzen Wochenendzeltplatztrip. Besteck und oft auch die Heringe sind aus Aluminium gefertigt, Kochgeschirr und Kocher sowieso. Spirituskocher wie der Klassiker von Trangia sind vom Windschutz bis zum Deckel- und Pfannenhalter aus dem Leichtmaterial gebaut und so konstruiert, dass der größte Topf das Gehäuse des Sets bildet. Alle anderen Töpfe, Brenner und dergleichen sind nach dem Babuschka-Prinzip in dem seit den 1950ern hergestellten Kocher integriert. Das Modell mit 1,5-Liter-Topf zum Beispiel wiegt etwa nur 845 Gramm.

Aber auch Outdoorfreunde jenseits der Light-Weight-Bewegung haben am Aluminium Gefallen gefunden. So gibt es, ähnlich absurd wie die oft aus Alu hergestellten Heizpilze für Restaurant-Freisitze, auch Campingheizungen aus Aluminium. Mit einem Kilo und 31 mal 19 Zentimetern ist man dabei – die Gasflasche bringt dann allerdings noch ihr Extrapfund auf die Waage. TP

Die Texte stammen von der Redaktion

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