Doppelnamen

A–Z Jüngst mokierte sich Bernd Stelter über Annegret Kramp-Karrenbauer. Da machen wir nicht mit, klären lieber auf – und machen bessere Witze. Im Wochenlexikon
Ausgabe 10/2019

A

Alliteration Eine interessante Form des Doppelnamens trägt der ehemalige Postminister zur Schau: Schwarz-Schilling. Die Wiederholung des Anfangsbuchstabens nennt man Alliteration. Wir empfinden sie oft als attraktiv. Klassisches Beispiel ist der Werbespruch „I like Ike“. Alliteration, Assonanz und Kürze gehen hier eine fast unwiderstehliche Mischung ein. Wer könnte Ike (Eisenhower) nicht mögen? Etwas ambivalenter wirkt Schwarz-Schilling (CDU) auf uns. Möglicherweise auch abhängig von politischer Präferenz, empfindet man den Namen als elegant oder als zu elegant, also schmierig. Politische Präferenzen könnten auch bei Kramp-Karrenbauer eine Rolle spielen. Wohlgesinnte sehen in ihrem Namen das Kernige gespiegelt, Übelmeinende eine Kratzbürstigkeit, die ihm verräterisch eingeschrieben ist. Michael Angele

Blaues Blut Die dürfen das. Die Blaublütigen, die Adligen. Die Sayn-Wittgensteins. Die Thurn und Taxis. Oder die Familie derer von Habsburg-Lothringen, ein Doppelname, der aufgrund allerhöchster Genehmigung zustande kam. Dem bürgerlichen Doppelnamen haftet was von Entscheidungsschwäche und Möchtegern an. Aber der adelige Doppelname bedeutet: Vereinigung von Familien und Ländereien. Vergrößerung von Macht und Wohlstand durch arrangierte Ehen. Gibt es überhaupt ernst zu nehmenden Adel ohne Doppelnamen? Am Anfang war’s vielleicht befremdlich, die schwache Hand des zurückgebliebenen, anämischen Prinzen aus dem Nachbarreich drücken zu müssen, fünf Kinder später war das dann auch schon egal.

Puder, Perücke und Korsett. Jagdhund, Rennpferd und Spinett. So waren sie nun mal, unsere Herrscher mit den Ahnengalerien. In Schlössern hängen Ölbilder in Sälen. Darauf: ernste, blasse, seltsame Gesichter. Beziehungsweise: vogelartige Inzuchtvisagen. Die spitzen Nasen nach oben gestreckt. Steife Rücken, stierer Blick. Die Hände wahlweise auf Kinder, Pferde oder Hunde gelegt. Auch die aus edler Zucht. Heutzutage haben sie es leichter. Adelige dürfen schöne Namen tragen, ohne ihre Cousinen heiraten zu müssen. Oder? Ruth J. Herzberg

D

DDR Zwar gab sich die DDR als „Arbeiter- und Bauernstaat“ selbst einen Doppelnamen, aber für den Familienalltag setzte sich das Modell nicht durch. Im Familiengesetzbuch von 1965 wurde festgelegt, dass Ehewillige sich für einen gemeinsamen Namen entscheiden mussten, der allerdings auch jener der Frau sein konnte, was aber selten praktiziert wurde. Die Aversion gegen Doppelnamen sei einem starken Kontrollbedürfnis geschuldet, vermuten ForscherInnen, die sich mit der Deutschen Demokratischen Republik befassen. Um die Diskussion etwas zu entschärfen, wurde dann aber im Personenstandsgesetz und jenseits des Familiengesetzbuches eine Regelung geschaffen, die bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Hinzufügung des bisherigen Namens zum gewählten gemeinsamen Familiennamen ermöglichte. Auch das wurde selten praktiziert. Magda Geisler

E

Entscheidungsschwäche Wenn ich mich in meinem Lieblingscafé, dem Crumble in Frankfurt, für einen der leckeren Beläge zum Frühstück (das tendenziell bis mittags geht) entscheiden soll, ist das nicht nur für mich eine Qual, sondern auch für die lieben, aber wartenden Bedienungen. In beruflichen Dingen bin ich allerdings ein absoluter Pragmatiker. In meiner Funktion als Chef entscheide ich täglich stakkatohaft. Nicht immer sind das die besten Entscheidungen, aber es geht voran. Die Quote muss halt einigermaßen stimmen. Nicht zu entscheiden, ist gleichbedeutend mit einer Niederlage, denn nichts passiert gezielt. Das heißt allerdings nicht, alles schnell wegzuentscheiden. Entscheiden-Können ist ein Muskel, den es zu trainieren gilt. Lernkurve meist umsonst, aber nicht immer kostenfrei mit inbegriffen. Bernd Stelter können wir vernachlässigen – Peanuts, wie mal jemand von einer Bank meinte. Ich hege die bisher heimliche These, Träger (egal ob männlich/weiblich/divers/tot) von Doppelnamen leiden unter Entscheidungsschwäche. Aber was weiß denn ich, ich bin geschieden. Jan C. Behmann

F

Fortschritt Der Fortschritt im Namensrecht ist jung. Die längste Zeit hatte sich die Frau zu fügen und mit der Heirat den Nachnamen ihres Manns anzunehmen. So hielt es das Bürgerliche Gesetzbuch seit 1896 fest. Das Recht auf einen eigenen Namen erhielten die Frauen erst 1957, was als Schritt der Gleichberechtigung galt: Sie durfte ihren eigenen Nachnamen dem des Mannes nachstellen. Mit dem Doppelnamen erhielten Frauen, die nicht nur Anhängsel sein wollten, ein Werkzeug zur Distinktion. Nach der nächsten Rechtsregelung 1978 durften sie ihren Nachnamen auch an die erste Stelle setzen. Benachteiligt war die Frau weiterhin: Konnte sich das Paar nicht einigen, wurden Kinder automatisch nach dem Mann benannt (➝ Kampf).

Der Frau sei ein Namenswechsel eher zuzumuten, da sie in niedrigeren beruflichen Positionen tätig sei. Abschaffen sollte diese Ungerechtigkeit erst das bundesdeutsche Familiennamensrechtsgesetz von 1994. Nun können die Partner einen gemeinsamen Familiennamen annehmen. Oder ein Partner, egal wer, kann einen Doppelnamen aus der Kombination beider Nachnamen führen. Trägt einer der Partner bereits einen Namen mit Bindestrich, darf kein weiterer angehängt werden. Tobias Prüwer

K

Kampf Es begann irgendwann in den 1980er Jahren, als ein paar meiner Freundinnen ihr erstes Kind bekamen. Alles aufregend, man wohnte noch in einer WG, ernährte sich von der Food-Coop und traf sich in seiner Frauen- oder Männergruppe – und wollte alles richtig machen. Auch das mit dem Namen. Für die Männergruppe war klar: Das Kind bekommt den Namen der Mutter, also den, der dem eines emanzipierten Mannes im Doppelnamen nachgestellt war. Was aber folgte, war heftiger Zoff mit Omi und Opi, die ihren Namen verewigt sehen wollten! Dieser Kampf wurde allwöchentlich in unseren Grüppchen begleitet, und ich bewundere heute den Freund, der damals als Ingenieur nicht nur die Arbeitszeitverkürzung mitmachte, sondern sich auch gegenüber seiner Familie durchsetzte. Heute scheinen Paare entspannter damit umzugehen: Die jungen Väter haben zwar den Namen der Mütter geerbt, doch die jungen Mütter verzichten darauf, den ihren weiterzugeben, jedenfalls in unserer Familie. Das Kind heißt nach dem Vater, was man auch als späte Verbeugung vor den Frauen verstehen kann, die die Zweite Frauenbewegung auf den Weg gebracht haben. Ulrike Baureithel

I

Initial Eine Variante des Doppelnamens: das Binnen-Initial. Der abgekürzte Vor-Doppelname, wenn man so will. Aus Klaus Peter Schmidt wird Klaus P. Schmidt. Vorne profan, hinten profan, aber in der Mitte ein Rätsel. Wofür steht das P.? Für Pluto? Für Parzifal? Für Prometheus? Aber wenn man Klaus Prometheus Schmidt heißen würde, dann könnte man doch den Klaus weglassen und sich Prometheus Schmidt nennen. Oder Prometheus K. Schmidt? Wie man es auch dreht und wendet: Der Binnen-Initialist ist ein Blender, und das P. steht meistens nur für einen Peter. Große Geister wissen: In der Kürze liegt die Würze.

Er nannte sich Bert Brecht und nicht Eugen B. Brecht. Dabei hätten ihm mit seinen drei Vornamen Eugen Berthold Friedrich sogar zwei Binnen-Initiale zugestanden, falls es so etwas gibt. Thomas Mann hätte sich auch Paul T(homas) Mann nennen können. Und die beiden anderen großen Geister nannten sich auch nicht Johann W. Goethe oder Rainer W. Fassbinder. Bestenfalls haftet dem Binnen-Initial etwas Spielerisches, Dandyhaftes an. Denkt man etwa an Fritz J. Raddatz oder George W. Bush, sieht man sie sofort vor sonniger Kulisse ruchlos im weißen Leinenanzug Zigarillos rauchen. Friede ihrer Asche! Ruth J. Herzberg

M

Maler Henri de Toulouse-Lautrec ist ein Künstler, der Poster-Galerien und Deko-Shops bis heute ihr Auskommen sichert. Doch Kunstdrucke in Arztpraxen oder WG-Zimmern haben dem Ruf des Grafikers und Plakatkünstlers nicht gutgetan. Aber Toulouse-Lautrec, den zu Lebzeiten fast nur die anarchistischen Blätter lobten, hat mehr zu bieten als das Plakat des Sängers Aristide Bruant mit rotem Schal und den weltberühmten Zeilen „Ambassadeurs. Aristide Bruant dans son cabaret“. Vor allem mit seinen Szenen aus dem Pariser Nachtleben ist er bekannt geworden, mit Authentisch-Skandalösem aus dem Rotlichtmilieu, in das sich der adelige Trinker mit Verve stürzte.

Nicht so bekannt wie seine Bilder ist die Geschichte seines markanten Doppelnamens: Toulouse-Lautrec entstammte dem uralten Adelsgeschlecht der Grafen von Toulouse, sein Vater war der Graf Alphonse de Toulouse-Lautrec-Monfa, der 1863 seine Cousine, die Gräfin Adèle Tapié de Céleyran, geheiratet hatte. Solche Verwandtenehen – mit der Folge von Erbkrankheiten – waren in französischen Adelskreisen damals üblich. Sie waren es aus ganz einfachen Gründen: Der Familienbesitz der Toulouse-Lautrecs sollte nicht durch Erbteilung zerstückelt werden. 1899 wird der Künstler in eine Nervenheilanstalt eingewiesen und stirbt mit nur 36 Jahren. Marc Peschke

O

Opfer Es ist Karneval, und die Gesellschaft probt den geordneten Ausnahmezustand. Ein kleiner Regelverstoß hier, ein kurzer Grenzübertritt da. Im bunten Treiben lassen sich die Machtverhältnisse beobachten. Latenter Rassismus in exotisierenden Kostümen, Sexismus als Doktorspielchen. Ist doch alles nur Spaß! Die Tanzmariechen schwingen die Beine, in der Büttenrede erklärt der weiße Mann die Welt. So auch Bernd Stelter. Bei einer Sitzung teilte der Comedian aus. Sein Opfer: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Doppelname. Das ging zu weit! Eine mutmaßliche Doppelnamenträgerin stürmte die Bühne. Eine Debatte entbrannte: Wie politisch korrekt muss das jecke Treiben sein? Und gehören auch DoppelnamenträgerInnen zu den schützenswerten Minderheiten? Spulen wir das Video online zurück, denn der WDR wird diese Stelle lieber nicht im Fernsehen ausstrahlen. Was die Karnevalistin sagt, ist: „Fragt mal irgendjemand, was für einen Scheißnamen ein Mann hat, den die Frau annimmt?“ Möglich also, dass es ihr nicht bloß um Doppelnamen ging. Marlene Brey

Z

Zumutung Und plötzlich bist du Bitterfeld-Wolfener. Die Fusion mit einer anderen Stadt empfinden Stadtbewohner häufig als Zumutung. Neben den administrativen Umstellungen sind es die sperrigen Doppelnamen wie Bad Gottleuba-Berggießhübel, Mörfelden-Walldorf oder Villingen-Schwenningen, die im Alltag aufstoßen. Da wären Neuschöpfungen besser. So sollen gleich vier Gemeinden im Erzgebirge zu Silberberg fusionieren. Kompliziert wird es allerdings mit den Namen aus dem Tourismusmarketing. Die Lutherstadt Wittenberg wird unbeschadet bleiben. Aber kann man noch von der Bauhaus-Stadt Dessau-Roßlau sprechen? Manche Fusionen merkt man den Namen gar nicht an. Budapest etwa spricht sich leicht, dabei wurden Buda und Pest erst 1873 zusammengelegt. Tobias Prüwer

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