Gut gekontert gegen Rassismus

A–Z Der Fußballer Dani Alves hat für Aufsehen gesorgt, als er eine Banane aß, die ein Fan nach ihm warf. Unser Lexikon zeigt, wie man noch auf Rassismus reagieren kann
Ausgabe 19/2014

A

Ali, Muhammad Wegen seiner Rechtschreibschwäche wird der größte Boxer aller Zeiten 1964 zunächst von der US-Armee ausgemustert. Doch als die Regierung mehr Soldaten für den Vietnamkrieg benötigt, soll auch Muhammad Ali 1966 Kriegsdienst leisten. Er weigert sich. Vor laufender Kamera erklärt er: „Ich habe keinen Ärger mit dem Vietcong.“ Und Ali verweist darauf, dass ihn kein Vietnamese jemals als „Nigger“ bezeichnet habe – im Gegensatz zu weißen Amerikanern. Wegen Kriegsdienstverweigerung wird er zu fünf Jahren Haft verurteilt, mittels Kaution kommt er frei. Die Boxverbände erteilen ihm Boxverbot. In politischen Reden kämpft er danach für die Rechte von Afroamerikanern. Nelson Mandela wird später über ihn sagen: „Muhammad Ali hat viele schwarze Menschen auf der ganzen Welt dazu gebracht, Erfolg danach zu beurteilen, ob es einem gelingt, die Unfairness des Lebens herauszufordern.“ Florian Beißwanger

B

Bananen essen I Rassismus in den Fußballstadien ist nach wie vor ein großes Problem. Am deutlichsten tritt er immer dann zutage, wenn Rassisten auf den Rängen Spielern mit dunkler Hautfarbe mit Affenlauten oder Bananenwürfen begegnen. Letzteres geschah vergangene Woche wieder in der ersten spanischen Liga. Da warf ein Anhänger des FC Villarreal eine Banane auf Dani Alves, Verteidiger des FC Barcelona. Alves reagierte souverän, schälte die Banane, aß sie auf und spielte ungerührt weiter. Die Reaktion war weitaus eindrucksvoller als die meisten offiziellen Aktionen der Fußballverbände gegen Rassismus. Ob Alves dabei spontan handelte oder er und sein Teamkollege Neymar diese Aktion schon länger geplant hatten, wie spanische Medien später berichteten, spielt für die Botschaft an sich natürlich überhaupt keine Rolle. Die überwältigende Resonanz war jedenfalls so nicht planbar. Und sie beschränkte sich nicht auf Facebook-Selfies (➝Bananen essen II), sondern machte auch vor der Politik nicht halt. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi aß etwa zusammen mit Nationaltrainer Cesare Prandelli eine Banane für die Kameras. Benjamin Knödler

Bananen essen II Selfies stehen hoch im Kurs. Und in der Kritik. Die digitalen Selbstporträts – klick, und schwupps ins soziale Netzwerk hochgeladen – finden manche nur nervig. Andere sehen sie als Symbol der narzisstischen Gesellschaft insgesamt. So weit muss man nicht gehen. Wirklich ärgerlich sind Selfies allerdings, wenn so Gedankenlosigkeit und Selbstdarstellung an heikle Orte getragen werden: #arbeitmachtfrei, #zyklonb oder #chillin in #dachau sind als Hashtags genauso daneben wie Grinsebilder vor der Holocaustgedenkstätte.

Im Dani-Alves-Fall taugt das Selfie hingegen als Zeichen der Solidarität. Innerhalb weniger Stunden sammelten sich auf Twitter, Instagram und Facebook unter „#WeAreAllMonkeys: Bananen-Selfie“ tausende Schnappschüsse von Menschen, die in eine Banane beißen. Auch Promis nahmen an der kleinen und, ja, leicht konsumierbaren Geste gegen Rassismus teil. Etwa Oliver Welke und Oliver Kahn am Rande einer Fußballmoderation. Letzterer ist ja geübt im coolen Umgang mit fliegenden Früchten. Ihm wurden in seiner aktiven Zeit auch häufiger Bananen zugeworfen. Tobias Prüwer

C

Cantona, Éric Er war schon zu seiner aktiven Zeit mehr als nur ein Fußballer, mittlerweile ist der Franzose Éric Cantona aber Kultfigur, Schauspieler und politisch engagierter Idealist. Und Cantona hat immer klar gemacht, dass er seine Überzeugungen mit Nachdruck vertritt – teils auch im ganz eigentlichen Wortsinn. Unvergessen ist der legendäre Kung-Fu-Tritt gegen einen Fan von Crystal Palace, der ihn zuvor als „French motherfucker“ beleidigt haben soll.

Was Cantona gegen den Strich geht, lässt er so nicht stehen. Am eigenen Leib musste das einmal der ehemalige Schweizer Torhüter Jörg Stiel erfahren. Bei einem Beachsoccer-Turnier soll Stiel, damals Torwarttrainer der Schweizer Beachsoccer-Nationalmannschaft „schwarze Sau“ zu einem französischen Spieler gesagt haben. Begreiflicherweise schmeckte eine solche rassistische Beleidigung dem prinzipientreuen Cantona gar nicht, für Stiel setzte es eine saftige Ohrfeige. Stiel bestritt die Vorwürfe danach allerdings und erklärte, er verurteile rassistische Übergriffe aufs Schärfste. BK

D

Digitales Mahnmal Eine Sendung wie Germany’s Next Topmodel, bei der es vor allem um perfekte Gesichtszüge und Körpermaße geht, legt den Fokus von vornherein auf Äußerlichkeiten. Diese Fixierung auf das Aussehen zieht neben vielen unverdächtigen Zuschauern offenbar auch einige Rassisten an. So sieht sich die schwarze GNTM-Kandidatin Aminata Sanogo seit einiger Zeit massiven rassistischen Beleidigungen ausgesetzt. Als ProSieben ein Foto der Kandidatin bei Facebook postete, sammelten sich dort rassistische Beschimpfungen wie „Quotenneger“ oder „gorilla fresse“. Der Sender löschte die Kommentare und postete das Bild eines Stoppschilds gegen Rassismus, das unmittelbar auf die ausfälligen Kommentare Bezug nahm.

Auf Aminata Sanogos eigener Facebook-Seite sah es nicht groß anders aus. Auch dort waren rassistische Beleidigungen der untersten Kategorie zu lesen. Und sie sind es immer noch. Denn anders als ProSieben entschied sich Sanogo, die Schmähungen auf ihrer Facebook-Pinnwand stehen zu lassen und erklärte, sie werde nichts davon löschen: „Ich will Deutschland zeigen, dass heute Menschen noch so denken.“ BK

K

Korrigieren Man kann Sam Rubin, Fernsehmoderator eines Senders in Los Angeles, wohl zumindest einen etwas sorglosen Umgang mit einem höchst sensiblen Thema vorwerfen. In einem Live-Interview wollte er mit Samuel L. Jackson über dessen neuen Film RoboCop sprechen. Rubin trat aber kräftig ins Fettnäpfchen, als er Samuel L. Jackson nach seiner Superbowl-Werbung fragte. Den Werbespot hatte der ebenfalls schwarze Schauspieler Laurence Fishburne gedreht.

Rubin wäre wohl am liebsten im Boden versunken, doch Jackson reagierte souverän. Er brach das Gespräch nicht ab, sondern sagte mit einer eindrücklichen Mischung aus eigener Fassungslosigkeit und doch Gelassenheit: „Wir sehen nicht alle gleich aus. Wir sind vielleicht alle schwarz und berühmt, aber wir sehen nicht gleich aus! Es gibt mehr als einen Schwarzen, der Werbespots dreht.“ Er sei der andere Schwarze aus der Werbung, der mit den Kreditkarten, fuhr er fort. Genauso wie Morgan Freeman, aber da man bei dessen Werbespot lediglich seine Stimme höre, bestünde da wohl keine Verwechslungsgefahr. Am Ende sprach Jackson dann doch noch über seinen Film und stellte klar: „Ich bin der einzige Schwarze in RoboCops, der kein Krimineller ist.“ Alles in allem hatte die Reaktion ziemlich gesessen. BK

S

Sperre Jemanden zu sperren, wirkt erst mal nicht wie eine coole Reaktion. Wie klar aber die US-Basketball-Liga NBA auf die öffentlich gewordenen Äußerungen des L.A.-Clippers-Besitzers Donald Sterling reagierte, war in der Eindeutigkeit dann doch ziemlich cool. Von Sterling war ein Audio-Mitschnitt aufgetaucht, in dem er seine damalige Affäre aufforderte, sich nicht mit Schwarzen bei Spielen seines Teams zu zeigen – eine allein schon deswegen groteske Forderung, weil die meisten Spieler schwarz sind. Die NBA sperrte Sterling lebenslang. Er darf nun weder Spiele noch Trainings seines Teams besuchen. Außerdem will man ihm zum Verkauf drängen. Kritiker merkten an, die NBA handle nur aus kommerziellen Interessen. Aber wenn jemand das Richtige tut, bleibt es das Richtige – egal, welche Interessen zu seinen Überzeugungen noch hinzukommen. Jan Pfaff

Sponsoring In den 1990ern avancierte die englische Sportartikel- und Bekleidungsmarke Lonsdale zum Must-Have für modebewusste Rechtsextreme. Die aus dem Boxsport kommende Firma war zunächst in der britischen unpolitischen Skinheadkultur beliebt, dann wurde sie von rechts vereinnahmt. Aufgrund der Buchstabenkombination „NSDA“ war sie für jene Menschen attraktiv, die gern an frühere, unselige Zeiten anschließen möchten. Bereits früh wehrte sich der Hersteller gegen dieses Image. Mit Initiativen wie „Love all Colours“ wurden antirassistische Projekte unterstützt, einschlägige Händler wurden nicht mehr beliefert. Seit diesem Jahr sponsert Lonsdale zudem die Fußballvereine SV Babelsberg 03 und Roter Stern Leipzig, die sich als linke Clubs für eine Gesellschaft ohne Rassismus einsetzen. TP

Ü

Überstreichen Polnische Rassisten malten im Juli vergangenen Jahres im Warschauer Stadtviertel Muranów auf die Fassade eines afrikanischen Restaurants Galgen und schrieben „Chocolate Daddy“ dazu. Bereits ein paar Stunden danach organisierten sich Einwohner des Viertels auf Facebook, am nächsten Tag überstrichen sie die Aufschrift gemeinsam.

Rassistische Schmierereien auf Mauern sind in Polen eine verbreitete Plage – weshalb kurz nach dem Zwischenfall junge Leute nach dem Motto „Überstreicht die Hetze!“ die Initiative Hejtstop starteten. Auf der Webseite hejtstop.pl kann jeder mit einem Foto rassistische Parolen melden. Die Initiatoren werden auf verschiedenen Ebenen aktiv: von Anzeigen (Hass-Sprache steht in Polen unter Strafe) bis zur Einberufung Freiwilliger für Streichaktionen. Bisher wurden auf der Webseite 1.500 Fotos angemeldet, 60 Prozent der Schmierereien wurden sofort entfernt. Zum Mauerputzen treffen sich heute hunderte Freiwillige in großen und kleinen Städten. Karolina Przewrocka

W

Weggehen Kevin-Prince Boateng ging Anfang Januar 2103 als AC-Mailand-Spieler bei einem Freundschaftsspiel gegen den Viertligisten Pro Patria vom Spielfeld. Immer wieder prasselten die rassistischen Beleidigungen durch gegnerische Fans auf den Mittelfeldspieler nieder. In der 26. Spielminute hatte Boateng keinen Bock mehr auf weitere Schmähungen. Er drosch den Ball in die Tribüne und verließ, dem Publikum gallig applaudierend, den Platz. Das gesamte Team folgte ihm, der Schiedsrichter brach das Spiel ab. Damit wurde Boateng in Italien zu einer Symbolfigur gegen Fremdenhass. Viele Sportfunktionäre zollten Respekt und Sympathie für Boatengs Reaktion. Auch Klubeigner und Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi sah sich zu einer öffentlichen Gratulation genötigt. „Von jetzt an kann man nicht mehr so tun, als würde es Rassismus im Fußball nicht geben“, kommentierte eine Zeitung im Überschwang des Moments etwas zu hoffnungsfroh. TP

Z

Zertrümmern Mit Django Unchained, seinem Drama um Rache und Sklaverei, stellte Quentin Tarantino 2012 einmal mehr die Frage nach legitimer Gewalt. Mit Rassisten reden? Nein, schreit der Film dem Zuschauer als brachiale Antwort entgegen. Der Sklave Django wird von einem Kopfgeldjäger zur Selbstermächtigung ermutigt. Er hilft ihm bei einer Mission und zertrümmert die Ketten seiner Unfreiheit mit Dynamit und seiner Derringer-Pistole. Wie in Inglourious Basterds von 2009 setzt das mit Western-Filmzitaten gespickte Tarantino-Werk aufs Faustrecht. Das ist vielleicht nicht die moralisch einwandfreiste Variante, aber wenn Django die Jungs von Ku-Klux-Klan & Co. zu Hosenschissern degradiert, ist das einfach großes Kino. TP

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