Familienstand Wenn RTL ein Rudel Männer auf eine Unverheiratete loslässt, nennt sich das „Bachelorette“. Die Show ist nicht neu, das Konzept Junggesellin aber noch viel älter
Amazonen Gekleidet sind die wagemutigen Kämpferinnen häufig im kurzen Chiton, einer Art Leinenkleid, das – oh, là, là – nur die linke Brust bedeckt. So jedenfalls kennen wir sie aus Darstellungen der griechischen Mythologie, in denen sie manngleich mit Pferd und Axt in den Kampf zogen. Verortet wurden die Amazonen in der Antike zunächst am Schwarzen Meer, später dann vermehrt auch im Mittelmeerraum und in Nordafrika – in der mittelalterlichen Dichtung sogar in Osteuropa, wo sie im sogenannten Amazonenkrieg (weniger heroisch auch Mägdekrieg genannt) in einem Kampf der Geschlechter erfolglos um die böhmische Herrschaft rangen. Berühmteste Amazone ist zweifellos Penthesilea, die wahlweise von Achilles zu dessen Bedauern getö
Achilles zu dessen Bedauern getötet wird (griechische Mythologie) oder ihn – nicht weniger tragisch – gemeinsam mit ihren Hunden zerfleischt (Heinrich von Kleist). Übrigens: Dass Amazonen sich die rechte Brust amputierten, damit diese nicht beim Bogenschießen störte, ist ein noch größerer Mythos als die Amazone selbst. Katharina FinkeBBachelorette Zehn Jahre nach dem ersten Versuch von Bachelorette – Die Traumfrau wagt RTL ab dem 16. Juli einen weiteren Versuch. Doch während damals 25 Männer an der französischen Côte d’Azur um das 28-jährige Model Monica Ivancan buhlten (die nach der Sendung durch ihre mehrjährige Beziehung mit Oliver Pocher eine gewisse Berühmtheit erlangte), sind es nun bloß 20 Stelzböcke, und der Wettbewerb findet an der Algarve in Portugal statt. Das Prinzip aber bleibt: Die Kandidaten versuchen bei pseudoromantischen Dates ihre angebliche Traumfrau zu beeindrucken. Wer dabei zu langweilig ist, fliegt in der „Nacht der Rosen“ raus. Im Vorfeld gab es da allerdings bereits ein Problem: Die zunächst aus 3.000 Bewerberinnen ausgewählte Bachelorette sprang kurzfristig ab. Grund: Sie hatte sich – noch bevor die RTL-Kameras lossurrten – unsterblich verliebt und liiert. Ihre Nachfolgerin ist angeblich die 26-jährige Anna Christiana Hofbauer, Model und Schauspielerin aus Berlin. RTL ziert sich bislang noch mit der Bestätigung und zeigt offiziell weiterhin nur einen Frauentorso in knappem Kleid hinter roten Rosen. Sicher ist sicher. KFBeschimpfungen Alte Jungfer, Beißzange, Drache, vertrocknete Rosine, Krautstaude, frigide Schachtel, verbitterte Matrone, Silberlöwe, alte Fregatte, Auslaufmodell – oder auch ganz einfach: Puma. Die Klaviatur der Verbalinjurien für Junggesellinnen ist weder besonders kreativ noch sonderlich vielschichtig. Die meisten dieser Beleidigungen zielen auf einen gewissen Feuchtigkeitsmangel ab – beziehungsweise darauf, dass die betroffenen Frauen von niemandem mehr gewollt oder gebraucht werden, ergo auch nicht mehr heiraten werden und alleine – wie soll man sagen – weiterhin alt bleiben. Die Praktikabilität einer Frau wird also an ihrer, nennen wir’s: Heiratsfähigkeit gemessen. Aha. Nun gut, das ist zum Glück ein sehr altertümliches gesellschaftliches Paradigma. Denn auch wenn Angebot und Nachfrage den Heiratsmarkt bestimmen: Die Heirat selbst wird heutzutage ja vielfach doch eher als abgehalfterter, konservativer Lebensentwurf betrachtet und in Frage gestellt – außer natürlich von der Meinungsinstanz RTL. Felix-Emeric TotaJJunggesellin Die Herkunft der Bezeichnung Junggeselle im Handwerk zu verorten liegt nahe. Tatsächlich war der Junggeselle im Hochmittelalter der jüngste Geselle eines Betriebes. Doch was ist mit der Junggesellin? Immerhin legten Frauen damals – von einigen Ausnahmen abgesehen – eher selten Gesellenprüfungen ab. Woher der Begriff stammt, bleibt rätselhaft. Es könnte aber folgendermaßen gewesen sein: Junggeselle bedeutete im 16. Jahrhundert nämlich auch junger, unverheirateter Mann. Junge, unverheiratete Frauen wurden dagegen als Jungfrauen bezeichnet. Da Sex vor der Ehe damals zumindest offiziell noch kein Thema war, stand Jungfrau eben auch dafür, noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Diese Bedeutung hat sich bekanntlich bis heute gehalten, der gesellschaftliche Wertekanon nicht. Die Junggesellin, wie wir sie heute kennen, vermeidet da etwaige Missverständnisse. Benjamin KnödlerLLiebe Ist eine Frau Junggesellin, dann heißt es gleich, sie sei bestimmt auf der Suche. Männer jedenfalls, die sich bewusst gegen eine Bindung entscheiden, sind gesellschaftlich deutlich angesehener, gelten gelegentlich gar als charismatische Abenteurer und Playboys. Ziemlich ungerecht. Die Autorin und Musikerin Christiane Rösinger hat bereits 2012 zu diesem Thema ein Buch geschrieben. In Liebe wird oft überbewertet, einem Sachbuch, geht es darum, sein eigenes Glück zu finden und sich nicht an die romantische Zweierbeziehung (ironisch abgekürzt mit RZB) als einziges Modell für Glückseligkeit zu klammern. Die Ex-Lassie-Singers-Frontfrau greift bereits musikalisch Thematisiertes (Die Pärchenlüge, Liebe wird oft überbewertet, Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht ...) wieder auf und verpackt es mit reichlich Humor. Für sie ist „Liebe eine Droge“, der sie abgeschworen hat, weil sie ihr „auf Dauer nicht guttut“. Ein zugegebenermaßen radikaler Schritt, aber die Auseinandersetzung lohnt in unserer Gesellschaft, in der die romantische Liebe zur Religion überhöht wird. Jedes ist seines Glückes Schmied, alleine oder zu zweit! Sophia HoffmannLilith Die der sumerischen Mythologie entstammende Windgöttin Lilith hat es in viele Legenden und Überlieferungen geschafft. Hier zerstörerischer Dämon, dort Schöpferin, taucht sie ein einziges Mal auch in der Bibel auf: als Nachtgespenst in der Wüste. Teile der jüdischen Überlieferung bauen sie zur Figur mit emanzipatorischem Potenzial aus, die zum Symbol wurde. Als erste Frau entzieht sie sich der Herrschaft Adams, weshalb Gott Eva als folgsames Weib nachrücken lässt. So bleibt die patriarchale Ordnung gewahrt. Lilith hingegen entkommt und frönt – frei wie der Wind – ihrem Leben und der Libido. Tobias PrüwerMMythologie Junggesellinnen haben bekanntlich mit vielen wenig schmeichelhaften Vorurteilen zu kämpfen. Dabei haben sie mit Blick auf die griechische Mythologie etwas wahrhaft Göttliches an sich. Gleich drei sogenannte jungfräuliche Göttinnen residieren auf dem Olymp. Sie alle sind für die Macht der Aphrodite nicht empfänglich und ziehen selbstbewusst und aus freien Stücken das Junggesellinnendasein vor: Hestia, die Göttin des Familien- und Staatsherdes, ist so überzeugt vom Leben – so man das göttliche Dasein denn als solches bezeichnen will – als Junggesellin, dass sie sogar dem Buhlen von Apollon und Poseidon, ihrerseits göttliche Schwergewichte, widersteht. Auch Athene, unter anderem Göttin der Weisheit und des Kampfes, kann mit der Männerwelt nichts anfangen. Und dann ist da noch Artemis, vielleicht die überzeugteste der drei Junggesellinnen. Die Göttin der Jagd und des Waldes macht Männer für die Geburtswehen der Frauen verantwortlich und lässt in ihrem Gefolge nur jungfräuliche Nymphen zu. So gesehen wäre es vielleicht mal Zeit, die Vorurteile zu überdenken. BKOOnline-Dating Vor ein paar Jahren testete ich Dating-Portale – für eine Recherche, versteht sich. Mein Fokus damals: Angebote, die unverbindliche Abenteuer versprechen. Und ich war jung, weiblich, Single. Die Männer dort waren meist im, nun ja, Frührentenalter und formulierten bei der Kontaktaufnahme selten einen zusammenhängenden Satz (F*cken??). Viele waren liiert, so wie der Arzt aus dem Prenzlauer Berg mit Frau und einjährigem Kind. Ich schrieb ihm, er solle sich mal zusammenreißen. Dann probierte ich OkCupid – jünger und ansprechender – und ließ mich auf ein Date ein. Ich fand heraus, dass der Glückliche in der Nachbarschaft wohnte – ich hätte ihm also auch im Späti begegnen können. Heute nutzt man, wie ich höre, Tinder. Die Tinder-Bosse outen sich in Interviews als chauvinistische Arschlöcher, die nach eigenen Angaben nie eine Frau daten würden, die ihre App verwendet. Aber ehrlich gesagt: Auch ich empfehle das echte Leben, das jedenfalls hat sich bewährt. SHSSex and the City Ende der 90er Jahre tauchten sie im TV-Universum auf: erfolgreiche Singlefrauen – auf der Suche nach dem passenden Schuh oder dem passenden Mann. Ob als Sex and the City-Clique oder egozentrische Anwältin Ally McBeal – sie alle boten ein gewisses Identifikationspotenzial. Da mochte sich die schlanke Renée Zellweger für die Bridget-Jones-Verfilmung satte zwölf Kilo anfuttern, um die Rolle einer Durchschnittsfrau am Rande des Nervenzusammenbruchs überzeugend zu verkörpern – wenn Sex and the City-Frontfrau Carrie mal wieder Pech mit nem Typen hatte, war sie trotzdem noch Lichtjahre glamouröser als die ungelenke Bridget. Und keine Frage: All diese Frauenfiguren sind vom Scheitel bis zur Manolo-Blahnik-Sohle mit Klischees beladen. Aber immerhin sorgte ihr Erfolg dafür, dass die Unterhaltungsbranche zunehmend auf selbstironische Frauentypen setzt. Der Weg ist das Ziel. SHSirenen Vokale Verlockungen: Die Sirenen treten als eine Mischung aus Frau und Vogel mit magischer Anziehungskraft in Homers Odyssee in Erscheinung. Doch mit Hilfe eines – wir würden heute sagen: einfachen – Tricks, Wachs in den Ohren, können sich die Irrfahrer der singend-frohlockenden Sensation der Hybride erwehren. Einer Sage nach waren die Sirenen eigentlich normale Mädchen, die keine Lust auf Hochzeit hatten. Zur Strafe verwandelte Aphrodite sie in die gefederten Mischwesen. Das Motiv der weiblichen Ruferin, die mit ihrer Stimme die Männer betört und ins Verderben stürzt, ist in der Kulturgeschichte höchst beliebt. Auch die Kritische Theorie kam daran nicht vorbei. Die Dialektik der Aufklärung erklärt so die Verquickung von Mythos und Aufklärung sowie den faden Schein der Kulturindustrie. Der am Mastbaum festgezurrte Odysseus steht fürs bürgerliche Subjekt, das sich fortwährend selbst unterwerfen muss. Er will den Sirenen verfallen, muss aber im sozialen Korsett verharren, um Bürger zu bleiben – und flüchtet sich in den passiven Kunstgenuss: „sein begeisterter Ruf nach Befreiung verhallt schon als Applaus.“ TPZZölibat Zu heiraten, das ist schon eine der gewichtigeren Entscheidungen im Leben. Folglich ist auch die gegenteilige Entscheidung, niemals zu heiraten, keinen Deut leichter. Und man muss vom Leben als Junggesellin schon sehr überzeugt sein, um sich dafür zu entscheiden, so einen Bund fürs Leben ein Leben lang auszuschließen. Oder ziemlich gläubig. Nonnen und Ordensschwestern wären dann, wennn man so will, die Hardliner und Überzeugungstäterinnen unter den Junggesellinnen. Mit dem Zölibat, dem Versprechen, ein eheloses Leben zu führen, erfüllen Ordensfrauen eine Pflicht, die ihnen ihr gottgeweihtes und dem Dienst an der Gemeinschaft gewidmetes Leben auferlegt. Klingt nach ziemlich schwerer Last – und vermutlich ist es das auch. Schließlich haben Ordensschwestern und Nonnen im Gegenzug nicht dasselbe Maß an Freiheit, Selbstbestimmtheit und Ungebundenheit, das ein Leben als gewöhnliche Junggesellin ohne Orden und Gelübde bietet. Dabei ist es mit der Pflicht, ein Leben lang keusche Junggesellin zu sein, noch nicht getan. Nein, obendrein versprechen die Ordensfrauen auch Armut und Gehorsam. Kurzum: Spaß stellt man sich anders vor. Und bei allem Glauben ist es sicher nicht leicht, eine solche Entscheidung zu treffen. Deshalb an dieser Stelle: Respekt! Andererseits: Ein besserer Grund, niemals an einem Junggesellinnenabschied teilnehmen zu müssen, wird sich kaum finden. BK
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