A
Abzocke „Und lasst euch da nicht von den Taxifahrern bescheißen!“ Touristen sind die wohl beliebtesten Wucher-Opfer. Und von der Taxi-Mafia in exotischen Städten, erzählt man nach der Rückkehr in die Heimat gern abenteuerliche Geschichten. Vor Kurzem erwies sich aber ein Berliner Taxi-Fahrer als besonders dreist: 400 Euro soll er von einem Touristen aus Mexiko verlangt haben – für eine Strecke von zehn Kilometern. Der Fahrer muss sich nun vor Gericht verantworten. Um auch kleineren Betrugsfällen vorzubeugen, können Fahrgäste etwa auf taxi-rechner.de nachschauen, was eine Strecke voraussichtlich kostet. Uwe Gawehn, Geschäftsführer der Berliner Taxi-Innung, empfiehlt außerdem, sich nie direkt von Taxi-Fahrern ansprechen zu lassen. Bei Anwerbern sei das Risiko, an unseriöse Fahrer zu geraten, besonders hoch. Darüber hinaus rät Gawehn, bei Flughäfen und Bahnhöfen, die offiziellen Taxihaltestellen zum Einsteigen zu nutzen. In einigen Ländern werden dort auch offizielle Preise ausgewiesen. Lina Verschwele
B
Blogger Mehrere Taxifahrer schreiben im Internet über ihr Berufsleben. Der Bekannteste deutsche Taxiblogger ist wohl Sascha „Sash“ Bors aus Berlin mit seinem Blog gestern-nacht-im-taxi.de. Auf seiner Seite findet man auch zehn weiterführende Links zu Kollegen in Städten wie Stuttgart, Hamburg, Dresden. Warum er bloggt, begründet Bors in seinen FAQ: Um seine Leser mit Geschichten aus dem Mikrokosmos alltäglicher Absurditäten zu unterhalten. Und weil er der weitverbreiteten Meinung etwas entgegensetzen möchte, Taxifahrer seien allesamt nichtskönnende Studienabbrecher ohne Perspektive. Bors schlägt damit in dieselbe Kerbe wie die Initiatoren des „VIP Quality Taxi Service“ in Berlin, die den Droschkenfahrern nun Höflichkeit beibringen wollen. Es geht um Image-Aufwertung und Qualitätssicherung. Ganz nebenbei zeigt Bors aber auch, dass ein guter Taxifahrer vor allem eins sein muss: ein Menschenfreund. Sophia Hoffmann
E
Ethisches Dilemma Mit der Lenin-Frage „Was tun?“ kann man sich mitunter auch beim Taxifahren geißeln. Ethische Dilemmata warten ja nicht nur im Philosophieseminar auf ihre Lösung. Was zum Beispiel, wenn sich der gerade angeheuerte Fahrer kurz nach dem Einstieg als Chauvi entpuppt? So geschehen ist es kürzlich einer Bekannten. Bei Winterkälte und dicken Eisflächen, natürlich zu später Stunde, fand sie sich in einem Taxi wieder, an dessen Steuer sich während der Fahrt ein Maskulist zu erkennen gab. Die Ex habe ihn verlassen, sein Kind könne er nur selten sehen und überhaupt seien alle „Weiber“ fies, verschlagen und doof. Was tun? Versuchen, das Thema zu wechseln? Ihn bitten zu schweigen? Aussteigen? Und wenn der Fahrer in einem anderen Fall über Flüchtlinge schimpft, fordert man ihn zur Diskussion? Oder übergeht man solches Verhalten als traurigen Sonderfall, der einem in der eigenen Peergroup nie begegnen würde? Taxifahren wirkt so einfach, aber es kann manchmal verdammt kompliziert sein. Tobias Prüwer
F
Film I Es gibt fast so viele Filme übers Taxifahren wie Cabs in New York, aber der mit Abstand wichtigste ist Martin Scorseses Taxi Driver (1976) mit Robert De Niro und Jodie Foster. Der unfassbar einsame Taxifahrer Travis Bickle lernt bei seinen Nachtschichten die Unterwelt New Yorks kennen und entwickelt einen psychotischen Wahn. Er will die Stadt von Schmutz und Abschaum reinigen, und besorgt sich Waffen. Schließlich richtet er bei dem Versuch, eine junge Prostituierte aus dem Rotlichtmilieu zu befreien, ein Blutbad an. Von den Medien wird er als Held gefeiert. An seiner Einsamkeit ändert das aber nichts. Der Film zeigt die Großstadt als soziales Labor, in dem der amerikanische Traum längst Geschichte ist und die Isolation des Individuums in einer latent gewaltbereiten Gesellschaft zur Gefahr wird. Andrea Wierich
Film II Jim Jarmuschs Episodenfilm Night on Earth ist nicht nur eine Ode an die Nacht, sondern auch eine Liebeserklärung an das Taxi, dessen wichtigste Zeit ja nach Mitternacht kommt. Im Mikrokosmos Taxi bilden sich Beziehungen auf Zeit, die gerade darum so besonders sind. In Jarmuschs Meisterwerk, definitiv der zweitwichtigste Taxibeitrag der Filmgeschichte, entspinnen sich wunderbare Gespräche zwischen den verschiedensten Nachtmenschen. Da ist die kettenrauchende, fluchende Corky,eigentlich noch ein Kind, die die Freiheit ihres Taxis in Los Angeles auch nicht für eine Karriere als Filmstar aufgeben will. Oder Helmut, der Clown aus Dresden, der so sehr mit seinem Auto im New Yorker Straßengewirr zu kämpfen hat, dass für Ressentiments kein Platz ist. Am Ende lässt er sich von seinem Fahrgast chauffieren. Und durch die Gassen Roms lenkt Paolo Benigni seinen Wagen mit einen wortkargen, am Ende toten Priester auf der Rückbank. Dessen katholisches Herz macht die Fahrt irgendwann einfach nicht mehr mit. Unvergessliche Szene! Benjamin Knödler
I
Indien Wie die Welt in den vergangenen Jahren schmerzlich lernte, leben Frauen in Indien gefährlich. Am häufigsten werden sie in Transportmitteln bedrängt. Deswegen gibt es in Neu-Delhi nicht nur in der U-Bahn einen Wagen nur für Frauen, sondern seit mehr als drei Jahren auch Taxis. Das Konzept „von Frauen für Frauen“ stammt von dem sozialen Unternehmen Sakha Consulting Wings, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, sichere Transportmittel für Frauen bereitzustellen. Die professionell ausgebildeten Fahrerinnen stammen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten. Dafür hat die Schwester-Organisation Azad Fundation gesorgt, die seit fünf Jahren versucht, die Situation von armen Frauen und ihren Familien durch Berufsmöglichkeiten zu verbessern. Neben Neu-Delhi werden die frauenfreundlichen Dienstleistungen seit vergangenem Jahr nun auch in Jaipur angeboten. Katharina Finke
K
Karriere Joschka Fischer war viel auf der Straße: tagsüber auf Demonstrationen, nachts im Taxi. Ende der Siebziger verdiente er in Frankfurt als Taxifahrer sein Geld, lernte Menschen aus allen möglichen Schichten und politischen Spektren kennen. Rund 30 Jahre später sagteder Grünen-Politiker: „Im Taxi bin ich zum Realo geworden. Ich habe gelernt, dass das Großartige und das Hundsgemeine in jedem Menschen ganz eng beieinander liegen.“ Als Außenminister wurde er dann selbst durch die Gegend kutschiert, die Öffentlichkeit sah ihn jedoch beim Joggen.
Nach dem Ende seiner Politikerkarriere blätterte der Öko-Anstrich ab und Fischer wurde Lobbyist für den Autokonzern BMW. Im vergangenen Jahr ließ er sich sogar dabei filmen, wie er lässig mit dem neuen BMW-Elektroauto durch Leipzig und Berlin kurvt. Merke: Vom Steineschmeißen als Sponti zum Bombenwerfen als Außenminister ist es nicht weit – vom Taxifahrer zum Autolobbyisten offenbar auch nicht. Felix Werdermann
Kurzstrecke Zwei Kilometer für vier Euro. Gemessen an den sonstige Taxi-Tarifen verlockt die Kurzstrecke wohl jeden. Die Taxifahrer sind ob dieses Wunsches jedoch meist wenig begeistert, müssen sie doch fünf Minuten später schon wieder auf Kundschaft warten. Die typische Kurzstreckenfahrt ist dementsprechend unentspannt: Vier – meist junge – Menschen, die sonst wohl nie Taxi führen, sitzen eng gedrängt im Wagen und hoffen, dass die Fahrt bis vor die Haustür oder den Club reicht. Sollte es nicht reichen, beginnt das Feilschen. Komplettiert wird diese unglückselige Fahrgemeinschaft vom muffigen, innerlich aber tobenden Taxifahrer, der am Ende vier Euro passend und in Zwanzigcent-Münzen bekommt.
Und dann gibt es auch noch die Spezialisten in Sachen Kurzstrecke. Die wechseln von Taxi zu Taxi und bewegen sich Kurzstrecke für Kurzstrecke an ihr Ziel. Denn vier Kilometer für acht Euro ist eben günstiger als 10,56 Euro, die die Fahrt sonst kosten würde. Fortsetzen lässt sich das ewig. Wie beliebt man sich bei den Taxifahrern macht, kann man sich Gelegenheit allerdings auch ausrechnen. BK
Q
Quiz Aufgrund endloser Wiederholungen werde ich bis heute auf mein Rateglück bei der Sendung Quiz-Taxi angesprochen. Das war 2007, im Jahr darauf wurde die Kabel-1-Sendung eingestellt. Dabei war die Idee schlagend simpel: Taxi-Kunden wurden überrascht und konnten durch richtig beantwortete Fragen Geld gewinnen. Was man nicht sagte: Es gab ein Ad-hoc-Casting. Eine Freundin und ich wurden in Leipzigs Innenstadt gefragt, ob wir für die Taxi-Gewerkschaft als Tester agieren wollten. Wir rochen den Braten, ließen uns aber darauf ein. Nach Fragen wie „Wo spielt Der letzte Kaiser?“ und „Welcher Kanzler veranlasste die Aufrüstung?“ bekamen wir 850 Euro. Leicht verdientes Geld – eine Sportfrage gab es zum Glück nicht – für 20 Minuten Nachdenken. Eine Antwort aber müssen wir heute noch immer wieder geben: „Nein, ich fahre normalerweise nicht tagsüber Taxi.“ TP
Ü
Übergeben Es ist der Albtraum aller Beteiligten. Verstörte Erbrecher berichten im Internet von 700 Euro, die sie bezahlen mussten, weil sie sich in einem Taxi übergeben hatten. Tatsächlich kommt es aber ganz darauf an, was man beim Übergeben trifft: Gelangt der Mageninhalt in die Lüftungsschlitze, zahlt man schnell über 1.000 Euro. Im schlimmsten Fall müssen dann die Lüftungsschläuche in der Werkstatt komplett ausgetauscht werden. Hinzu kommt der Verdienstausfall des Fahrers. Wer bloß den Teppich besudelt oder ein paar Spritzer auf dem Polster hinterlässt, ist dagegen ab 30 Euro dabei – entscheidend für den Betrag sind die Reinigungskosten.
Ob der Fahrer je an sein Geld kommt, ist aber meist fraglich. Von den fast immer alkoholisierten Kotzenden sei im Normalfall nichts zu holen, kommentiert ein Taxiunternehmer aus Leipzig. In der Regel versuchten seine Fahrer deshalb, ihr Auto möglichst schnell selbst zu reinigen und neue Kunden zu gewinnen. Im Zweifel lässt der Fahrer den Koma-Säufer daher lieber stehen – das ist entgegen verbreiteten Meinungen erlaubt. Wer eine Gefahr für den Verkehr darstellt, zum Beispiel ins Steuer greifen könnte, muss nicht transportiert werden. LV
Z
Zerwürfnis „Ich war aber zuerst da!“ Im Kampf um das nächste Taxi kann es rüde zugehen. Dass einer dem anderen den Vortritt gewährt, der selbst schon ewig wartet, sieht man höchstens einmal im Kino. Grundsätzlich gilt: je knapper die Taxis, desto höher die Aggressionsbereitschaft. Besondere Vorsicht ist deshalb in Großstädten wie New York oder London geboten. Schließen in London die letzten Pubs, kann es zu extremen Gedränge kommen. Wer eben noch einträchtig Gläser leerte, würde diese nun am liebsten über dem anderen ausgießen. Doch auch in kleinen Städten nimmt der Streit ums Taxi bisweilen große Ausmaße an. So zum Beispiel im beschaulichen Donaueschingen: Ende Januar stritten dort zwei Gruppen um ein Taxi – bis ein Kontrahent den Gegner mit einer Flasche niederschlug. Das 20-jährige Opfer musste mehrmals operiert werden. Die Polizei ermittelt jetzt wegen schwerer Körperverletzung. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich kurz nach Neujahr in Potsdam. Dort hatten drei Männer im Streit um ein Taxi auf zwei andere eingeschlagen. Erst die Polizei konnte die Angreifer stoppen. LV
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